Grünes Gewölbe

Großrazzia gegen Juwelendiebe

Der Verdacht schien zu naheliegend, um wahr zu sein: Hinter dem Einbruch ins Dresdner Museum könnten Mitglieder eines Berliner Clans stehen, vermuten Ermittler und schlagen zu.

18.11.2020

Von ANDREAS RABENSTEIN

Knapp ein Jahr nach dem Kunstdiebstahl im Dresdner Grünen Gewölbe hat die Polizei am Dienstagmorgen insgesamt 18 Objekte in Berlin durchsucht. Es waren 1600 Polizisten aus acht Bundesländern im Einsatz.  Foto: Annette Riedl/dpa

Knapp ein Jahr nach dem Kunstdiebstahl im Dresdner Grünen Gewölbe hat die Polizei am Dienstagmorgen insgesamt 18 Objekte in Berlin durchsucht. Es waren 1600 Polizisten aus acht Bundesländern im Einsatz. Foto: Annette Riedl/dpa

Der wochenlang geplante Einsatz der sächsischen Polizei in Berlin ist hochgeheim, und sein Ablauf ähnelt einer militärischen Operation: 1600 Polizisten aus acht Bundesländern sind zusammengezogen, viele mit Maschinenpistolen ausgerüstet, dazu kommen die ebenfalls schwer bewaffneten Spezialeinsatzkommandos (SEK), darunter die bekannte GSG-9-Truppe des Bundes. Polizeieinheiten fahren aus Sachsen Umwege nach Berlin, um nicht zu sehr aufzufallen. In der Dunkelheit am Dienstagfrüh um 6 Uhr schlägt die Polizei in der Hauptstadt zu. Die SEKs stürmen zehn Wohnungen und durchsuchen Garagen und Autos, viele im Stadtteil Neukölln.

Ihr Ziel: Kriminelle Mitglieder des Remmo-Clans. Männer aus dieser bekannten arabisch-stämmigen Großfamilie wurden bereits wegen des Diebstahls der Goldmünze und eines Millionen-Einbruchs in eine Bank verurteilt. Der dringende Verdacht: Familienmitglieder sollen auch den spektakulären Einbruch in das Historische Grüne Gewölbe in Dresden und den Diebstahl wertvoller Juwelen verübt haben.

Am frühen Morgen des 25. November 2019 drangen zwei Täter in das berühmte Schatzkammermuseum im Dresdner Residenzschloss ein. Sie durchtrennten ein Gitter und stemmten ein Fenster heraus. Im Juwelenzimmer schlugen sie mit einer Axt Löcher in eine Vitrine und rafften mehr als 20 barocke Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten zusammen.

Der von einer Kamera gefilmte Coup dauerte nur wenige Minuten. Als die Polizei eintraf, waren Diebe und Beute verschwunden. Ein angezündetes Fluchtauto wurde in einer Garage entdeckt. Mit einem weiteren, als Taxi getarnten Wagen, sollen sie nach Berlin gefahren sein.

Die Kriminalpolizei in Sachsen bildete eine 40-köpfige Sonderkommission „Epaulette“, benannt nach einem der wertvollsten Schmuckstücke, und setzte eine Belohnung von 500 000 Euro aus. Mehr als 700 Spuren wurden gesichert, weit mehr als 1000 Hinweise gingen ein. Ermittelt wurde auch gegen Wachmänner des Museums.

Die Soko nahm außerdem zügig Kontakt zu einem Experten des Berliner LKA für Kunstdelikte auf. Überhaupt dachten viele Beobachter schnell an Berlin und die kriminellen Clans. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach nach der Tat von Spekulationen, sagte aber auch: „Die Parallelen zum Überfall im KaDeWe und dem Einbruch ins Bode-Museum sind leicht erkennbar, dafür muss man nicht Kriminalist sein.“

Doch die Spuren nach Berlin und – wie man jetzt weiß – auch zu dem Clan wurden immer konkreter. Am 2. September durchsuchte die Polizei ein Internet-Café in Neukölln und eine Wohnung. Ein Angestellter soll den Tätern SIM-Karten für Handys, die auf fiktive Namen registriert waren, verkauft haben. Die SIM-Karten wurden bei der Vorbereitung und Ausführung des Coups genutzt. Am 9. September wurden Autowerkstätten durchsucht. Dort soll das Fluchtauto mit Folien beklebt worden sein. Polizei und Staatsanwaltschaft gingen im Herbst von mindestens sieben Tätern aus. Und zeigten sich sehr zuversichtlich, sie zu fassen.

Fünf Männer im Visier

Im Visier des Dresdner LKAs und der Berliner stehen nun fünf verdächtige Männer aus dem Clan. Drei von ihnen, zweimal 23 und einmal 26 Jahre alt und mit deutscher Staatsangehörigkeit, kann die Polizei am frühen Dienstagmorgen festnehmen. Einer von ihnen wurde im Februar wegen des Diebstahls der Goldmünze verurteilt, er befand sich aber bisher noch auf freiem Fuß.

Die drei Festgenommenen werden nach Dresden zum Haftrichter gefahren. Der Verdacht lautet auf schweren Bandendiebstahl und Brandstiftung. Kurz nach den Razzien veröffentlicht die Polizei eine Fahndung mit Fotos von zwei weiteren jungen Männern aus dem Clan. Beide sind 21 Jahre alt und tragen den gleichen Nachnamen wie die anderen drei. Sie konnten noch nicht gefasst werden. dpa

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Erstellt:
18.11.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 45sec
zuletzt aktualisiert: 18.11.2020, 06:00 Uhr

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