Stuttgart

Digitaltracker: Party machen, aber sicher

In Stuttgarter Clubs soll bald wieder getanzt werden. Dazu will die Stadt einen Digitaltracker einsetzen, der Bewegungsdaten speichert.

25.06.2021

Von Michael Scheifele

Digitaltracker sollen Corona-Abstände kontrollieren. Foto: Kinexon

Digitaltracker sollen Corona-Abstände kontrollieren. Foto: Kinexon

Ein Partygast tanzt bei lauter Musik ausgelassen im Club. Doch plötzlich vibriert ein Digitaltracker an seinem Armband. Das Gerät gibt das Zeichen: Achtung, der Corona-Abstand zu anderen Discobesuchern genügt nicht. So könnte es schon bald Teilnehmern eines Modellprojekts der Stadt Stuttgart gehen. Die Kommune plant in Kooperation mit der Universität des Saarlandes einen Feldversuch bei Konzerten und Tanzveranstaltungen in der Landeshauptstadt.

„Wir wollen kulturelle Veranstaltungen wieder durchführen, die unter den aktuellen Bedingungen nicht stattfinden können“, sagt Thorsten Lehr bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Der Professor für klinische Pharmazie an der Universität des Saarlands betreut das Projekt und will dabei wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen.

Die Einblicke sollen dabei helfen, besser zu erkennen, wo sich Menschen infizieren, sagt Lehr. Derzeit wisse man das in 75 Prozent der Fälle nicht. Außerdem sollen die Daten dem Gesundheitsamt die Kontaktnachverfolgung erleichtern. Der Vorteil des Digitaltrackers gegenüber der Corona-Warn-App sei seine größere Genauigkeit.

Wer an dem geplanten Modellprojekt teilnimmt, soll zu Beginn einer Veranstaltung einen Tracker in der Größe einer Scheckkarte bekommen. Die Geräte erkennen zu jedem Zeitpunkt die genaue Position ihrer Träger. Ein Echtzeit-Warnsystem meldet sofort potenziell gefährliche Begegnungen.

Sollten nach der Veranstaltung kritische Kontakte festgestellt werden, müssten die betroffenen Personen in Quarantäne. Der Vorteil dabei sei, dass das ausgewählte Personen betreffe und nicht mehr alle, die an der Veranstaltung teilnahmen.

Die Initiatoren sehen in dem Vorhaben eine Chance, die Kulturszene wieder zu beleben. „Bevor die Läden zu bleiben, ist es doch gut, neue Formen auszuprobieren“, sagte Marc Gegenfurtner, der Leiter des Stuttgarter Kulturamts. Die Vertreter der Stuttgarter Veranstaltungsbranche jedenfalls hätten Interesse an dem Modellversuch bekundet.

Stefan Ehehalt, der Leiter des Stuttgarter Gesundheitsamts, schlägt vor, für das Projekt drei Orte in Stuttgart auszuwählen. In den Locations müsse es zum Beispiel wegen der Aerosole möglich sein, dass gut durchlüftet wird.

„Wir probieren es einfach aus“

Die Digitaltracker sollen zunächst drei Monate lang getestet werden. Bei der anonymisierten Auswertung der Veranstaltung könnten nicht nur die Zahl der kritischen Kontakte, sondern auch die Orte, an denen diese stattgefunden hätten, ermittelt werden, hieß es.

Lehr räumt jedoch ein, dass noch nicht klar sei, was am Ende beim Projekt herauskommt. „Wir probieren es einfach Mal aus.“

Die Stadt hat bereits den Segen des Landes für das Modellprojekt erhalten, außerdem ist die finanzielle Unterstützung gesichert. Der Stuttgarter Gemeinderat hat vergangenen Woche knapp eine halbe Million Euro für das Forschungsprojekt bewilligt. Damit können laut Lehr 2000 Tracker angeschafft werden. Bevor das Projekt beginnen kann, müssten allerdings noch der Ethikrat und der Datenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg grünes Licht geben.

„Videobilder darf es dazu nicht geben“: Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

„Videobilder darf es dazu nicht geben“: Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Das Vorhaben ist möglicherweise nicht ganz unproblematisch, sagt Stefan Brink, der Landesbeauftragte für Datenschutz, der SÜDWEST PRESSE. Die Hürden seien jedoch auch „nicht unüberwindbar“.

Bei den Trackern werden im Unterschied zur Corona-Warn-App personenbezogene Daten gespeichert, erklärt Brink. Die Grenze sei dann überschritten, wenn zu den anonymisierten Bewegungsdaten zusätzliche Informationen wie Videobilder dazukämen.

Brink sendet den Initiatoren deshalb einen Fragenkatalog zu. „Wir lassen uns nun erklären, was die rechtliche Grundlage ist.“

Lehr ist überzeugt, dass die Tracker auch in anderen Regionen und bei höheren Inzidenzen eingesetzt werden könnten. Im Hinblick auf die sich derzeit ausbreitende Delta-Variante sagte er: „Wir wissen nicht, was dieses Jahr noch kommt.“

Tracker gibt es auch in anderen Bereichen

Die Technologie der Digitaltracker wird bereits länger in Sicherheitssystemen der Industrie eingesetzt. Sie wird auch im Sport verwendet: Damit wird zum Beispiel angezeigt, wie weit Fußballspieler während eines Spiels gelaufen sind. Außerdem gibt es auch kleine Ortungschips, die man zum Beispiel als Schlüsselanhänger benutzen kann, um dann mit dem Smartphone den Schlüssel zu finden, wenn man ihn mal wieder verlegt hat.

Zum Artikel

Erstellt:
25.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 55sec
zuletzt aktualisiert: 25.06.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!