Kurzfilmfestival
Besonders interessiert an Menschen und ihren Beziehungen
Die 23-jährige Regie-Studentin Anja Gurres war Gast bei den Kurzfilmtagen im Rottenburger Kino im Waldhorn.
Die 23-jährige Anja Gurres und ihr gleichaltriger Kommilitone Manuel Ostwald waren am Sonntag Gäste der Kurzfilmtage im Kino Waldhorn. Beide studieren an der Filmakademie Ludwigsburg, Manuel schrieb das Drehbuch zu Anjas Film „Lule Liebe Lila“.
Die Kurzfilmtage sind seit Jahren fester Programmbestandteil des Waldhorn-Kinos, das unter anderem deshalb zum zweitbesten Kino Deutschlands gekürt wurde. Anders als kommerzielle Langfilme entstehen Kurzfilme häufig an Hochschulen mit geringem Etat. Selbst bekannte Schauspieler spielen darin häufig ehrenamtlich mit, um junge Nachwuchsregisseure zu fördern. Die so entstandenen Kurzfilme laufen aber meist nur auf Festivals, nicht im Kino.
Das Waldhorn-Kino zeigte am Sonntag eine Retrospektive der jungen mehrfach ausgezeichneten Regisseurin: Als 19-Jährige erhielt sie den Jugendfilmpreis der Filmschau Baden-Württemberg und wurde sie mit dem Katholischen Jugendmedienpreis ausgezeichnet. In ihren Filmen gelingt es ihr, für schwierige Themen eindrucksvolle Metaphern zu finden – etwa gestörte Beziehungen von Opfern sexuellen Mißbrauchs oder die Krebserkrankung einer Mutter aus Sicht eines Kindes. „Ich bin eine kleine Hobbypsychologen. Mich interessieren besonders Menschen und ihre Beziehungen zueinander“, erklärte Anja Gurres nach der Filmvorführung.
Fünfjährige Hauptdarstellerin
In ihrem Film „Die Ratte“ etwa erklärt die ältere Schwester der fünfjährigen Nele, dass der Krebs der Mutter „wie ein Vieh ist, das man rausmachen muss“. Nele stellt daraufhin eine Mausefalle auf, weil sie glaubt, dass die Mutter wieder aus dem Krankenhaus zurückkommt, wenn die Ratte tot ist. Gedreht hat Gurres den Film mit ihrer fünfjährigen Nichte als Hauptdarstellerin. „Für das Kind war das wie Spielen. In der Szene, in der sie nach der Ratte sucht, haben wir Kinderschokolade versteckt“, erzählt sie. „Sie hat sicherlich nicht begriffen, um was es in dem Film wirklich geht.“
Bei der Arbeit mit Kinderdarstellern gibt es für Gurres jedoch klare Grenzen: „Ich würde nie einem Kind sein Spielzeug wegnehmen, um es zum Weinen zu bringen“, sagt sie. Gerne lässt sie ihre Kameramänner nahe an die Gesichter der Darsteller heranzoomen. „Diese fast schon intime Nähe gefällt mir. In meinen Filmen will ich Stimmungen, Emotionen einfangen. Manchen Zuschauern ist das zu nah“, meint sie.
Für den Film „Leuchtturm“ musste sie mit ihrem Mitstudenten Manuel Meinhardt zusammen Regie führen. Meinhardt wollte einen Film mit Lichterketten machen, Gurres einen Film über eine Vater-Sohn-Beziehung. Sie führten beide Ideen zusammen und konnten mit Gerhard Polacek und Laurenz Lerch zwei außergewöhnliche Hauptdarsteller gewinnen.
Der Film ist minimalistisch, viele Details bleiben offen – etwa der Grund, weshalb die Vater-Sohn-Beziehung so gestört ist. „Mich interessieren die Beziehung zwischen den beiden und ihre Gefühle. Irgendwelche krassen Wendungen und Details der Handlung habe ich bewusst offen gelassen“, erklärt Gurres. Sie hätten eine klare Arbeitsteilung gehabt: Meinhardt war für das Visuelle und Gurres für die Stimmungen der Schauspieler verantwortlich.
Film über Borderline-Syndrom
In „Lule Liebe Lila“ deutet Gurres eine zu nahe Beziehung zwischen Schwestern an – auch sexuell. Für diesen Film habe sie sich mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen beschäftigt, erzählt sie. In ihrem neuen Film „Kaugummiblase“, ihrem ersten längeren Werk, konnte sie vieles anders machen. „Ich habe immer so schwere Filme gemacht. Jetzt wollte ich mal was Lustigeres machen. Wobei ganz albern mir nicht liegt“, sagt Gurres. Herausgekommen sei eine Teenagerkomödie um das Ende einer Sandkastenfreundschaft. Der beste Freund eines Mädchens hat eine Freundin und das erste Mal Sex. Sie selbst will aber das Ende ihrer Kindheit nicht wahr haben.
Die Traumfabrik Hollywood sei nicht ihr Ziel, sagt Gurres. „Ich denke, dass es für mich auch mit den Möglichkeiten des deutschen Films in den nächsten Jahren noch viele Geschichten zu erzählen gibt.“