Handel

Tonnenweise Textilien verschenkt

500 Millionen Kleidungsstücke und Schuhe sind durch die Lockdowns in den Lagern der Textilgeschäfte liegen geblieben. Deshalb wird nun viel gespendet.

05.08.2021

Von CAROLINE STRANG

Unter Kleiderspenden stellt man sich meistens einen Karton mit getragenen Klamotten vor. Derzeit spenden viele Händler aber tausende Teile neuer Ware, die wegen Corona liegen geblieben sind. Foto: © Carolyn Franks/shutterstock.com

Unter Kleiderspenden stellt man sich meistens einen Karton mit getragenen Klamotten vor. Derzeit spenden viele Händler aber tausende Teile neuer Ware, die wegen Corona liegen geblieben sind. Foto: © Carolyn Franks/shutterstock.com

Ulm. Rund 500 Millionen Kleidungsstücke und Schuhe blieben laut Schätzungen des Handelsverbands durch die Lockdowns und die Einschränkungen im Handel in den Lagern liegen. Eine gigantische Menge. Für viele Händler stellte sich die Frage, wohin damit. Einlagern? Spenden? Oder gar vernichten? Gut die Hälfte der Ware ist eingelagert worden, sagt Axel Augustin, Sprecher des Handelsverbands Textil (BTE). Als die Geschäfte wieder öffnen durften, lockten viele Händler auch mit Rabattaktionen, um die Klamotten noch verkaufen zu können, aufholen konnten sie die Verluste allerdings nicht. Manche Kleidungsstücke kommen zudem schnell aus der Mode und werden zu Ladenhütern. Was macht man damit?

Die Kleidung zu spenden war für viele Händler nicht attraktiv, weil auf die Ware trotzdem Umsatzsteuer anfiel. Mitte März nahm sich der Gesetzgeber dieses Problems an und setzte die Pflicht zur Versteuerung von Sachspenden bis zum Ende dieses Jahres aus. Mit dieser Regelung wurden dem Bundesfinanzministerium zufolge „vollumfänglich Unsicherheiten bei der Ermittlung der Umsatzsteuer auf eine Sachspende, die bislang von den Unternehmern immer wieder als Grund für den Verzicht auf eine Spende genannt wurden“, beseitigt. Außerdem konnte und kann der Einkaufspreis von gespendeten Waren den Händlern über das Hilfsprogramm Überbrückungshilfe III komplett erstattet werden. Das brachte Bewegung in die Branche.

Vor allem Mittelständler geben

„Viele, vor allem kleine und mittelständische Textilhändler, oftmals Familienbetriebe mehrerer Generationen, haben sich an die Geschäftsstelle von FairWertung oder direkt an angeschlossene Organisationen gewendet“, erzählt Ulrich Müller, Ehrenamtlicher Vorstand des Dachverbands FairWertung. Das ist ein bundesweites Netzwerk von gemeinnützigen Organisationen, die Altkleider sammeln. „Ebenso erhielten wir Anfragen von Herstellern und konnten für diese zielführende Kontakte vermitteln.“ Die Menge umfasse nun schon mehrere 100 Tonnen, einige Millionen Kleidungsstücke könnten es schon werden, schätzt er.

Augustin erklärt diese große Spendenbereitschaft zusammenfassend so: „Der Vorgang ist einfach, die Händler müssen keine Steuern auf die Kleidungsstücke bezahlen und bekommen Überbrückungshilfe III“. Außerdem hätten einige Unternehmensberatungen empfohlen, die unverkäufliche Ware ganz zu spenden. Für Mittelständler könne das durchaus sinnvoll sein. Allerdings: „Die großen Händler waren länger gar nicht berechtigt, die Überbrückungshilfen in Anspruch zu nehmen, inzwischen können sie das zwar, der Zuschuss ist aber auf 50 Millionen Euro gedeckelt“, erklärt Augustin. Das sei für die großen Textilunternehmen wenig.

Kleine und mittlere Hilfsorganisationen indes waren mit den großen Mengen an gespendeten Klamotten überfordert, so dass die Anfragen im Netzwerk von FairWertung je nach Wirkungsradius und Leistungsfähigkeit verteilt werden konnten, berichtet Müller. „Alle Anfragen konnten und können weiterhin so bedient werden.“ Die Logistik müsse individuell gestaltet werden, manche Händler hätten große Mengen in Zentrallagern, andere wollten direkt aus ihrem Filialnetz spenden.

Was geschieht dann mit den Klamotten? „Die Weitergabe an Bedürftige erfolgt individuell je nach den Satzungsaufgaben der uns angeschlossenen Einrichtungen lokal über Kleiderkammern und Sozialkaufhäuser oder national in Hilfsprojekten von bundesweit aufgestellten Organisationen oder auch im Rahmen von internationalen Hilfsgütertransporten“, erklärt Müller.

Kritik gibt es von den Verbänden an der Befristung der Steueraussetzung bis Ende des Jahres. „Das finden wir unglücklich, weil immer was übrig bleibt“, sagt BTE-Sprecher Augustin. Grundsätzlich müsse dafür eine EU-weite Lösung gefunden werden, weil die Umsatzsteuer mit anderen europäischen Partnern abgesprochen werden müsse. „Bei Lebensmitteln haben sie das hingekriegt“, so Augustin. Auch Müller bestätigt: „Wir hoffen sehr, dass die neue Bundesregierung diesen Weg dauerhaft öffnet, so dass auch zukünftig die Spende an gemeinnützige Einrichtungen attraktiver ist als unverkaufte Ware zu vernichten.“

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Erstellt:
05.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 05.08.2021, 06:00 Uhr

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