Kreis Tübingen · Tiere

Der Niedernauer Wolf war wohl in Gomaringen unterwegs

Der Wolf, der in Bad Niedernau in eine Fotofalle tappte, ist vermutlich in Gomaringen gesichtet worden – und wohl wieder über alle Berge.

10.04.2020

Von Martin Zimmermann

Wolfsbesuch in Gomaringen? Der Spaziergänger, der am Waldrand ein Tier sichtete, ist sich sicher – und für den Wildtierbeauftragten Johannes Scheit eine glaubwürdige Quelle. Das Bild wurde aber nicht in Gomaringen aufgenommen. Symbolbild: jimcumming88 - stock.adobe.com

Wolfsbesuch in Gomaringen? Der Spaziergänger, der am Waldrand ein Tier sichtete, ist sich sicher – und für den Wildtierbeauftragten Johannes Scheit eine glaubwürdige Quelle. Das Bild wurde aber nicht in Gomaringen aufgenommen. Symbolbild: jimcumming88 - stock.adobe.com

Bereits im März sichtete ein Spaziergänger außerhalb von Gomaringen an der Kreisgrenze Richtung Ohmenhausen am Waldrand einen Wolf. Das bestätigte nun Johannes Scheit, Wildtierbeauftragter im Kreis Tübingen, dem TAGBLATT. Der 32-jährige Starzacher Förster ist dafür zuständig, zu überprüfen, ob tatsächlich ein Wolf gesichtet wurde.

Eine einfache Sichtung eines Wolfes ist dabei eigentlich nur ein C3-Nachweis, das heißt „nicht bestätigter Hinweis“. Scheit, der seit Anfang des Jahres Wildtierbeauftragter ist, bekam viele Hinweise und Fotos nach der bestätigten Wolfssichtung in Bad Niedernau. „In den meisten Fällen war auf den Fotos eindeutig ein Fuchs zu sehen“, sagt Scheit. In Gomaringen war das anders. Denn bei dem Spaziergänger handelt es sich um einen Mann, dessen Tochter tschechoslowakische Wolfshunde züchtet, also ausgerechnet jene Hunderasse, die einem Wolf im Aussehen am Meisten ähnelt und am ehesten mit ihm zu Verwechseln ist.

„Wenn jemand mit einer solchen Erfahrung sich sicher ist, einen Wolf gesehen zu haben, glaube ich das – vor allem mit der Vorgeschichte in Bad Niedernau“, sagt Scheit. Zudem habe man am 9. März in Villingen-Schwenningen eine Losung – also Kot – gefunden, der sich nach einem DNA-Abgleich als Wolfskot herausgestellt habe. „Wenn man weiß, dass ein Wolf in einer Nacht 60 bis 70 Kilometer wandern kann, dann ist das schon möglich“, sagt Scheit.

Allerdings habe man anhand der DNA keinen individuellen Wolf nachweisen können. Dass es sich beim jetzt in Gomaringen und zuvor in Bad Niedernau gesehenen Wolf um „GW852m“ handelt, der aus Niedersachsen zugewandert ist und seit 2017 immer wieder im Nordschwarzwald um Baiersbronn und Bad Wildbad in Fotofallen tappte und durch Nutztierrisse auffiel, handelt, hält Scheit für Spekulation. „Auf dem Video in Bad Niedernau sieht man ein Verhalten, das darauf hindeutet, dass der Wolf bereits schlechte Erfahrungen mit Weidezäunen gemacht hat“, sagt Scheit. Der Wolf sei um den Zaun herumgeschlichen, habe an verschiedenen Stellen nach einer Schwachstelle im Zaun gesucht und sei letztlich wieder abgezogen.

Wolf in Bad Niedernau gesichtet
00:39 min
Die Wildkamera von Sonja und Armin Saile fing im Februar 2020 diesen jungen Wolf ein.
Video: Hans-Jörg Schweizer mit Material von Sonja und Armin Saile
Die Schafe in Bad Niedernau waren umzäunt mit einem speziellen wolfssicheren Zaun, wie er aus Landesmitteln bezuschusst wird. „Bei jungen Wölfen ist es entscheidend, wie man sie erzieht. Wenn ein Wolf mit der Jagd auf Nutztiere positive Erfahrungen gemacht hat, dann kann es sein, dass er sich darauf spezialisiert. Wenn er mit Herdenschutzhunden und elektrischen Zäunen schlechte Erfahrungen macht, dann bleibt er bei seiner ursprünglichen Beute – das sind bei uns vor allem Rehe“, sagt Scheit. Wölfe, die regelmäßig Nutztiere reißen, dürfen nach vorheriger behördlicher Ausnahmegenehmigung geschossen werden. Bisher gebe es in Baden-Württemberg keine Wolfsrudel, sondern nur „umherziehende Jungwölfe“.

„Ein Rudel besteht aus einer Mutter und ihren Kindern. Wenn die Wölfe etwa ein Jahr alt sind, werden sie aus dem Rudel verstoßen und unternehmen teilweise lange Fernwanderungen“, erzählt Scheit. Dies gelte sowohl für Fähen als auch für Rüden. Interessant sei, wann sich in Baden-Württemberg das erste Rudel bilde und Welpen aufziehe. Die hier bisher individuell nachgewiesenen Wölfe sind entweder aus der alpinen Population oder aus Niedersachsen zugewandert. „Wir haben im Kreis Tübingen relativ hohe Wildbestände. Was das Territorium angeht, ist der Wolf anpassungsfähig und sowohl im Wald als auch im offenen Land anzutreffen“, sagt Scheit.

Der Wolf vor der Kamera in Bad Niedernau. Archivbild: Sonja und Armin Saile

Der Wolf vor der Kamera in Bad Niedernau. Archivbild: Sonja und Armin Saile

Allerdings bevorzuge der Wolf tendenziell dünner besiedelte Gegenden mit wenig Straßen. Denn die häufigste Todesursache bei Wölfen – vor illegalen Erschießungen – sind Unfälle mit Autos. Von einem Haushund lasse sich ein Wolf vor allem durch die Rute, den Schwanz unterscheiden. „Hunde tragen ihre Rute nach oben, Wölfe eher säbelartig nach unten und wenn sie rennen, dann vielleicht mal waagrecht“, so Scheit. Ein Wolf sei auch „mindestens so groß wie ein großer Schäferhund.“ Besonders scheu sind Wölfe nicht, sagt Scheit. Aber für Menschen auch nicht gefährlich: „Es gibt in Deutschland keinen einzigen Fall, bei dem ein Wolf einen Menschen angefallen hat. Da wir die Tollwut hierzulande fast ausgerottet haben, ist das auch nicht zu erwarten.“

Anders verhält es sich mit Hunden. Denn gegen einen Wolf hat ein Haushund – auch ein Jagdhund – keine Chance“, erzählt Scheit. In Niedersachsen laufe derzeit ein Gerichtsverfahren gegen einen Jäger, der einen der geschützten Wölfe erschossen habe, um seinen Hund zu retten. „Den Ausgang dieses Verfahrens beobachten die Jäger auch hierzulande mit großem Interesse. Denn eines ist auch klar: Kaum ein Jäger würde tatenlos zusehen, wenn ein Wolf seinen treuen Hund zerfleischt.“

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Erstellt:
10.04.2020, 21:47 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 17sec
zuletzt aktualisiert: 10.04.2020, 21:47 Uhr

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