Alterseinkünfte

Die Rentner und die Steuer

Der Bundesfinanzhof will bald entscheiden, ob es bei Senioren zu einer Doppelbesteuerung kommt. Vorher wird nichts geändert.

04.03.2021

Von DIETER KELLER

Berlin. Es ist ein Trauerspiel, dass Groko und Bundesregierung wieder einmal die Hände in den Schoß legen und abwarten, bis die Gerichte entscheiden“, klagt der FDP-Finanzpolitiker Markus Herbrand. Stein des Anstoßes ist die Doppelbesteuerung von Renten. Der Bundestag diskutiert am Donnerstag eine Initiative der FDP, das Gesetz zu ändern, ehe der Bundesfinanzhof voraussichtlich im zweiten Quartal in drei Fällen ein Urteil spricht. Ob er die bestehenden Regeln tatsächlich kassiert, ist offen. Klar ist nur: Er wird die Besteuerung von Renten nicht grundsätzlich kippen, auch wenn sich das manche Senioren erhoffen dürften.

Die heutigen Regeln wurden 2005 eingeführt, weil das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Behandlung von Alterseinkünften als unzulässig gerügt hatte. Bis dahin fiel für Renten kaum Einkommensteuer an. Dagegen mussten Beamtenpensionen bis auf einen Freibetrag voll versteuert werden. Da es dem damaligen Finanzminister Hans Eichel (SPD) zu teuer war, auch sie steuerfrei zu stellen, erdachte er sich die „nachgelagerte Besteuerung“: Während des Berufslebens sind die Rentenbeiträge steuerfrei. Dafür muss im Alter die Rente voll versteuert werden.

Über Nacht ließ sich das allerdings nicht umsetzen. Denn viele hatten schon Rentenansprüche nach den alten Regeln erworben. Es wäre zu einer Doppelbesteuerung gekommen, die das Verfassungsgericht ausdrücklich verboten hat. Daher gibt es eine jahrzehntelange Übergangszeit: Jedes Jahr nimmt der Anteil der Rentenbeiträge zu, die steuerfrei bleiben. Gleichzeitig steigt stufenweise der Anteil der Rente, der versteuert werden muss.

Entscheidend ist das Jahr, in dem erstmals Rente bezogen wird. War dies 2005 und früher, sind 50 Prozent steuerpflichtig. Beim Rentenstart 2020 sind es schon 80 Prozent, in diesem Jahr 81 Prozent. Was steuerfrei bleibt, wird als Freibetrag festgeschrieben und nicht als Prozentsatz. Folge: Rentenerhöhungen müssen voll versteuert werden.

Steuererklärung ist Pflicht

Daher müssen immer mehr Rentner Steuern zahlen. Das zeigt unsere Tabelle für das Jahr 2020: Wer seit 2005 oder früher Rente bekommt, war nur steuerpflichtig, wenn sie höher als 17 555 Euro im Jahr brutto war, also vor Abzug des Krankenkassenbeitrags. Beim Rentner-Jahrgang 2020 war die Grenze schon bei 13 708 Euro.

Die Betroffenen müssen von sich aus eine Steuererklärung abliefern. Geschieht dies nicht, fordert sie das Finanzamt dazu auf, es drohen Säumniszuschläge. Es erfährt alles automatisch: Die Rentenversicherer müssen ihre Zahlungen jährlich übermitteln.

Dass die Besteuerung mit 50 Prozent begann, hat einen einfachen Grund: Bei Arbeitnehmern trägt der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge, und er kann sie von der Steuer absetzen. Dieser Teil ist also immer unversteuert. Ein Streitpunkt ist, ob für die zweite Hälfte die Entlastung während des Arbeitslebens zu gering ist, um die Belastung im Alter auszugleichen. Zumindest bei denen, die schon in Rente sind oder gerade in Rente gehen, ist das nicht der Fall, war schon vor einem Jahr die einhellige Meinung der Experten bei einer Anhörung des Bundestags. Das könnte sich irgendwann ändern, allerdings nur für neue Fälle. Erst dann sind Klagen möglich.

Anders ist die Lage bei Selbstständigen, die freiwillig Rentenbeiträge leisten. Denn sie müssen diese voll selbst tragen. Ob es bei ihnen zu einer Doppelbesteuerung kommt, muss der BFH entscheiden. Schon wann die vorliegt, sind sich die Experten nicht einig. Wenn ein Urteil kommt, wird es umgehend umgesetzt, verspricht der SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding. So lange empfiehlt der Bund der Steuerzahler denen, die eine Doppelbesteuerung vermuten, gegen den Einkommensteuerbescheid für alle Fälle Einspruch einzulegen.

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Erstellt:
04.03.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 45sec
zuletzt aktualisiert: 04.03.2021, 06:00 Uhr

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