Pandemie

Steinmeier vertraut auf Astrazeneca

Ab Mittwoch steigen bundesweit 35?000 Arztpraxen in die Impfungen ein. Sie bekommen anfangs aber weniger Dosen als bestellt. Für Unternehmen gibt es zusätzliche Hilfe.

03.04.2021

Von DIETER KELLER

Bundes- präsident Frank-Walter Steinmeier wird im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin geimpft. Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung/dpa

Bundes- präsident Frank-Walter Steinmeier wird im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin geimpft. Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung/dpa

Berlin. „Ich vertraue den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, als er im Bundeswehr-Krankenhaus in Berlin die erste Impfung mit dem Vakzin von Astrazeneca erhielt. „Das Impfen ist der entscheidende Schritt auf dem Weg aus der Pandemie. Nutzen Sie die Möglichkeiten“, appellierte Steinmeier an die Bürger.

Der 65-Jährige hatte immer betont, sich erst impfen zu lassen, wenn er nach der Priorisierung an der Reihe sei. Dies trat nun ein, weil Bund und Länder der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gefolgt waren, das Präparat von Astrazeneca in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren einzusetzen. Daraufhin hatte das Land Berlin Impfungen für alle in dieser Altersgruppe freigegeben und damit auch für Steinmeier. Das Angebot, sich in Berlin über Ostern kurzfristig in einem Impfzentrum Astrazeneca spritzen zu lassen, stieß auf großes Interesse: Die Buchungs-Hotline war ständig besetzt.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich als erster Spitzenpolitiker mit Astrazeneca impfen lassen. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) ist inzwischen geimpft. Dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dies erst einmal abgelehnt hatte, war offenbar eher eine Trotzreaktion: „Ich lasse mich nicht bevormunden“, soll der Bayer auf die Aufforderung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gesagt haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich im Fernsehinterview bei Anne Will noch unentschlossen gezeigt.

Was soll jetzt mit dem Astrazeneca-Impfstoff passieren? Die Stiko hatte am Dienstag empfohlen, Astrazeneca nur noch Über-60-Jährigen zu verabreichen, nachdem 31 Verdachtsfälle einer Hirnvenenthrombose gemeldet worden waren. In neun Fällen verlief sie tödlich. Bundeskanzlerin Merkel hatte bereits am Freitag zuvor von den Problemen erfahren, bestätigte eine Regierungssprecherin. Sie habe aber erst die Expertise des Ethikrats und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hinzuziehen wollen.

Allein über das Osterwochenende sollen 1,7 Millionen Dosen Astrazenica geliefert werden. Im gesamten zweiten Quartal rechnet Spahn mit etwa 15 Millionen Dosen. Sie sollten schnellstmöglich verimpft werden. Es gebe mindestens 24 Millionen Menschen über 60 in Deutschland. Ausreichend viele nähmen das Angebot gerne an. „Denn der Schutz ist gut.“ Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hätte als 58-Jähriger keine Bedenken, sich mit Astrazeneca impfen zu lassen. „Die Nebenwirkungen sind selten.“ Er verwies darauf, dass auf den Beipackzetteln etwa bestimmter Rheumamedikamente oder von Anti-Baby-Pillen „in deutlich höheren Größenordnungen gleich schwere Risiken“ genannt würden.

Auch in Großbritannien wurden rund 30 Fälle von seltenen Blutgerinnseln gemeldet. Angesichts von mehr als 18 Millionen Impfungen mit Astrazeneca hält die britische Arzneimittelbehörde MHRA das Risiko aber für „sehr klein“.

Womit sollen die Hausärzte impfen? Ab Mittwoch sollen zunächst 35 000 Hausärzte die bundesweit 430 Impfzentren ergänzen. In den ersten beiden Wochen erhalten sie den Biontec-Impfstoff, der über die Großhändler und die Apotheken ausgeliefert wird, weil nur davon ausreichende Mengen zur Verfügung stehen. Er muss zwar bei unter minus 75 Grad transportiert werden, hält aber in den Arztpraxen bis zu fünf Tage bei Kühlschranktemperatur. Ziel ist, die Dosen innerhalb einer Woche zu verimpfen. Da zunächst im Schnitt nur 20 pro Praxis zur Verfügung stehen, sollte das zu schaffen sein. Für die erste Woche haben die Ärzte 1,4 Millionen Dosen bestellt. Wegen der knappen Mengen bekommen sie aber nur 940 000. Schon ab Ende April stünden mehr als 3 Millionen Dosen pro Woche für die Praxen zur Verfügung, stellte Spahn in Aussicht. So viel sei „relativ problemlos“ zu verimpfen, so Gassen, zumal auch die Fachärzte aktiv werden wollen.

Die Terminvergabe sollen die Ärzte regeln. Ab der Woche vom 19. April soll neben Biontech auch Astrazeneca an die Praxen gehen, später zudem Johnson & Johnson. Die Priorisierung in der Impfverordnung gilt auch für die Arztpraxen. Doch letztlich entscheiden die Mediziner, bei wem sie die Impfung für vorrangig halten.

Was machen Unter-60-Jährige, die nach der Impfung mit Astrazeneca auf ihre Zweitimpfung warten? Die Stiko empfiehlt, dafür auf ein anderes Präparat umzusteigen. Zwölf Wochen nach der Erstimpfung solle eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs verabreicht werden, heißt es in einer Beschlussempfehlung der Stiko. Damit kämen derzeit die Präparate von Biontec und Moderna in Frage. Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts haben bisher 2,85 Millionen Personen eine Erstimpfung mit dem Astrazeneca-Vakazin erhalten, darunter allerdings auch Über-60-Jährige. Ein zweites Mal wurden erst knapp 2000 Menschen mit dem Präparat geimpft.

Viele Unternehmen, die hart vom Lockdown getroffen sind, kämpfen ums Überleben. Bekommen sie endlich mehr Hilfe? Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) haben sich auf zwei Maßnahmen geeinigt. Zum einen können sie einen Eigenkapitalzuschuss von mindestens 25 Prozent erhalten, wenn sie mehr als zwei Monate lang einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent und mehr erlitten haben. Zum anderen wird die Überbrückungshilfe III aufgestockt: Unternehmen, die einen Umsatzeinbruch von mehr als 70 Prozent erleiden, können bis zu 100 Prozent ihrer Fixkosten bekommen. Bisher waren es maximal 90 Prozent. Zudem erhalten neben Einzelhändlern auch Hersteller und Großhändler Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Saisonware. (mit dpa)

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Erstellt:
03.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 34sec
zuletzt aktualisiert: 03.04.2021, 06:00 Uhr

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