Gesellschaft

Er hat nicht nur ein Herz für Omis

Waldi Lehnertz handelt mit Antiquitäten und hat es geschafft, mit „Achtzisch Euro“ zu einem TV-Promi zu werden. Nun ist er auch noch Krimi-Autor. Was ist sein Geheimnis? Von Jonas-Erik Schmidt,

14.05.2024

Von dpa

Waldi Lehnertz‘ Trödel-Imperium in der Eifel, ein früherer Ponyhof, gleicht einer verschlungenen Großhöhle. „Sammlungen sind erst dann richtig gut, wenn es ins Extreme geht“, sagt er. Foto: Oliver Berg/dpa

Waldi Lehnertz‘ Trödel-Imperium in der Eifel, ein früherer Ponyhof, gleicht einer verschlungenen Großhöhle. „Sammlungen sind erst dann richtig gut, wenn es ins Extreme geht“, sagt er. Foto: Oliver Berg/dpa

Kall. Wenn eine Kundin seinen Laden betritt, dann beginnt der Waldi mit seinem Zeremoniell. „Engelchen“, sagt er säuselnd und hat dabei schon einen Schein in der Hand. Darauf gedruckt: Sein Gesicht und der Betrag 80 Euro. Für den ist er bekannt, aber dazu später mehr. Waldi erklärt der Frau erst einmal, was damit zu tun ist: „Sollte dein Alter dir mal so richtig auf den Sack gehen, dann steht da meine Telefonnummer drauf. Dann rufst du mich an“. Auf der Gegenseite wird gekichert. Dann wird noch ein Foto gemacht, Wange an Wange. Waldi ist zufrieden.

Wenn man Walter Lehnertz, genannt „Waldi“, in seinem Laden in der Eifel besucht, weiß man manchmal nicht, wo man gelandet ist. Bei einem Antiquitätenhändler? Oder bei einem Komiker? Bei einem Fernsehpromi, bekannt aus der ZDF-Sendung „Bares für Rares“? Oder, ganz neu hinzugekommen, bei einem Krimiautor?

Denn Waldi hat einen Krimi verfasst, das ist der Anlass für diesen Besuch. Er trägt den Titel „Mord im Antiquitätenladen“ und handelt vom Antiquitätenhändler Siggi in der Eifel, der plötzlich eine Leiche in seinem Geschäft entdeckt. Entstanden ist das Buch, das sich – um das Wort aufzugreifen – fluffig liest, mit einer Co-Autorin, die Waldis Ideen verarbeitete. Vieles darin basiere auf Geschichten aus seinem Laden, sagt er – also abgesehen von dem Mord. „Der ‚Siggi‘ im Buch – das bin natürlich ich. Das ist klar.“

Für ihn ist der Krimi eine große Sache, auch weil er selbst keine Bücher liest. „Ich habe nur gezwungenermaßen meine Schulbücher gelesen. Deswegen ist das ja so ein Ding für mich.“

Um zu verstehen, wie aus einem gelernten Pferdewirt aus der Eifel die Vorlage für eine Krimifigur werden konnte, muss man vorn anfangen. Geboren wurde Lehnertz 1967 in Prüm. Früher hat er „Bau gemacht“. Dann aber kamen mehrere Bandscheibenvorfälle. Ein Freund sagte zu ihm: „Waldi, du musst dir etwas einfallen lassen, sonst gehst du in fünf Jahren keinen Meter mehr.“ Also fing er als Händler an, klein auf dem Flohmarkt. Privat war er Sammler historischer Spieluhren, da gab es also schon ein bisschen Expertise.

Heute betreibt Lehnertz eine Art Antiquitäten- und Trödelimperium in der Eifel. Sein Laden „Waldi‘s Eifel Antik“, ein früherer Ponyhof, gleicht einer verschlungenen Großhöhle. Es gibt einen Weg rein, aber viele Wege, sich zu verlaufen. Was man dabei zu sehen bekommt, erinnert ein wenig an das Geschäft von Frau Waas auf Lummerland („Körbe, Hüte, Lampen, Bürsten, Blumenkohl und Fensterglas, Lederhosen, Kuckucksuhren und noch dies und dann noch das“), abzüglich der Lebensmittel – ein beeindruckendes Sammelsurium. „Sammlungen sind erst dann richtig gut, wenn es ins Extreme geht“, sagt er. Unter anderem hat er mal eine Kuli-Sammlung mit 16 000 Stiften aufgekauft. „Die war geil.“

Fündig werden sollen in seinem Laden alle, egal wie groß das Portemonnaie ist. Ein Herz für Omis hat Lehnertz sowieso. „Die dürfen hier alles“, sagt er. „Die sind früher noch mit den Steinen rumgelaufen und heute gibt es kein Geld mehr für die. Das ist traurig.“ In diesem Zusammenhang erwähnt er dann auch seinen Oberschenkel, den er „den härtesten Schenkel der Eifel“ nennt. „Wenn hier so ein Bus ankommt, dann suche ich mir immer die älteste Dame heraus und dann machen wir ein Foto. Dann setze ich die auf meinen Schenkel und sag: ,Boah Mutter fühlst du dich noch geil an‘. Dann rasten die völlig aus.“ Damit könne man „etwas zurückgeben von dem, was diese Leute früher für uns getan haben“.

Viele Leute kommen natürlich, weil Lehnertz mit der populären ZDF-Sendung „Bares für Rares“ bekannt wurde. In der Trödel-Show buhlt er mit anderen Händlern um die besten Fundstücke. Er füllt dort die Rolle des etwas skurrilen Typen aus, der aber auch mal sogenannten Tacheles redet. Das, was man kultig nennt, wurde er aber, weil er oft mit einem Gebot von 80 Euro in die Verhandlung einsteigt. In seinem Dialekt: „Achtzisch Euro.“ Mittlerweile nennt er sich selbst daher „80-Euro-Waldi“. Das steht sogar als Künstlername in seinem Personalausweis, wie er erzählt.

Und genau deshalb drückt er Leuten, die in den Laden kommen, erst einmal seinen 80-Euro-Spielgeldschein in die Hand, der jetzt seine Visitenkarte ist. Das Geheimnis eines guten Händlers? Das sei einfach: Man müsse sich um die Leute kümmern. „Wer hier als Fremder reinkommt, geht als Freund. Deswegen ist das hier so eine Pilgerstätte“, sagt er. „Das ist anders als in einem Möbelhaus. Da kommen drei Affen mit einem Schlips um den Hals und versuchen, dir etwas anzudrehen.“

80

Prozent Antiquitäten, 20 Prozent Flohmarkt: So erklärt Waldi Lehnertz den Aufbau seines Ladens. „Ich will, dass hier auch die ärmste Oma mit der kleinsten Rente für fünf Euro noch eine Hutschenreuther-Vase kaufen kann“, erklärt er. „Die gehört genau so dazu wie der Bauunternehmer, der eine Silberschale für 2000 kauft.“

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Erstellt:
14.05.2024, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 33sec
zuletzt aktualisiert: 14.05.2024, 06:00 Uhr

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