Pflanzenschutzmittel

Mögliche Genehmigung: Was wird  aus Glyphosat?

Eigentlich schien das Ende des Pestizids besiegelt. Doch wegen einer neuen Beurteilung könnte die Genehmigung in der EU vielleicht doch verlängert werden.

24.08.2021

Von Dominik Guggemos

Diese Aktivisten forderten bei einer Demonstration vor dem Bundesumweltministerium in Berlin 2018 ein Glyphosat-Verbot.  Foto: Jörg Carstensen/dpa

Diese Aktivisten forderten bei einer Demonstration vor dem Bundesumweltministerium in Berlin 2018 ein Glyphosat-Verbot. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Glyphosat vernichtet sehr effektiv Unkraut. Daher wollen viele Landwirte nicht auf das Pflanzenschutzmittel verzichten. Doch Naturschützer sagen, es sei schädlich für Menschen und die Biodiversität. In Deutschland darf es schon jetzt nicht mehr von Privatpersonen benutzt werden, von 2024 an soll auch für die Landwirtschaft Schluss sein. Eine neue Einschätzung auf EU-Ebene könnte der Bundesregierung allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. Ein Überblick.

Ist Glyphosat krebserregend? Die EU-Kommission hat die zuständigen nationalen Fachbehörden in Frankreich, Ungarn, Schweden und den Niederlanden damit beauftragt, dieser Frage nachzugehen und die Sicherheit von Glyphosat zu analysieren. Deren kürzlich veröffentlichte Einschätzung, die auf der Auswertung vorhandener Studienergebnisse beruht, ist eindeutig: Glyphosat sei nicht krebserregend, es schädige nicht das Erbgut und es sei weder für den Hormonhaushalt noch für menschliche Organe gefährlich. Dieses Fazit liegt im Einklang mit der Einschätzung von Prüfbehörden weltweit. Es widerspricht allerdings dem Urteil der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die IARC sagte 2015, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“.

Welchen Einfluss hat Glyphosat auf die Biodiversität? Die Naturschützer vom BUND sehen große Auswirkungen auf die Ackerflora:

„Weniger Wildpflanzen auf und neben den Ackerflächen bieten weniger Lebensraum für weniger Insekten.“ Diese Einschätzung teilt das Umweltministerium: Glyphosat zerstöre „die Nahrungs- und Lebensgrundlage für viele Insektenarten wie Schmetterlinge und mittelbar auch für Feldvögel wie die Feldlerche“.

Wie lange darf Glyphosat in Deutschland noch verwendet werden? Der aktuelle Genehmigungszeitraum innerhalb der EU läuft zum Jahresende 2022 aus. Es folgt eine einjährige Übergangsfrist, am 1. Januar 2024 wäre also Schluss mit einem Einsatz von Glyphosat. Geht es nach der Bundesregierung, bleibt es bei diesem Datum. Sowohl das SPD-geführte Umweltministerium, als auch das CDU-geführte Landwirtschaftsministerium wollen den Genehmigungszeitraum nicht verlängern und gehen davon aus, dass es dafür auch keine Mehrheit in Brüssel geben wird.

Grafik: Peters, Quelle: Statista

Grafik: Peters, Quelle: Statista

Inwiefern die neueste Einschätzung zur Gesundheitsgefährdung daran etwas ändern könnte, ist unklar. Anfang September sollen die Beratungen auf EU-Ebene beginnen, mit einem Ergebnis wird dann im Herbst 2022 gerechnet. Bei der letzten Verlängerung der Zulassung auf EU-Ebene im November 2017 wollte sich die Bundesregierung eigentlich enthalten – die SPD war dagegen, die Union dafür. Der damalige CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt stimmte aber in Eigenregie mit Ja und sagte im Anschluss lapidar: „So isser, der Schmidt.“

Wo darf Glyphosat noch eingesetzt werden? In Gärten und Kleingärten, sowie auf Flächen, die von der Allgemeinheit benutzt werden – wie Parks, Schulen und Sportplätzen – darf das Pflanzenschutzmittel nicht mehr eingesetzt werden. Das haben Bundestag und Bundesrat vor der Sommerpause beschlossen. Auf Äckern und landwirtschaftlich genutzten Flächen ist der Einsatz eingeschränkt möglich, sofern andere Maßnahmen zum Pflanzenschutz „nicht geeignet oder zumutbar“ sind. Auch damit wäre dann 2024 Schluss. Ein komplettes Verbot vor dem Auslaufen der EU-Zulassung ist rechtlich nicht möglich.

Warum wollen Landwirte das Pestizid so gerne weiterhin benutzen dürfen? „Sichere und qualitativ hochwertige Ernten sind ohne biologische und chemische Pflanzenschutzmittel kaum möglich“, sagt der Deutsche Bauernverband (DBV). Das Alleinstellungsmerkmal von Glyphosat sei das breite Wirkungsspektrum bei ein- und mehrjährigen Pflanzen sowie die Verhinderung von Resistenzen. Laut DBV wurde 2017 auf 37 Prozent der deutschen Ackerflächen Glyphosat eingesetzt.

Was gibt es für Alternativen zu Glyphosat? Ohne andere Pestizide, die kombiniert werden müssten, um die Wirkung von Glyphosat zu erreichen, können Landwirte zur Unkrautvernichtung auch den Pflug einsetzen. Die Wirkung ist kurzfristig vergleichbar, hält aber nicht so lange an. Und auch der Pflug hat seinen ökologischen Preis, nämlich Auswirkungen auf die Bodenstruktur, die Lebewesen im Boden und die Artenvielfalt auf dem Acker, argumentiert der DBV.

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Erstellt:
24.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 52sec
zuletzt aktualisiert: 24.08.2021, 06:00 Uhr

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