Rottenburg · Bauen

Schulneubau: Auch künftig noch lüften wie bei Corona

Die Hohenbergschule wird neu gebaut – ohne Lüftungsanlage. Die Stadtverwaltung sagt, das sei billiger und nachhaltiger.

26.04.2021

Von Angelika Bachmann

Was ausreichende Lüftung bedeutet, konnten Schüler und Lehrer diesen Winter erleben. Alle 20 Minuten mussten alle Fenster in den Klassenzimmern für mehrere Minuten geöffnet werden, möglichst bei Durchzug, egal bei welcher Außentemperatur. Wenn es bei den jetzt einstimmig im Rottenburger Gemeinderat gebilligten Plänen bleibt, sieht so auch die Zukunft an der Hohenbergschule aus. Das von den Planern für den 22,2 Millionen Euro teuren Neubau vorgestellte Lüftungskonzept setzt auf Stoßlüften alle 20 Minuten.

Auf eine Lüftungsanlage soll beim Neubau verzichtet werden, entgegen den Empfehlungen des Bundesumweltamtes. Dort rät man dringend, auch unabhängig von Corona neben der Fensterlüftung eine technische Lüftung zu nutzen, um den geforderten Mittelwert für CO2 aber auch andere Anforderungen an das Raumklima zu erreichen (siehe: Info-Box).

Die Planer vom Freiburger Architekturbüro K9 stellten vergangenen Dienstag im Gemeinderat ausführlich dar, wie sie ohne eine Lüftungsanlage die geforderten Werte erreichen wollen. Wichtigster Baustein ist ein „strenges Lüftungsregime“, auch „in kalten und heißen Jahreszeiten“, das mit „Komforteinbußen“ verbunden sei. Dazu reicht es nicht aus, in den Pausen zu lüften. Zusätzlich müsse einmal während jeder Unterrichtsstunde gelüftet werden.

Damit während dieser Lüftungsphasen ausreichend Frischluft in die Klassenzimmer kommt, erhalten diese je vier große Fensterflügel an den Außenwänden. An den innenliegenden Wänden sollen zur dreigeschossigen Halle hin „Überströmelemente“ (mit Schlitzen) dazu beitragen, dass es ausreichend Durchzug gibt.

Überhitzung im Sommer soll durch Außenbeschattung und Puffer in der Bausubstanz abgemildert werden. Zudem setzen die Planer auf einen kühlenden „Kamineffekt“ in der großen Halle. Lammellenelemente neben den Fenstern sollen nachts offenstehen, um in der heißen Jahreszeit kühlere Nachtluft ins Gebäude zu lassen.

„Mechanische Lüftungsanlagen wurden geprüft“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Die Stadtverwaltung als Bauherr hat sich aber dagegen entschieden. Lüftungsanlagen in Neubauten seien zwar „grundsätzlich sinnvoll“, so die Stadtverwaltung auf TAGBLATT-Nachfrage. Die Nutzer eines Gebäudes müssten sich dann aber auch entsprechend verhalten und dürften die Fenster nicht oder selten öffnen. „Wir halten es für besser, wenn in Schulen die Fenster zu öffnen sind und ein Bezug zur Außenwelt und Jahreszeit möglich ist“, so die Stadtverwaltung. Außerdem solle beim Neubau „das Budget gehalten“ werden. Eine Lüftungsanlage koste eine halbe bis dreiviertel Million Euro zusätzlich. „Das Einfachste und Günstigste und Beste ist: Fenster auf und Fenster zu“, hatte Oberbürgermeister Stephan Neher in der Gemeinderatssitzung gesagt.

Einige Stadträte äußerten daran Zweifel, am deutlichsten Michael Bay (CDU): Es sei existenziell, dass man die Lüftung nicht nur über die Fenster regle. „Die Schule steht die nächsten 60 Jahre.“ Das müsse besser gelöst werden. Bay wollte dies und andere Punkte (Fußbodenheizung) noch einmal im Technischen Ausschuss beraten. Hochbauamtsleiter Markus Gärtner wies das zurück: Man könne nicht das Budget halten und zusätzliche Forderungen stellen. „Mit den jetzt festgelegten Standards kommt auch der Preis zustande.“

Ein weiteres Argument waren laufende Kosten und der Stromverbrauch einer Lüftungsanlage, die allerdings auch über eine größere Photovoltaik-Anlage auf dem Dach versorgt werden könnte. „Für den Klimaschutz ist es aber am besten, wenn weniger Energie benötigt und damit auch nicht erzeugt werden muss“, so die Stadtverwaltung.

Bundesumweltamt rät zu Doppel-Lösung

In einer Broschüre („Anforderungen an Lüftungskonzeptionen in Bildungseinrichtungen“) schreibt das Bundesumweltamt: „Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Innenraumluft von Unterrichtsräumen darf im Mittel einer Unterrichtseinheit eine Konzentration von 1000 ppm nicht überschreiten. Eine Lüftung über Fenster allein reicht zum Erreichen einer guten Innenraumluftqualität während des Unterrichts in Schulgebäuden nicht aus.“ Eine Rolle spielen dabei auch die Temperaturdifferenzen zwischen Außen und Innen und dass man Zugluft vermeiden will.

Fensterlüftung und Lüftungsanlage schließen sich für das Bundesumweltamt nicht aus, im Gegenteil: Fensterlüften in den Pausen und zentral gesteuerte Lüftung während des Unterrichts ergäben in Kombination das beste Raumklima und hohe Akzeptanz bei Nutzern.

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Erstellt:
26.04.2021, 19:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 57sec
zuletzt aktualisiert: 26.04.2021, 19:30 Uhr

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