Kreis Tübingen

Haftstrafe nach Missbrauch von Nachbarsjungen

Zwei Jahre und neun Monate muss ein 50-jähriger Mann aus dem Steinlachtal ins Gefängnis. Er hatte Kinder mit Videospielen gelockt und missbraucht.

10.03.2022

Von mosi

Der 50-Jährige muss ins Gefängnis. Bild: Lisa Fischer

Der 50-Jährige muss ins Gefängnis. Bild: Lisa Fischer

Sexueller Missbrauch von Kindern in 196 Fällen, Herstellen von kinderpornografischem Material und Besitz von Zehntausenden kinder- und jugendpornografischen Dateien: In mehreren Punkten musste sich ein 50-Jähriger aus dem Steinlachgebiet seit vergangener Woche vor dem Tübinger Landgericht verantworten. Am Donnerstag wurde er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Seit 2008 lockte der Mann immer wieder Kinder in seine Wohnung, masturbierte in ihrer Gegenwart, fotografierte und filmte sie heimlich. Im Fall von einem Jungen nahm er weitere Missbrauchshandlungen vor. Auf die Spur gekommen war ihm die Polizei, weil er auf einer einschlägigen Darknet-Website ein Bild eines Jungen hochgeladen hatte. Der Mann wurde erstmals 2015 wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt.

Weitgehend verhandelte das Landgericht den Fall unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um die Opferzeugen, aber auch den Angeklagten zu schützen. Nach der Urteilsverkündung am Donnerstag gab der vorsitzende Richter Armin Ernst Einblick ins Verfahren.

Kooperativ bei Ermittlungen

Die Zahl der Fälle sei erschreckend, so Ernst. Man müsse aber feststellen, dass der Angeklagte fast alle Taten eingeräumt und zu einem frühen Zeitpunkt eine Vielzahl der Fälle offengelegt hat. Damit ersparte er einem weiteren Opfer die Aussage vor Gericht. In der Urteilsbegründung führte Ernst auch an, dass der Angeklagte bei der Ermittlung kooperierte: Beamten gab er etwa Passwörter für Dateien. Im Prozess gab er bereitwillig Einblick in sein Leben, auch in sein Sexualleben. Seine Entschuldigung gegenüber den Opfern sei von „Reue und Tateinsicht geprägt“ gewesen, so der Richter.

Dazu kommt die schwierige Biografie des Mannes. Er lebe „sozial vereinsamt“, informierte Ernst, und leide unter Angststörungen. „Er hat im Leben noch nicht viel auf die Reihe gebracht.“ Die Jungen lockte er zwar aus sexuellen Motiven, der Mann habe aber auch Anerkennung und Freundschaft gesucht. An einem vorangehenden Verhandlungstag hatte der Psychiater Heiner Missenhardt Einblick in den Lebensweg des 50-Jährigen gegeben.

Die Aussagen des Angeklagten und des Opferzeugen, der im Tatzeitraum zwischen neun und elf Jahre alt war, seien „nahezu übereinstimmend“ gewesen, so Ernst weiter. Die Schilderung des Jungen über die Taten seien äußerst detailliert gewesen. „Die Kammer hat keinen Zweifel an den Aussagen.“

 



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Zu Lasten des Angeklagten führte Ernst in der Begründung folgende Punkte an. Die beiden Opfer waren von der Schutzaltersgrenze weit entfernt. Ihr Vertrauen und das ihrer Eltern habe der Mann missbraucht. „Die Taten wurden sehr planvoll durchgeführt.“ Er habe die Kinder mit Pornografie und Computerspielen gelockt. Und: „Jede konkrete sexuelle Handlung wurde belohnt.“ Der Zeitraum der Taten sei lang gewesen, außerdem könne man „eine gewisse Steigerung der Straftaten feststellen“. Bei den kinder- und jugendpornografischen Dateien, die sich auf seinem PC befanden, handle es sich um eine ungewöhnlich hohe Anzahl. Nicht bloß Posing-Bilder waren darunter, sondern auch Bilder, auf denen sexuelle Handlungen zu sehen sind.

Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft für den Angeklagten gefordert, der Verteidiger zwei Jahre auf Bewährung. In der Haft soll eine psychotherapeutische Aufarbeitung erfolgen. Diese eröffne dem Angeklagten große Chancen im Leben, so Richter Ernst. Anfechten wolle er das Urteil nicht, erklärte der Mann nach der Verkündung.

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Erstellt:
10.03.2022, 12:34 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 36sec
zuletzt aktualisiert: 10.03.2022, 12:34 Uhr

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