Visuell überbordender Höllentrip in eine fiktive Stadt, die von einer brutalen Miliz terrorisiert wird.

Diese Nacht

Visuell überbordender Höllentrip in eine fiktive Stadt, die von einer brutalen Miliz terrorisiert wird.

23.11.2015

Von Peter Ertle

Diese Nacht

Der Film basiert auf dem Roman „Tonight? des uruguayanischen Schriftstellers Juan Carlos Onetti und ist, wie von Werner Schroeter nicht anders zu erwarten, ein düsteres, blutiges und überaus theatralisch bewegtes Gemälde. Es spielt nahezu ausschließlich nachts, in einer südamerikanischen, man könnte auch sagen: in irgendeiner Stadt, die vor einem großen Wendepunkt steht. Das alte Regime zusammengebrochen, der neue Eroberer steht vor den Türen und wird in wenigen Stunden mit dem Bombardement beginnen, so viel ist klar. Am Hafen steht ein letztes Schiff für Flüchtlinge bereit, aber nur wenige haben Tickets dafür.

Apokalypse, Endzeitstimmung, Razzien politischer Noch- oder Teil- oder Zwischen- oder Neumachthaber, das ist unübersichtlich und unerheblich. Es geht um Dekadenz, Verfall, Verrat, Flucht, Machtlust, Gewalt, Unsicherheit. Wer mit wem? Wer gegen wen? Der Arzt Ossorio ist in die Stadt zurückgekehrt, um seine Liebste, Clara, zu retten. Aber wo ist sie? Das Ganze erinnert aufgrund seiner üppigen Bilderwelten an dunkle, mittelalterliche Gemälde, in vielen seiner Szenen mehr an Theater und nicht nur wegen der immer wieder eingespielten Arien an die Oper. Es wird gefoltert in diesem Film, auf den Straßen massenhaft gestorben.

Aber noch öfter ist draußen alles gespenstisch leergefegt, niemand da, nur ein Kind schreit nach der Mutter. Das Magische, Überwirkliche, die Künstlichkeit und Kunstversessenheit nimmt dem Realismus seine Schärfe, macht ihn aber untergründig unheimlicher: Ein Alptraum. Eine Geschichte menschlicher Deformation. Eine Passion, in ihrer zweifachen Wortbedeutung.

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Erstellt:
23.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 45sec
zuletzt aktualisiert: 23.11.2015, 12:00 Uhr

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