Tübingen

Weihnachtsspendenaktion: Die eigene Familie erkennen

Das TAGBLATT sammelt in diesem Jahr für Kinder im Intensiv-Delir und für ein Umverteilungsprojekt im Krisenwinter.

25.11.2022

Von Lisa Maria Sporrer

Die Heilerziehungspflegerin Susy Hinderberger kümmert sich in der Tübinger Kinderklinik um kleine Patienten mit Intensiv-Delir. Bild: Thomas Hassel

Die Heilerziehungspflegerin Susy Hinderberger kümmert sich in der Tübinger Kinderklinik um kleine Patienten mit Intensiv-Delir. Bild: Thomas Hassel

Die Initiative entstand sozusagen aus der Wut heraus. Hagar Steiff war wütend. „Die Berichte über den anstehenden Krisenwinter – dass alles so schlimm wird, die haben mich geärgert“, sagt die Fachtierärztin aus Kilchberg. Weil das eben nicht auf alle gleichermaßen zutreffe. Und noch eins machte sie wütend: die ständige Nörgelei an der Politik, an Versäumnissen. „Das muss man erstmal selber besser machen“ – also wollte sie in die Hand nehmen, was sie politisch nicht richtig gelöst sah.

„Soziale Gerechtigkeit durch Bürgerinnen und Bürger“, heißt die Aktion, die Hagar Steiff zusammen mit der Kilchberger Ortsvorsteherin Bettina Koschtjan auf die Beine gestellt hat. Die Idee dahinter: Diejenigen, die mehr haben, geben denen etwas ab, die nicht so viel haben. „Das war schon bei der Corona-Unterstützung so, und das ist jetzt auch bei der Energiepreispauschale so: Ich bin ehrlich, ich bin nicht angewiesen auf die staatliche Förderung“, sagt Steiff. Viele andere aber umso mehr. Nur: Wie kann das Geld auch sinnvoll bei denen ankommen, die es wirklich benötigen?

Um das Rad nicht neu zu erfinden, suchten die beiden Initiatorinnen bestehende Strukturen: die Tübinger Tafel. Im Tafelladen dürfen nur Menschen mit einer Kreisbonuscard einkaufen. So geht das Geld in Form von Lebensmitteln an diejenigen, die es im Tübinger Landkreis wirklich nötig haben. Dazu kommt: Nicht nur bundesweit, auch in Tübingen verschärft sich die Lage der Tafel; durch Armut, Inflation, Energiekrise und Krieg sind immer mehr Menschen auf Angebote der Tafel angewiesen.

Win-win-Situation

Die Tafel versteht sich als Lebensmittelretter und kauft selbst keine Waren ein. Das wollen mit den Spendengeldern Hagar Steiff und Bettina Koschtjan machen. Beziehungsweise: Sie haben schon damit begonnen. „Es ist eine Win-win-Situation“, sagt Koschtjan. Denn eingekauft wird nicht in Discountern, sondern bei regionalen Betrieben, die ebenfalls unter der Krise leiden. Sie haben sich schon ein richtiges Netzwerk unter den regionalen Läden im Landkreis aufgebaut, sagen die beiden. Von der Tübinger Tafel bekommen sie Bedarfslisten, besonders Frischeprodukte sind gefragt.

Vier Mal haben sie schon für die Tübinger Tafel eingekauft. Von privaten Spenden. Aber das reicht lange noch nicht aus. Mit rund 2000 Euro pro Einkauf rechnen sie momentan. Immerhin versorgt die Tafel rund 600 Haushalte, sagt Koschtjan: „Die Tafel bedient in etwa ein Dorf so groß wie Kilchberg.“ Vielleicht, so die Hoffnung der Initiatorinnen, lasse sich die momentane Krise durch diese Solidarität besser meistern. Und vielleicht, hoffen sie weiter, kann dieses Projekt auch eine Art Schneeballeffekt bewirken, und andere Gemeinden ahmen es nach. Das Projekt „Tafel“ ist das zweite Projekt der diesjährigen Weihnachtsspendenaktion.

TAGBLATT-Verlegerin Elisabeth Frate liegen Projekte zugunsten von Kindern immer sehr am Herzen. Da setzt das erste Projekt der TAGBLATT-Spendenaktion an, in der Tübinger Kinderklinik, bei einem Thema, das bisher überwiegend bei älteren Menschen thematisiert wird: dem Intensiv-Delir.

Aber auch bei Kindern und Jugendlichen, die aufgrund einer schweren Erkrankung, nach einer Operation oder nach einem Unfall auf einer Kinderintensivstation behandelt werden müssen, treten im Verlauf der Behandlung akute Verwirrungszustände auf, genannt: „Intensiv-Delir“. Und das ist gar nicht so selten: Fast jedes dritte Kind ist betroffen. Die Kinder sind unruhig, haben Halluzinationen, bekommen Angst, weil sie sich nicht mitteilen können oder ihre eigene Familie nicht mehr erkennen.

Neben der medizinischen Behandlung des Delirs sei es enorm wichtig, den Kindern in dieser Situation Sicherheit, Halt und Orientierung zu vermitteln und auch die Eltern entsprechend zu begleiten, sagt Thomas Hassel, Vorsitzender der Tübinger Stiftung „Hilfe für kranke Kinder“.

Einmaliges Modell in Deutschland

„Die Kinderintensivstation kam vor fünf Jahren auf uns zu mit der Idee, Heilerziehungspflegerinnen in der Betreuung von Kindern im Delir einzusetzen“, so Hassel. Im April 2018 hat die Kinderintensivstation der Uniklinik Tübingen deshalb mit finanzieller Unterstützung durch Hilfe für kranke Kinder ein Projekt gestartet und zwei Heilerziehungspflegerinnen-Stellen für die Betreuung von Kindern mit Intensiv-Delir geschaffen. Ein bisher einmaliges Modell in Deutschland.

Das Problem daran ist bisher noch, dass die Leistungen der Heilerziehungspflegerinnen nicht in den Vergütungspauschalen der Krankenkassen abgebildet sind. Dafür ist das Modell auf Spenden angewiesen. Rund 60.000 Euro pro Jahr werden dafür benötigt. Elisabeth Frate hofft, dass nach den außerordentlich erfolgreichen Sammlungen der vergangenen Weihnachtsspendenprojekte auch in diesem Jahr das benötigte Geld zusammenkommt. „Beide Projekte sind sehr sinnvoll“, sagt sie, „ich würde mich freuen, wenn die Leserinnen und Leser das auch so sehen.“

Von heute an können Sie spenden

Weihnachtsspendenaktion: Die eigene Familie erkennen
Spenden können Sie auch in diesem Jahr wieder auf das TAGBLATT-Konto bei der Kreissparkasse Tübingen (IBAN: DE94 6415 0020 0000 1711 11). Bitte vermerken Sie, wenn Sie eine Spendenquittung benötigen, und fügen in diesem Fall Ihre vollständige Adresse hinzu. Bei Beträgen bis 300 Euro akzeptiert das Finanzamt einen Kontoauszug. Wollen Sie ein bestimmtes Projekt unterstützen (Projekt 1 „Kinder im Intensiv-Delir“ oder Projekt 2 „Tafel“), bitten wir ebenfalls um einen entsprechenden Vermerk. Wegen der Datenschutzgrundverordnung werden die Namen der Spenderinnen und Spender in der Zeitung nicht mehr veröffentlicht. Wir speichern Ihre personenbezogenen Daten (Vorname, Nachname, Adresse, Kontodaten, Spendenbetrag) ausschließlich zum Zweck der Durchführung der Spendenaktion und wegen möglicher Nachfragen zu Spendenquittungen (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO) für maximal sechs Monate. Gemäß Art. 13 DSGVO sind wir verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass wir Name, Adresse und Spendenbetrag der Leser und Leserinnen, die eine Spendenbescheinigung wünschen, an die begünstigten Organisationen übermitteln.

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Erstellt:
25.11.2022, 19:55 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 47sec
zuletzt aktualisiert: 25.11.2022, 19:55 Uhr

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