Soziales

Warten auf  die Grundrente

Im Juli beginnt die Auszahlung. Viele dürften enttäuscht sein, weil sie leer ausgehen oder nur wenig bekommen. Und die letzten werden erst Ende 2022 das Geld auf dem Konto haben.

30.06.2021

Von Katja Peters

Frauen, die in Teilzeit arbeiten, gehören zu den Gewinnerinnen der Grundrente. Foto: Antonio Gravante/Imago

Frauen, die in Teilzeit arbeiten, gehören zu den Gewinnerinnen der Grundrente. Foto: Antonio Gravante/Imago

Im Juli ist es endlich soweit: Die Rentenversicherer verschicken die ersten Bescheide über die Grundrente, und die ersten Senioren mit wenig Rente erhalten zusätzliches Geld. „Ein kompliziertes und komplexes Gesetz ist bereit zur Umsetzung“, erklärt Christoph Schnell von der Deutschen Rentenversicherung Bund, warum es so lange gedauert hat. Denn eigentlich wurde die neue Leistung schon Anfang dieses Jahres eingeführt. Doch die Programmierarbeiten haben ebenso viel Zeit benötigt wie die Verknüpfung mit den Finanzämtern. Ob die Programme laufen, zeigt sich in den nächsten Tagen bei den ersten Datenabfragen. Es dauert bis Ende 2022, bis schätzungsweise 1,3 Millionen Senioren, die lange gearbeitet, aber trotzdem wenig Rente haben, die zusätzliche Leistung bekommen.

Wer kommt zuerst zum Zuge? Neue Rentner, weil bei ihnen im Rahmen des normalen Rentenbescheids geprüft werden kann, ob sie einen Anspruch haben. Dann folgen zunächst alle Bezieher von Fürsorgeleistungen wie Grundsicherung sowie diejenigen, die seit 1991 oder noch früher Rente erhalten, also besonders Alte. Jüngere kommen meist erst 2022 dran. In jedem Fall gibt es aber eine Nachzahlung rückwirkend zum Januar 2021.

Wer hat Anspruch auf Grundrente? Sie ist keine eigenständige Leistung, sondern ein Zuschlag zur Rente. Ihn erhalten nicht nur neue Rentner, sondern auch solche, die bereits Rente beziehen. Dazu gehört auch, wer eine Rente wegen Erwerbsminderung und als Witwe oder Witwer bekommt. Voraussetzung sind in jedem Fall 33 Beitragsjahre; ab 35 Jahren gibt es die Grundrente in voller Höhe. Dabei zählen unter anderem Zeiten von Arbeitslosigkeit, Schulausbildung und freiwillige Beiträge nicht mit.

Wie hoch ist die Grundrente? Die Berechnung ist kompliziert. Grundrente gibt es nur für Zeiten im Arbeitsleben, in denen das Einkommen zwischen 30 und 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes betrug. Aktuell entspricht das zwischen 1039 und 2770 Euro brutto im Monat. Wer weniger verdiente, geht leer aus, auch Minijobber. Innerhalb dieser Grenzen gibt es einen Zuschlag von 87,5 Prozent zur Rente. Grundrente und Rente zusammen dürfen 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes nicht überschreiten. Der Zuschlag wird nur für 35 Beitragsjahre gezahlt.

Wer profitiert am meisten? Frauen, weil sie häufig in Teilzeit gearbeitet haben, sowie Ostdeutsche, die unterdurchschnittliche Einkommen hatten. Allerdings dürften viele über die Höhe enttäuscht sein. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) führt gerne Beispiele von mehreren hundert Euro im Monat an. Maximal sind 418 Euro möglich. Aber so viel gibt es selten. Im Schnitt rechnet sein Ministerium mit 75 Euro, und häufig dürfte es weniger sein. Wie bei anderen Renten werden noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen.

Wird anderes Einkommen angerechnet? Ja. Die volle Grundrente erhalten nur Alleinstehende mit maximal 1250 (Ehepaare 1950) Euro Monatseinkommen. Oberhalb dieses Freibetrags werden 60 Prozent des Einkommens angerechnet, ab 1600 (2300) Euro wird es voll berücksichtigt. Dabei zählen nicht nur Rente und Gehalt, sondern auch etwa Betriebsrenten und Mieteinkünfte. Die genauen Beträge übermittelt das Finanzamt automatisch für das vorvergangene Jahr an den Rentenversicherer. Kapitalerträge oberhalb des Sparerfreibetrags müssen die Rentner selbst melden, weil sie dem Finanzamt nicht vorliegen. Diese Einkommensprüfung, die jedes Jahr durchgeführt wird, ist für die Rentenversicherer neu. Daher hat es einige Zeit gedauert, den automatischen Datenabgleich aufzubauen. Im Prinzip werden auch Grundsicherung und Wohngeld berücksichtigt. Damit dieser Anspruch aber nicht wirkungslos bleibt, gibt es einen Freibetrag je nach Einkommen zwischen 100 und 216 Euro. Vermögen einschließlich Immobilien wird nicht berücksichtigt. Noch komplizierter wird es, wenn die Rentner im Ausland wohnen.

Was müssen Paare beachten? Leben sie ohne Trauschein zusammen, wird das Einkommen einzeln betrachtet. Ist es bei einem Partner sehr hoch, kann der andere trotzdem Grundrente erhalten. Heiraten die beiden, fällt der Zuschlag weg.

Gibt es Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland? Das Grundprinzip ist gleich. Noch ist der Grundrentenzuschlag im Osten etwas niedriger. Doch mit der Rentenangleichung gibt es ab 2025 keine Unterschiede mehr.

Muss ich die Grundrente beantragen? Nein, die Rentenversicherer werden von sich aus aktiv und prüfen bei allen Rentnern, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu brauchen sie bis Ende 2022, weil sie alle 26 Millionen Renten überprüfen müssen. Stirbt der Berechtigte, bevor dies geschehen ist, bekommen die Witwe oder der Witwer die Nachzahlung.

Wo gibt es Auskünfte? Beim Servicetelefon der Deutschen Rentenversicherung von Montag bis Freitag von 7:30 bis 19:30 Uhr (freitags bis 15:30 Uhr) unter 0800 1000 4800. Sie bietet im Internet auch eine Broschüre.

Warten auf  die Grundrente

Zum Artikel

Erstellt:
30.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 30.06.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Wirtschaft: Macher, Moneten, Mittelstand
Branchen, Business und Personen: Sie interessieren sich für Themen aus der regionalen Wirtschaft? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Macher, Moneten, Mittelstand!