Bildung

Ringen um die Schulöffnung

Trotz hoher Infektionszahlen öffnen oder vorsorglich noch warten? Bis zuletzt prallen die Haltungen aufeinander. Entschieden wird am Dienstag.

05.01.2021

Von AXEL HABERMEHL

Regeln zum Verhalten in der Corona-Krise gibt es an Schulen genügend. Doch wer soll wann in die Schule dürfen? Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Regeln zum Verhalten in der Corona-Krise gibt es an Schulen genügend. Doch wer soll wann in die Schule dürfen? Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stuttgart. Für Michael Mittelstaedt lief die Zeit um den Jahreswechsel nicht sehr besinnlich ab. Erst kurz vor Weihnachten von einer Geschäftsreise aus Thailand heimgekehrt, habe er seit Heiligabend nur am Schreibtisch gesessen, berichtet der Vorsitzende des baden-württembergischen Landes-Elternbeirats (LEB). An Silvester habe er sich gerade einmal zwischen 20?und 24 Uhr davon entfernt. Zig Abstimmungen, Mails und Telefonate standen an. Beschäftigt habe ihn vor allem die Frage, die weite Teile der Öffentlichkeit derzeit umtreibt: Wie weiter mit den vor Weihnachten im Zuge des Lockdown bundesweit fast komplett geschlossenen Schulen?

Zwei Ergebnisse seiner Sonderschichten hat Mittelstaedt am Sonntag per Mail verschickt. Das eine war ein offener Brandbrief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), in dem sich die Elternvertreter über Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) beschwerten, ihr vorwarfen „stur am Präsenzunterricht in voller Klassenstärke“ festzuhalten und keine effektiven Maßnahmen zu ergreifen, um trotz Pandemie Unterricht zu ermöglichen.

Kretschmann möge seine „Richtlinienkompetenz wahrnehmen“, fordet der Landeselternbeirat. Der LEB erwarte „ernsthafte Bestrebungen für Unterricht im Wechselmodell“.

Ein Konzept für solch einen Schichtbetrieb in Schulen beinhaltet das zweite Papier, das Mittelstaedt versandte. Darin fordert der Beirat, der keinen Hehl daraus macht, dass die Elternschaft in der Corona-Risikoabwägung tief gespalten ist, in Schulen wieder Abstand einzuhalten. Auch an Schulen finde „ein erhebliches Infektionsgeschehen“ statt.

Kinder sollten daher jeden zweiten Tag Präsenzunterricht in Schulen bekommen und andernorts betreut Übungen und Aufgaben erledigen – in zusätzlichen Räumen, mit zusätzlichem Personal wie Referendaren oder Erziehern. „Kein verantwortungsvoller Entscheidungsträger darf Präsenzunterricht unabhängig vom Infektionsgeschehen anordnen“, wetterten die Elternvertreter.

Damit zielten sie vor allem auf Eisenmann. Die hat sich zuletzt bundesweit zur Wortführerin jener aufgeschwungen, die trotz flächendeckend hoher Infektionszahlen eine schnelle Öffnung im Bildungssektor fordern.

„Auch wenn der Lockdown über den 10. Januar hinaus verlängert wird, sollten Kitas und Grundschulen wieder öffnen für Präsenzunterricht. In diesen Altersklassen ist es unerlässlich, dass Kinder in Kitas gehen und in Schulen lernen“, hatte Eisenmann etwa verlautbart und betont, man müsse in der Frage stärker auf Kinderärzte oder -psychologen hören.

Soziale und pädagogische Langzeitfolgen durch geschlossene Schulen sind nach Eisenmanns Auffassung enorm, Präsenzunterricht insbesondere für kleine Kinder unersetzbar. Zudem habe sich „sehr deutlich gezeigt, dass die Schulen nicht das Problem sind“, urteilte sie. Schulen seien kein „Hort des Infektionsgeschehens“.

Auch Eisenmann hatte zuletzt ein straffes Programm. Sie verantwortet nicht nur die Schulpolitik und die CDU-Linie im Land, sondern koordiniert alle CDU-geführten Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK). In dieser Funktion stimmte sie sich mit Ministern anderer Länder und Parteien ab, auf Arbeitsebene gab es zudem Sitzungen mit dem grünen Koalitionspartner oder dem Landes-Datenschutzbeauftragten.

Am Montagvormittag hat sich die KMK per Video zusammengeschaltet. Ihr knapp fünf Stunden später veröffentlichter Beschluss, der als Empfehlung für die tags darauf angesetzte Konferenz der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Merkel dienen soll – und den Eisenmann offiziell „begrüßt“ –, klingt zurückhaltender als erwartet.

Zwar hätten „die Öffnung von Schulen höchste Bedeutung“ und die Aussetzung des Präsenzbetriebs „negative Folgen für die Bildungsbiographien und die soziale Teilhabe der Kinder und Jugendlichen“, heißt es in dem Beschluss. Doch wegen der hohen Inzidenzen müssten die Beschränkungen unter Umständen fortgeführt werden.

Einigen konnte sich die KMK auf einen dreischrittigen Stufenplan zur Rückkehr in den Präsenzunterricht. Alles Weitere entscheiden an diesem Dienstag die Ministerpräsidenten.

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Erstellt:
05.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 05.01.2021, 06:00 Uhr

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