Kommunalwahlen

„Starke Bauchschmerzen“ wegen Wahlrechtsreform-Plänen

Gemeinderat mit 16 Jahren, Bürgermeister per Stichwahl: Warum die Pläne der Landesregierung beim Gemeindetag auf Skepsis stoßen.

07.10.2021

Von ROLAND MUSCHEL

Stimmabgabe mit 16? Bei den Kommunalwahlen sieht Grün-Schwarz mehr Änderungsbedarf als der Gemeindetag Baden-Württemberg. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Stimmabgabe mit 16? Bei den Kommunalwahlen sieht Grün-Schwarz mehr Änderungsbedarf als der Gemeindetag Baden-Württemberg. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Stuttgart. Die beiden Kommunalverbände Gemeindetag und Städtetag haben angesichts der von den Fraktionen von Grünen und CDU beschlossenen Eckpunkte für eine Reform des Kommunalwahlrechts Gesprächs- und teils auch erheblichen Korrekturbedarf angemeldet. Insbesondere der Gemeindetag hat bei zentralen Reformvorhaben Bedenken. „Wir haben ein sehr gutes, etabliertes Wahlrecht – einen grundsätzlichen Veränderungsbedarf sehen wir nicht“, sagte der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger, dieser Zeitung. Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags, zeigt sich zwar aufgeschlossener, fordert aber eine intensive Diskussion der geplanten Änderungen. „Das Wahlrecht ändert man schließlich nicht alle Tage.“

Der Gemeindetag sieht unter anderem die vorgesehene Absenkung des Mindestalters für Gemeinde-, Ortschafts- und Kreisräte von 18 auf 16 Jahre – ein bundesweites Novum - kritisch. Jäger macht hier „grundsätzliche rechtliche Bedenken“ geltend: „Soll jemand, der selbst noch nicht vollständig geschäftsfähig ist, über Haushalte in oft zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe entscheiden oder in vom Gemeinderat zu besetzenden Aufsichtsräten sitzen dürfen? Soll jemand, der strafrechtlich zwingend dem Jugendstrafrecht unterliegt, im Rat alle Rechte haben, die für volljährige Gemeinderäte gelten? Diese Fragen müssen im Gesetzgebungsprozess grundsätzlich erörtert werden.“

Auch beim Modus von Bürgermeisterwahlen sieht Jäger keinen Änderungsbedarf. Grün-Schwarz will dagegen für den Fall, dass im ersten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit der höchsten Stimmenzahl einführen. Bislang kommt es zu einer Neuwahl, bei der neben den Bewerbern des ersten Wahlgangs auch neue Kandidaten antreten dürfen. Aus Sicht des Gemeindetags überwiegen die Vorteile der bisherigen Regelung. „Die Wahlbürger haben dann in manchen Fällen durch mehr als zwei und neu hinzugetretene Bewerber mehr Optionen als bei einer reinen Stichwahl. Das sollten wir beibehalten“, sagt Jäger. „Starke Bauchschmerzen“ bereitet dem Kommunalverband zudem die geplante Einführung einer Nein-Stimme für Bürgermeisterwahlen mit nur einem Kandidaten.

Gründliche Prüfung angemahnt

Beim Städtetag gebe es zur Senkung des Mindestalters für Gemeinderäte noch „keine gefestigte Verbandsmeinung, aber gefühlt keine Opposition“, sagte Heute-Bluhm. Sie sehe einen gewissen Sinn darin, dass man jungen Leute, die sich – etwa in der Fridays-For-Future-Bewegung – stark engagieren, auch ein Angebot zur Mitarbeit in den Kommunalparlamenten mache. Im „Sinne der Alltagslogik“ mache auch die Einführung einer Stichwahl durchaus Sinn, so Heute-Bluhm. Trotzdem sei eine gründliche Prüfung notwendig, bevor man einen etablierten Modus ändere.

Der Städtetag vermisst in den Eckpunkten eine Neujustierung des Auszählungsmodus für Gemeinderatswahlen. Die letzte Reform sei hier „zu forsch“ auf die Stärkung kleiner Gruppierungen ausgerichtet gewesen, nachdem zuvor die großen Parteien bevorzugt worden seien. Nun gelte es, einen guten Mittelweg zu finden.

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Erstellt:
07.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 07.10.2021, 06:00 Uhr

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