Prämiensparen

Schlappe für Sparkassen-Welt

Die Verbraucherzentrale erzielt vor dem Bundesgerichtshof einen wichtigen Etappensieg. Das Urteil hat Signalwirkung für tausende Kunden.

07.10.2021

Von AFP/AMB

Neu-Ulm. Verbraucherschützer haben mit einer Musterklage zu Zinsnachzahlungen für Prämiensparer einen wichtigen Etappensieg errungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte am Mittwoch frühere Urteile, wonach viele alte Prämiensparverträge, vor allem der Sparkassen, unzulässige Klauseln enthalten. Aufgrund dessen können Betroffenen Nachzahlungen zustehen. Für die genaue Berechnung dieser Nachzahlungen entschieden die Richterinnen und Richter, dass dem ein Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen zugrundezulegen ist. Die Anpassungen seien monatlich vorzunehmen. Zudem machten sie Vorgaben, um Negativzinsen auszuschließen.

In dem Verfahren geht es um viele hochverzinste Prämiensparverträge, die in den 1990er und 2000er Jahren zu Hunderttausenden abgeschlossen wurden, häufig von Sparkassen. Betroffene haben bis heute Schwierigkeiten, entgangenes Geld nachträglich ausgezahlt zu bekommen. Die Verbraucherzentralen versuchen, mit mehreren Musterfeststellungsklagen Bewegung in die Sache zu bringen. Die Richter urteilten, dass für die Berechnung der Zinsen bei alten Verträgen ein Referenzzinssatz gerichtlich festgelegt werden müsse. Dabei müsse die Bank den relativen Abstand zum Referenzzinssatz beibehalten und den Zinssatz monatlich anpassen (Az. XI ZR 234/20). Der variable Zins könne damit nie ins Negative rutschen, erklärte Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, wie es manche Institute praktiziert hatten.

Zinsen „nach Gutsherrenart“

Beim Prämiensparen stieg die Prämie, je länger der Vertrag lief. Der Zins dagegen war variabel. Wie der Zinssatz berechnet und geändert werden sollte, wurde in den Verträgen nicht genau beschrieben. Der jeweils aktuelle Satz sollte durch einen Aushang bekanntgegeben werden. So war es der Bank möglich, ihn einseitig anzupassen. Dieses Recht zur Änderung „nach Gutsherrenart“ sei unwirksam, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Ellenberger bei der Urteilsverkündung. Die Regelungslücke müsse geschlossen werden.

Bereits 2004 hatte der BGH entschieden, dass eine solche Klausel unwirksam sei. Für neue Verträge wurde sie geändert. In dem aktuellen Verfahren ging es aber um Verträgen, die großteils in den 1990er Jahren abgeschlossen worden waren. Insgesamt 1300 Menschen hatten sich der Klage angeschlossen.

Nach Angaben der Verbraucherzentrale Sachsen hat die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig die Zinsen jahrelang zum Nachteil der Kundinnen und Kunden berechnet. Im Durchschnitt gehe es um 3100 Euro pro Vertrag. Die Verbraucherzentrale strengte insgesamt sechs Musterfeststellungsklagen an, von denen nun die erste am BGH verhandelt wurde. Die Richter machten deutlich, dass zur Berechnung der Zinsen ein langfristiger Zinssatz angewendet werden müsse. Die Verbraucherschützer hatten laut Nauhauser bei ihren Zinsberechnungen den Zinssatz der Hypotheken-Pfandkredite zugrunde gelegt. Diesen Zins, so Nauhauser, verwendeten die Insitute beispielsweise, wenn sie Vorfälligkeitsentschädigungen berechnen, also den Ausgleich, wenn Kundinnen und Kunden langlaufende Kredite vorzeitig kündigen.

Das Oberlandesgericht Dresden hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass die Zinsklauseln bei den Verträgen der Sparkasse Leipzig unwirksam seien und nicht korrekt berechnete Zinsen nachgezahlt werden müssten. Allerdings legte es nicht fest, wie der Zinssatz berechnet werden solle. Darüber muss es nun noch einmal verhandeln und ein Sachverständigengutachten einholen, entschied der BGH.

Genaue Zahlen zur Zahl der betroffenen Prämiensparverträge gibt es zwar nicht. Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin verpflichtete Banken und Sparkassen aber schon im Juni dazu, ihre Kundinnen und Kunden mit Prämiensparvertrag über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren und eine Nachberechnung zuzusichern oder einen Änderungsvertrag anzubieten. Mehr als 1100 Institute legten dagegen Widerspruch ein und setzen dies im Moment nicht um. afp/amb

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Erstellt:
07.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 39sec
zuletzt aktualisiert: 07.10.2021, 06:00 Uhr

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