Technik

Der Frust mit dem Smartphone

QR-Code für die Corona-Impfung? Klingt toll. Aber nicht für Ältere jenseits der Internet-Generation. Ein Forschungsprojekt will Senioren helfen. Es geht auch um ihr Selbstwertgefühl.

28.06.2021

Von LSW

Elisabeth Groß hat den Umgang mit dem iPad trainiert. Einfach war das nicht. Foto: Uli Deck

Elisabeth Groß hat den Umgang mit dem iPad trainiert. Einfach war das nicht. Foto: Uli Deck

Karlsruhe. Corona-App, QR-Code, Skype, Zoom – alles ganz easy, wenn man mit dem Smartphone aufgewachsen ist. Aber nicht so einfach, wenn man älter ist. Viele Senioren sind verunsichert. Enttäuschung und Frust hat auch Elisabeth Groß erlebt. Und Sorge: „Man will nicht die Einzige sein, die digital nicht mitkommt.“ Die 69-jährige Pensionärin aus Gaggenau (Kreis Rastatt) hat sich in das Thema mühsam eingearbeitet und weiß um die Schwierigkeiten. Ein Forschungsprojekt der Pädagogischen Hochschule (PH) Karlsruhe, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und internationaler Partner will nun dafür sorgen, dass Senioren nicht digital abgehängt werden.

„Der Anteil von Menschen über 70 an der Gesamtbevölkerung wird weiter zunehmen“, sagt Mechthild Kiegelmann, Leiterin des PH-Masterstudiengangs Geragogik (Altersbildung). Ziel des internationalen Projektes Geragogy And Young Media („Ganymed“) sei es deshalb, Ältere in die Lage zu versetzen, an digitaler Kommunikation teilzuhaben. Dass das immer wichtiger wird, wurde für die Expertin für Bildung im Alter nicht zuletzt in der Corona-Pandemie deutlich.

Einsam durch die Pandemie-Zeit

Ob Impftermin buchen oder Kontakt mit Freunden und Enkeln halten: Wer kein Smartphone, Tablet oder einen PC zu Hause hat, bleibt außen vor. Viele Senioren wissen schlicht nicht, wie Internet, Apps oder Videotelefonie funktionieren. Das Projekt „Ganymed“ will didaktische Programme und Materialien für Lehrkräfte und andere Multiplikatoren entwickeln, um das erforderliche Wissen altersgerecht zu vermitteln.

Das auf zwei Jahre angelegte Projekt mit Expertinnen und Experten aus Spanien und Italien geht Ende Juni an den Start. Es wird von der EU mit knapp 300?000 Euro gefördert. „Es wird die Art und Weise des Lehrens für die Generation 70+ verbessern“, ist Projektkoordinator Volker Koch überzeugt. Für den KIT-Wissenschaftler ist es ein Beitrag zur „sozialen Inklusion“. Viele Ältere klagten gerade in der Pandemie-Zeit über Einsamkeit.

Doch Alter hat viele Gesichter. Nicht jeder bringt für das Thema so viel Energie auf wie die pensionierte Lehrerin Groß aus Gaggenau. Weil sie Familie und Freunde nicht mit ihren Fragen nerven wollte, belegte sie Kurse an der Volkshochschule. Dort fiel ihr auf, wie unsicher auch andere im Umgang mit Smartphone und Internet sind – und wie hochmotiviert, die digitalen Dienste im Alltag zu nutzen. „Allen war bewusst: Im Alter trägt das zur Lebensqualität bei.“

Die VHS-Kurse waren nur der Anfang. Über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) lernte Groß eine Studentin kennen. Mit ihr traf sie sich zum digitalen Austausch über Fragen zum Handling des Internet, Nutzen von Tablets im Alltag oder zum Umgang mit virtuellen Plattformen. „Das habe ich als sehr wertvoll erlebt. Man darf die älteren Menschen beim Einstieg in die digitale Themenwelt mit ihren Fragen nicht alleine lassen.“ Auch fand sie einen PC-Experten. Der hilft, wenn?s technisch mal hakt.

Ständige Ansprechpartner sind wichtig, insbesondere bei PC-Problemen, betont Elisabeth Groß. Und auch, dass Älteren der Einstieg in die digitale Welt mit Themen erleichtert wird, die sie direkt betreffen: von der Organisation des Alltags mit Arztbesuch oder Impftermin bis hin zur Gestaltung eines Fotobuchs oder dem Erfassen einer Rezeptsammlung. „Man muss mit kleinen Schritten anfangen.“

Ältere einbeziehen und da abholen, wo sie stehen – das will auch „Ganymed“. Im Rahmen des Projektes sollen Menschen angesprochen werden, die mit Älteren zu tun haben. Mechthild Kiegelmann hat schon mehrere Anfragen von Seniorenverbänden bekommen, die mitmachen würden. Auch Multiplikatorinnen aus dem Kreis der über 70-Jährigen sollen eingebunden werden. „Es geht um gesellschaftliche Teilhabe.“ Ob Stadtbücherei, Kaffeekränzchen oder Migrantengruppe: „Digitale Endgeräte können auch dort zur Verfügung gestellt werden, wo sich die Zielgruppe gerne trifft.“

Elisabeth Groß studiert inzwischen selbst Geragogik. Im Zuge dessen hat sie das Konzept eines digitalen „Kunstcafés“ entwickelt. Dabei könnten sich Seniorinnen und Senioren im Umgang mit Zoom über Kunst und andere Themen austauschen – ganz barrierefrei. Susanne Kupke

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Erstellt:
28.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 58sec
zuletzt aktualisiert: 28.06.2021, 06:00 Uhr

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