Beleidigungen

Letzten Sommer traf ich in einem winzigen Ort am Ende der Welt 1200 Kilometer westlich von hier in einem Café einen etwa 50-jährigen Mann. Er war alleine mit seinem Fahrrad und kleinem Gepäck unterwegs durch Europa, jetzt gerade kommend von Prag auf dem Weg nach Brest. Er erzählte, dass er jedes Jahr lange Linien auf die europäische Landkarte mit seinem Rad zeichnet, immer allein oder lediglich mit einem Freund, Prag - Lissabon, Kopenhagen - Brindisi. Sein Fahrrad sah auf den ersten Blick sehr normal aus, aber mir fiel sein Vorderrad auf, das mit einem SON-Nabendynamo, produziert im Französischen Viertel, ausgerüstet war. Er schwärmte davon, dazu gäbe keine Alternative. Jedes Detail
an diesem Rad war bewusst wegen seiner Qualität ausgewählt worden.

Ich wohne im Französischen Viertel nahe an der Panzerhalle und bin bewusst hierher gezogen wegen dieser Mischung von Wohnen und Gewerbe, von Kindergeschrei und Leben. Ich kann den andauernden juristischen Konflikt um die Lärmbelastung in dem Künstleratelier nicht bewerten, auch weiß ich nicht, ob die Stadt tatsächlich zuwenig ,Mumm‘ hat und wie intensiv hinter den Kulissen eine Lösung für Wilfried Schmidt und SON gesucht wird. Aber meine Solidarität liegt bei diesem Betrieb, der hier lebt und arbeitet, viele sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen hat und seine Steuern zahlt.

Er ist Teil der Lösung des Problems. Der mit spektakulärem Selbstmord drohende und arrogante Beleidigungen ausstoßende Künstler dagegen ist Teil des Problems.