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Zirkus Zambaioni: Sich gemeinsam etwas trauen

Kinder sollen nicht funktionieren, sondern müssen in ihren Themen gesehen werden – das ist eine der Ideen hinter dem Zirkusprojekt Zambaioni. Weil bisher Räume fehlen, können aber nicht alle Kinder mitmachen.

08.12.2023

Von Lisa Maria Sporrer

Eine Pyramide haben die Zambaioni-Kinder schon einstudiert. Links im Bild: die Zirkuspädagogin Susanne Baumgartner. Bild: Klaus Franke

Eine Pyramide haben die Zambaioni-Kinder schon einstudiert. Links im Bild: die Zirkuspädagogin Susanne Baumgartner. Bild: Klaus Franke

Es sieht spielend leicht aus, wie die Achtjährige sich in dem Seil, das von der Decke baumelt, dreht, dann wie ein Eichhörnchen ein Stückchen höher schnellt, um es sich knapp unter der Decke wie in einer schwebenden Hängematte gemütlich zu machen. Mit drei eleganten Drehungen und einem „Juchuh“ steht Amber schließlich wieder auf dem Boden der Zirkushalle im Loretto.

Das Seil, das von der Decke baumelt, heißt Vertikaltuch, und die Zirkushalle ist der Bewegungsraum in der Geschäftsstelle des Tübinger Kinder- und Jugendzirkus Zambaioni. Dort, in dem rund 100 Quadratmeter großen Raum, üben besonders die jüngeren Kinder ihre Leidenschaft an dem, was sie am Zirkus begeistert: Jonglieren, Balancieren, Trapez, Vertikaltuch.

„Im Zambaioni spielt es keine Rolle, wie geschickt, ehrgeizig oder begabt ein Kind ist“, sagt die Zirkuspädagogin Susanne Baumgartner. „Es geht um die Freude an der Bewegung, es geht um die Herausforderung, den Mut sich etwas zuzutrauen, und es geht um das soziale Miteinander.“ Gerade aus diesem Grund würden in allen Gruppen auch Inklusionskinder ihren Platz finden.

Das Angebot deckt nahezu alle Altersklassen ab: In den Zambambini-Kursen machen sechs- bis achtjährige Kinder spielerisch ihre ersten Zirkuserfahrungen. Grundlagen in verschiedenen zirzensischen Techniken gibt es für Acht- bis Vierzehnjährige. Zwischen Elf- und Achtzehnjährige, die ihre Leidenschaft für Zirkus über die Jahre nicht verloren haben, schielen schließlich auf einen der begehrten 50 Ensemble-Plätze. Die Mitglieder des Ensembles sind diejenigen, die im Frühjahr immer an zwei Wochenenden im eigenen Zirkuszelt auf der Derendinger Festwiese ihr Können präsentieren. Aber es gibt noch viel mehr Angebote: Das „Zamba-Intensiv-Projekt (ZIP)“ etwa, das offene Trainingsangebot „Monday Open Space“, kurz: MOPS, und Zirkusfreizeiten in den Schulferien. „Wir erleben seit Jahren eine enorme Nachfrage nach Zirkuspädagogik, der Bedarf ist wesentlich höher, als das Angebot in Tübingen“, sagt Gaby Müller vom Zambaioni-Vorstand. Gleichzeitig würden aktuelle Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche sehr belastet sind, sich sozusagen im Dauerkrisenmodus befänden. „Um so wichtiger sind vertrauensvolle, sichere außerschulische Räume, in denen Jugendliche nicht funktionieren müssen, sondern mit ihren Themen gesehen werden“, sagt Müller. „Zambaioni will mit seinem Bewegungsangebot, das nicht auf Leistung und Wettbewerb ausgerichtet ist, sondern kreative, partizipative Prozesse ermöglicht, einen Teil dazu beitragen.“

Das geht aber nicht mit dem 100 Quadratmeter großen Raum im Loretto, in dem , an einem der Kursnachmittage die zehnjährige Emma auf dem Trapez den „Papagei“ übt: Die Füße werden an der einen Seite des Seils verknotet, mit den Händen wird die andere Seite möglichst weit weggedrückt. Wie ein menschlicher Spagat mitten in der Luft. „Prima“, sagt die 17-jährige Ellis, die im Ensemble ist und nach ihrer Trainerausbildung die jüngeren Kinder am Trapez trainiert.

Für die jüngeren Kinder, die gerade erst ihre Leidenschaft für Bewegung in Form von Zirkuskunststücken entdecken, reiche die Höhe des Trapezes und des Vertikaltuchs völlig aus, sagt Baumgartner. Den Schwung, den es braucht, um im Zirkuszelt sein Können zu zeigen, kann man in dem niedrigen Raum allerdings nicht üben. Deshalb wird mit den Jugendlichen in der Halle des Tanzsport- und Rock’n’Roll-Zentrums geübt. Sieben Meter ist die Decke dort hoch. Die Trainingszeiten für die Zirkusbegeisterten sind aber begrenzt. Schließlich wird überwiegend getanzt in der Halle. Das Projekt „Zirkushaus“ mit zwei großen Bewegungsräumen neben einer Trainingshalle könnte das Raumproblem lösen, besonders das Problem, dass immer wieder Kinder abgewiesen werden müssen, die sich für die Kursangebote anmelden.

Das Projekt „Zirkushaus“, das in einer Baugemeinschaft mit der GWG und der Stadt Tübingen in der Südstadt auf dem Gelände des ehemaligen Autopalazzo entstehen soll, wäre aber für den Verein Zambaioni ohne Spenden nicht finanzierbar. Das Zirkushaus wäre dann ein Ort, an dem alles gebündelt ist, sagt Gaby Müller: der Kurs- und Trainingsbetrieb, Workshops, Proben, künstlerische und handwerkliche Aktivitäten rund um die Aufführungen sowie Verwaltung, Lagerräume für Requisite und Kostüme. „Wir sehen auch einen großen Bedarf, stärker mit Schulen und Kitas zu kooperieren“, sagt Müller. Auch das wäre dann mit dem neuen Platz möglich.

Wie viel Spaß den Kindern die Bewegungskunststücke machen können, zeigen auch der achtjährige Noah und der neunjährige Julius. Wie selbstverständlich laufen sie mit kleinen Tippelschritten auf einem großen Bewegungsball durch den Raum im Loretto. Als sie aneinander vorbeikommen, zücken sie ihren Hut, als wollten sie sagen: Gestatten, wir sind Teil des Zirkus Zambaioni, herzlich willkommen!

Ein Haus, damit kein Kind mehr abgewiesen wird

Zirkus Zambaioni: Sich gemeinsam etwas trauen
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Erstellt:
08.12.2023, 19:58 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 39sec
zuletzt aktualisiert: 08.12.2023, 19:58 Uhr

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