Tarifkonflikt

Bahnkunden leiden im Streik, sie sind aber nicht schutzlos

Noch bis Freitag, 2 Uhr, wird der Personenverkehr der Deutschen Bahn bestreikt. Das müssen Betroffene beachten.

12.08.2021

Von ANDRé BOCHOW

Der Streik zeigt schon am ersten Tag Wirkung: Dichtes Gedränge herrscht am Mittwoch vor einem der wenigen abfahrenden Züge im Hamburger Hauptbahnhof. Foto: Bode via www.imago-images.de

Der Streik zeigt schon am ersten Tag Wirkung: Dichtes Gedränge herrscht am Mittwoch vor einem der wenigen abfahrenden Züge im Hamburger Hauptbahnhof. Foto: Bode via www.imago-images.de

Für die zwei Tage, an denen die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) die Bahn bestreikt und auch an den Folgetagen gelten einige Regeln, die Bahnreisende unbedingt beachten sollten. Die Bahn versucht zwar, mit einem Ersatzfahrplan einzugreifen, gibt aber selbst an, nur ein Viertel der Verbindungen aufrechterhalten zu können. Die Bahn garantiert nicht, dass alle Reisenden an ihr Ziel kommen und empfiehlt, auch an diesem Donnerstag, Fernverkehrsreisen zu verschieben.

Was wird aus den bereits gekauften Tickets, wenn die Reise nicht angetreten wird? Hier gelten laut Bahn „besondere Kulanzregelungen“. Die Bahn teilt mit: „Alle Fahrgäste, die im Zeitraum vom Mittwoch, den 11.08., bis Freitag, den 13.08.2021, ihre Reise aufgrund des Streiks der GDL verschieben möchten, können ihr bereits gebuchtes Ticket für den Fernverkehr bis einschließlich Freitag, den 20.08.2021 entweder flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren.“ Sitzplatzreservierungen können ebenfalls kostenfrei umgetauscht werden. Zudem würden die allgemeinen Fahrgastrechte bei Verspätung oder Zugausfall gelten.

Welche Rechte sind das? Ab einer zu erwartenden Verspätung von 20 Minuten kann auf einen anderen Zug ausgewichen werden, wenn mit diesem das auf der Fahrkarte angezeigte Ziel erreicht wird. Allerdings ist hier einiges zu beachten. In reservierungspflichtigen Züge darf nicht umgestiegen werden. Beim Umstieg in einen höherwertigen Zug, also etwa vom IC in den ICE oder vom Regionalzug in den IC, sind die Mehrkosten erst einmal selbst zu tragen. Laut Stiftung Warentest muss entweder die erforderliche Fahrkarte gekauft oder der Aufpreis gezahlt werden. Die Mehrkosten kann man sich aber von der Bahn zurückholen. Dafür gibt es in den Reisezentren Fahrgastrechteformulare. Auch eine postalische Rückforderung an das Servicecenter Fahrgastrechte ist möglich. Ausgenommen von der Rückerstattung sind stark verbilligte Tickets. Etwa „Quer-durchs-Land“- oder Ländertickets.

Was ist, wenn ich zum Beispiel meinen Flug verpasse? Dazu heißt es bei der Stiftung Warentest: „Die Bahn haftet grundsätzlich nicht für Schäden, die infolge einer Zugverspätung oder eines Zugausfalls entstehen.“

Heißt das, die Bahn muss nur die Mehrkosten beim Umsteigen rückerstatten? Nein. Wird die Reise angetreten, gilt auch an Streiktagen: Ab 60 Minuten Verspätung bekommen die Bahnkunden 25 Prozent des Ticketpreises für die einfache Fahrt zurück. Ab 120 Minuten sind es 50 Prozent. Entschädigungen gibt es auch für die Inhaber von Zeitfahrkarten, wie etwa Monatstickets. Auch Bahncard-100-Besitzer bekommen etwas zurück. In all diesen Fällen wird ab 60 Minuten Verspätung gezahlt – und zwar pro Verspätungsfall. Etwa für Zeitfahrkarten im Fernverkehr 5 Euro pro Fall in der zweiten und 7,50 Euro in der ersten Klasse.

Wozu ist die Bahn verpflichtet, wenn ich wegen einer Verspätung meine Reise nicht fortsetzen kann, weil zum Beispiel keine Züge mehr fahren? Passiert das wegen einer Verspätung ab 60 Minuten, muss die Bahn eine Unterbringung und eine Fahrt zu der Unterkunft anbieten. Geschieht dies nicht, können Fahrgäste sich selbst ein Hotel zu suchen. Um Streit zu vermeiden, sollte es eher ein Mittelklassehotel sein.

Kann ich auch mit dem Taxi zum Zielort fahren? Unter Umständen geht das. Nämlich dann, wenn zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens eine verspätete Ankunft von mindestens 60 Minuten zu erwarten ist oder der letzte Zug des Tages ausfällt, sodass man nicht mehr bis Mitternacht am Zielort ankommt. In diesen Fällen darf sich der Reisende ein Taxi zum Zielbahnhof nehmen. Aber Vorsicht: Die Bahn erstattet maximal 80 Euro. Das reicht nicht von Berlin nach München. Und: Taxigeld gibt es nur, wenn die Bahn kein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung stellt.

Muss man eigentlich überhaupt zur Arbeit fahren, wenn Züge ausfallen oder stark verspätet sind? Allerdings. Jedenfalls müssen Arbeitnehmer alles unternehmen, um pünktlich am Arbeitsplatz zu sein. Beispielsweise kann es zumutbar sein, das eigene Auto zu benutzen. Vor allem dann, wenn die Probleme im Bahnverkehr absehbar sind, also zum Beispiel bei einem angekündigten Streik. Es gibt jedoch Grenzen der Zumutbarkeit. Schon einen Tag vorher zur Arbeit fahren muss in der Regel niemand und auch keine Taxirechnungen bezahlen, die gemessen am Gehalt des Arbeitnehmers zu hoch sind.

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Erstellt:
12.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 12.08.2021, 06:00 Uhr

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