Sexuelle Belästigung

Fall des Polizeiinspekteurs beschäftigt die Politik

Der Innenausschuss befasst sich mit den Vorwürfen gegen den Inspekteur der Landespolizei. Die Ermittlungen laufen parallel weiter.

01.12.2021

Von Theo Westermann

Musste dem Innenausschuss Rede und Antwort stehen: Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Musste dem Innenausschuss Rede und Antwort stehen: Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Stuttgart. Auf zwei Bühnen spielt inzwischen der Fall, der die Landespolizei erschüttert: Zum einen auf der Bühne der Landespolitik mit einer nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Landtags. Am Dienstagmittag musste Innenminister Thomas Strobl (CDU) zwei Stunden Rede und Antwort stehen. Zum anderen ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart weiter wegen der Vorwürfe gegen den Inspekteur der Landespolizei. Der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich war bei der Sitzung des Innenausschusses dabei.

Der seit vergangener Woche vom Dienst suspendierte Inspekteur Andreas Renner soll eine Hauptkommissarin im Landespolizeipräsidium zum Sex aufgefordert und auf seine Einflussmöglichkeiten auf ihre Karriere verwiesen haben. Über die Details gibt es zumindest öffentlich keine Auskunft. Auch nicht über die Frage, ob es weiter ausschließlich um den einen öffentlich bekannten Vorwurf der sexuellen Belästigung geht oder ob es sich inzwischen um mehrere Fälle handelt.

Kontaktstelle eingerichtet

Für diese Mutmaßung spricht, dass Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz eine interne Kontaktstelle benannt hat, an der sich „ Betroffene im Zusammenhang mit dem aktuellen Fall aber auch darüber hinaus“ melden können, heißt es in einem Mitarbeiterschreiben. Dass die Stelle im Landespolizeipräsidium damit in der bisherigen Dienststelle Renners liegt, hat auch den Innenausschuss beschäftigt. „Eine derartige Stelle im Landespolizeipräsidium ist dafür schlicht nicht geeignet“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Sascha Binder, nach der Sitzung gegenüber unserer Redaktion. Er sei sich zudem nicht sicher, ob der Innenminister überhaupt schon die Tragweite des Vorwurfs für die gesamte Polizei verstanden habe.

Die FDP-Abgeordnete Julia Goll sagte, ob die Dimension der Sache von jedem bereits erkannt werde, darüber gingen die Beurteilungen in der Tat auseinander. Goll sieht es aber als gravierend an, dass Misstrauen und Zweifel gegenüber jeder personellen „Entscheidung oder Nichtentscheidung“ des Inspekteurs, auch dessen Beurteilungen leitender Beamter gesät seien – egal ob sich die Vorwürfe gegen den Inspekteur bestätigten oder nicht.

Die SPD geht hier noch einen Schritt weiter. „Wir fordern, dass Personalentscheidungen, an denen der Inspekteur der Polizei beteiligt war und die noch nicht vollzogen worden sind, bis zum Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgesetzt werden“, teilte die SPD am Nachmittag mit. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der ranghöchste Polizist des Landes, der zugleich Leiter der Beurteilungskommission ist, Beamtinnen und Beamte nicht ausschließlich nach der fachlichen Leistung beurteilt habe. Erst im Juli war es im Landespolizeipräsidium unter Beteiligung Renners zu einer Runde über die Neu-Besetzung zahlreicher Polizeipräsidentenpositionen im Land gekommen.

Innenminister Strobl habe laut einer Mitteilung der stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Andrea Schwarz (Grüne) in der Sitzung deutlich gemacht, dass es innerhalb der Polizei keinerlei Platz für Sexismus gebe. Der Vorfall werde nun „zügig, konsequent und ohne Ansehen der Person“ aufgeklärt.

Ob rechtzeitig alles dienstliche digitale Gerät und sonstiges Datenmaterial beschlagnahmt wurde, mit dem der Inspekteur umging oder ob es in der Zeitspanne bis zum Einschalten der Staatsanwaltschaft durch das Innenministerium Zeit für eine mögliche „Säuberungsaktion“ gegeben hat, war offenbar auch Thema im Ausschuss. Ob dieser Punkt bei den Ermittlungen ein Problem ist, dazu gibt es ebenfalls keinen Kommentar der Staatsanwaltschaft.

Bestätigt wird, dass die Kriminalinspektion Heidelberg in dieser Sache als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt. Ob es Sinn macht, eine Polizeidienststelle im gleichen Bundesland zu benennen angesichts der personellen Verflechtungen im Polizeiapparat des Landes? „Da gibt es keine Bedenken“, so Melanie Rischke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Wurde der Inspekteur richtig durchgecheckt?

Von Polizeiinsidern wird gegenüber unserer Redaktion die Frage gestellt, ob und wie die Personalauswahl für die Topführungsposition versagt habe, sollten sich die Vorwürfe gegen den Inspekteur bewahrheiten. „Die Kandidaten für solche Positionen müssen sich sinnbildlich nackig machen“, heißt es. Da bleibe eigentlich nichts verborgen. Immer wieder verweisen Gesprächspartner dabei auf die intensive christdemokratische Komponente bei der Personalauswahl für Führungspositionen in der Polizei. Um Renner habe sich im Landespolizeipräsidium zudem eine „Peer Group“, eine Art Clique zur Karriereförderung mit ihm als Wortführer gebildet, heißt es beispielsweise.

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Erstellt:
01.12.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 01.12.2021, 06:00 Uhr

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