Tübingen · Weihnachtsspendenaktion

Eine enorme Entlastung für die Pflege

Die Intensivpflegerin Alma Kalender hat in ihrem Alltag oft mit Kindern im Intensiv-Delir zu tun. Dabei schätzt sie die Unterstützung durch eine Heilerziehungspflegerin sehr.

09.01.2023

Von Miri Watson

Heilerziehungspflegerin Andrea Koch macht Musik für ein Baby. Bild: Philipp Nährig

Heilerziehungspflegerin Andrea Koch macht Musik für ein Baby. Bild: Philipp Nährig

Es ist leise auf der Kinderintensivstation. Kein andauerndes Piepsen, keine Hektik – so scheint es. Die Kinderpflegerin Alma Kalender geht mit festen ruhigen Schritten durch ihre Station, zeigt auf Betten, in denen unter all den Kabeln kaum Kinder zu erkennen sind.

Elf Kinder werden an diesem Vormittag hier betreut – im Moment haben etwa die Hälfte von ihnen Influenza oder RSV oder eine Mischung aus beiden Erkrankungen. Damit ist die Station eigentlich voll besetzt. „Selbst wenn wir elf Kinder haben und das Personal damit ausgelastet ist: Wenn wir jetzt einen Notfall in der Klinik haben – oder zwei oder drei –, dann nehmen wir die natürlich auch auf“, sagt Kalender. „Bei manchen Kindern geht es, dass eine Person zwei Kinder betreut. Manche Kinder sind pflegeintensiver, da ist es eine Pflegefachkraft pro Kind.“ Heute sind sechs Pflegefachkräfte da; in den vergangenen Wochen waren es aber wegen Krankheitsfällen regelmäßig auch weniger.

Für die Pflegerinnen und Pfleger ist die Personalnot natürlich anstrengend – trotzdem geben sie sich Mühe, ihren Stress nicht auf die Patienten und deren Familien zu übertragen. „Man merkt auf den ersten Blick nicht, ob hier auf der Station gerade viel los ist oder nicht“, sagt Thomas Hassel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Hilfe für kranke Kinder“ der Uni-Kinderklinik. „Das ist beabsichtigt, denn wir wollen die Familien etwas abschirmen von der Hektik.“

Damit das gelingen kann, ist für Kalender und ihre Kolleginnen und Kollegen die Hilfe von Heilerziehungspflegerin Andrea Koch von unschätzbarem Wert. Denn die kann in all den täglich anfallenden Aufgaben der Pflege der Ruhepol für die Kinder sein. Das ist auch deswegen wichtig, weil Ruhe und Zuwendung dabei unterstützen, Deliriumszuständen vorzubeugen, die etwa ein Drittel der Kinder auf der Intensivstation betreffen. „Ich arbeite 100 Prozent und bin seit sieben Jahren hier“, sagt Kalender. „Ich habe zwar keine Zahlen, aber gefühlt ist es so, dass wir das Delirium viel besser im Griff haben, seit wir Unterstützung durch Heilerziehungspflegerinnen haben.“

Delir-Zustände sind bei Kindern bisher weitaus weniger erforscht als bei älteren Menschen. Klar ist aber schon, dass die Gabe von starken Medikamenten ein Risikofaktor ist. „Wir versuchen, von Anfang an, die Sedierung zu sparen“, sagt Kalender. Auch dabei hilft Andrea Koch: Wenn einem Kind etwa ein Beatmungsschlauch gelegt wird, dann wäre es früher mit Schlafmitteln ruhig gestellt worden. Jetzt reicht es oft, wenn Koch dabei ist, dem Kind gut zuredet und ihm die Angst nimmt, damit es den Schlauch akzeptiert. „Es ist gut, wenn jemand da ist, wenn ein Schlauch gelegt werden muss“, sagt Kalender. Wenn sie die Kapazitäten hat, dann macht sie das auch selbst. „Aber wir haben teilweise zwei Patienten in einer Schicht“, so die Kinderintensivpflegerin. „Bei einem Kind kann ich das machen, bei zwei dann aber nicht mehr.“

Aber auch dann, wenn es zum Delirium kommt, erleichtert die Zusammenarbeit mit Heilerziehungspflegerin Koch den Arbeitsalltag der Pflegefachkräfte. Kalender sagt: „Delir bedeutet für uns einen deutlichen Mehraufwand. Die Kinder gefährden sich zum Teil selbst, schmeißen sich durch das Bett oder reißen sich die Schläuche raus.“

Zudem ist ein Deliriumszustand bei einem Kind nicht nur für das Kind selbst nervenaufreibend: „Es ist schon passiert, dass Eltern ihr eigenes Kind nicht wiedererkennen und parallel zum Kind in Tränen ausbrechen“, sagt Kalender. „In so einem Moment kümmert sich Andrea, die Heilerziehungspflegerin, dann um das Kind und ich mich um die Mutter.“

Vieles, was in einem akuten Delirium hilft, können die Pflegefachkräfte in ihrem Berufsalltag nicht unterbringen: den Kindern visuelle und akustische Reize bieten, ihnen dabei helfen, einen Tag-und-Nacht-Rhythmus zu finden, sie zum Spielen anregen. All das kann aber die Heilerziehungspflegerin tun – und dabei unterstützt sie die Therapie der Kinder maßgeblich.

Dem gesamten Team der Kinderintensivstation ist es wichtig, die Kinder möglichst gut durch ihre Zeit im Krankenhaus zu begleiten. „Es geht nicht nur ums Überleben, sondern um das gute Überleben einer so schwierigen Situation“, wie Hassel sagt. Deswegen hat sich das Team gemeinsam mit der Stiftung „Hilfe für kranke Kinder“ vor fünf Jahren dazu entschlossen, die 1,35 Stellen für Heilerziehungspflegerinnen zu schaffen – auch wenn die Krankenkasse diese bislang nicht zahlt. „Hier gehen wir in Vorleistung. Man sieht die Notwendigkeit und schafft die Stellen aus Spenden“, so Hassel. „Im Prinzip wird nur jahrelange Forschung beweisen können, dass es wichtig ist.“

Für Alma Kalender ist es klar, dass es Heilerziehungspflegekräfte auf allen Kinder-Intensivstationen bräuchte: „Das entlastet uns schon enorm. Und das entlastet das Kind, das entlastet die Eltern.“

Eine enorme Entlastung für die Pflege

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Erstellt:
09.01.2023, 18:31 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 42sec
zuletzt aktualisiert: 09.01.2023, 18:31 Uhr

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