Finanzen

Zuständigkeiten unklar: Burgruinen im Land bröckeln

Weil häufig die Zuständigkeiten unklar sind und Kompetenzwirrwarr herrscht, dauern Sanierungen oft ewig. Der Landesrechnungshof empfiehlt eine bessere Aufgabenverteilung.

18.10.2021

Von Theo Westermann

Von der Aussichtsplattform des sanierten Rusenschlosses bei Blaubeuren haben Besucher einen weiten Blick. Weil für die Einrichtung der Baustelle Hubschrauber und Kletterer eingesetzt werden mussten, wurde die Sanierung deutlich teurer. Foto: Volkmar Koenneke Ulm

Von der Aussichtsplattform des sanierten Rusenschlosses bei Blaubeuren haben Besucher einen weiten Blick. Weil für die Einrichtung der Baustelle Hubschrauber und Kletterer eingesetzt werden mussten, wurde die Sanierung deutlich teurer. Foto: Volkmar Koenneke Ulm

Stuttgart. Der Durchgang in der Burgmauer ist verschlossen, die Burgruine und die Gaststätte auf der Yburg hoch über dem Rebland von Baden-Baden ist für Wanderer, Touristen oder Ausflügler unerreichbar. Sehr zum Ärger der umliegenden Gemeinden und der Kommunalpolitik. Die bauliche Problemliste ist lang, Sanierungskosten sind unklar. Die Liste ist auch deshalb lang, weil sich das Finanzministerium und seine Ämter (zuständig für die Sanierung der Burganlage und der geschlossenen Gaststätte) und der Forst (zuständig für die Sanierung der notwendigen, aber maroden Zufahrtsstraße) nicht einig sind. Inzwischen sind die Landtagsabgeordneten Tobias Wald (CDU) und Hans-Peter Behrens (Grüne) aus dem Wahlkreis Baden-Baden/Bühl mit der Sache befasst und verlangen mehr Tempo.

Baden-Baden ist kein Einzelfall. Landauf, landab drohen Burgruinen weiter zu verfallen. Die komplexen Zuständigkeiten erschweren ein schnelles und koordiniertes Vorgehen, wie erst vor kurzem der Landesrechnungshof monierte. Von 250 Kulturliegenschaften werden 62 von dem Finanzministerium zugeordneten Landesbetrieb „Schlösser und Gärten“ vermarktet, dies ist sozusagen die erste Garde. Darunter fällt die Yburg. Doch sie steht sinnbildlich für die Probleme, die es auch bei vielen anderen Anlagen gibt.

Erhalt und Sanierung ist teuer

Die weiteren rund 190 Ruinen-, Burg- und Maueranlagen sind weniger spektakulär, teils schwer erreichbar und nicht wirtschaftlich nutzbar. 170 davon fallen in die Zuständigkeit des Finanzministeriums (Landesbetrieb Vermögen und Bau). 22 gehören zur Staatsforstverwaltung, die Teil des Landwirtschaftsministeriums ist. Erhalt und Sanierung der Anlagen sind teuer. Pflanzenwuchs, Wind und Wetter machen den Ruinen zu schaffen. Absprachen mit dem Denkmal- und Naturschutz, den Gemeinden sind zeitaufwendig. Der Rechnungshof hat sich 23 Sanierungen angeschaut. Und sehr genau nahm er sich 16 von 22 Ruinenanlagen vor, die in der Zuständigkeit des Staatsforsts liegen und in denen bis vor kurzem oder aktuell noch Baumaßnahmen laufen. Die eigentlichen Arbeiten erledigt in aller Regel „Vermögen und Bau“.

Das Fazit der Prüfer: „Die Abstimmung, Durchführung und Finanzierung von Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen für alle Objekte sollten von der Liegenschaftsverwaltung in eigener Zuständigkeit wahrgenommen und optimiert werden.“ Denn die Aufgabenteilung zwischen dem Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg (ForstBW) und dem Landesbetrieb „Vermögen und Bau“ sei „nachteilig“. Der Befund ist dabei vernichtend: „Zwischen Feststellung von Mängeln und deren Beseitigung vergeht zu viel Zeit, mitunter mehrere Jahre“, heißt in dem Bericht. Beispiele gibt es genug. Bei der Burgruine Hohenwittlingen bei Bad Urach stürzte 2014 eine Burgmauer ein, die Ruine musste gesperrt werden. Sechs Jahre lang war nicht geklärt, wer zuständig ist. Immer wieder verzögerte sich der Baustart. Anfang 2021 begannen die Arbeiten, voraussichtlich ist die Ruine bis Ende 2021 gesperrt. Eingerüstet ist die Burgruine Hohenurach, auch hier drohten Mauern einzustürzen. Seit 2014 laufen die Bauarbeiten, vermutlich werden sie noch einige Jahre da.

Kontrollen des Bauzustands von Burgruinen finden nur sporadisch statt, moniert der Rechnungshof. Handlungsbedarf werde erst gesehen, wenn Mauern einstürzen. Etwa an der Stolzeneck bei Eberbach. Bis heute ist die Burg teilweise gesperrt. Das gleiche gilt für die Minneburg bei Neckargerach. Oft werde der Aufwand für die Baustelleneinrichtung unterschätzt. Ein Beispiel: Bei der inzwischen abgeschlossenen (und um Jahre wegen des Zuständigkeitsfrage verzögerten) Sanierung des Rusenschlosses bei Blaubeuren mussten Helikopter und Kletterer für die Baustelleneinrichtung eingesetzt werden, was die Kosten deutlich erhöhte.

Der Vorschlag der Rechnungsprüfer, die Zuständigkeiten bei der Liegenschaftsverwaltung zu bündeln, fand die Zustimmung des Landwirtschaftsministeriums. Forst BW habe weder Mittel für die baulichen Maßnahmen noch das nötige Fachwissen, hieß es in einer Stellungnahme an den Rechnungshof. Aber das Finanzministerium wiederum konnte sich nicht damit anfreunden. Dort sah man die Landesforstverwaltung für das Immobilienmanagement der Grundstücke des Forstvermögens zuständig, verweist auf Grundbucheinträge, Landeshaushaltsordnung und Forst-BW-Gesetz und befürchtete Probleme mit Versicherungs- und haftungsrechtlichen Fragen. Sprich, es geht ums Geld. Allenfalls könne man sich eine Übertragung der Zuständigkeiten im Einzelfall vorstellen. Doch nun scheint etwas Bewegung in die Sache zu kommen. Das Finanzministerium teilte auf Anfrage mit, dass Landwirtschafts- und Finanzministerium sich in der „Abstimmung“ befinden und an einer gemeinsamen Antwort an den Rechnungshof arbeiteten.

Den Landtagsabgeordneten Tobias Wald, auch finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, treibt das Thema generell um. Er will weg von den Einzelfallentscheidungen. „Wir müssen uns alle Burganlagen anschauen und brauchen einen Masterplan.“ Dabei geht es ihm auch konkret um jene Anlagen, die nicht zur ersten Garde gehören. Für jede Burgruine müsse klar sein, was gemacht werden muss und wer es macht. So komme man zu einer gewissen Standardisierung, schnelleren und kostengünstigeren Lösungen. „Damit retten wir auch unser kulturelles Erbe“, so Wald.

Max Reger, Chef von Forst BW und zuständig für die 300?000 Hektar Staatswald, sieht die Burgruinen, die bisher zum Forst gehören, besser bei der Finanzverwaltung aufgehoben. „Unsere Kompetenz ist Waldmanagement“, sagt er. Problematisch für den Forst könnten schon einfache Verkehrssicherungsfragen sein, erst recht, wenn es gar um den Erhalt einer Burgruine geht. Reger: „Unsere Leute können doch gar nicht erkennen, was es bedeutet, wenn eine Burgruine bröckelt. Dafür haben wir keine eigene Expertise.“

Nahe Baden-Baden steht die Yburg, die dringend saniert werden müsste. Foto: Uli Deck

Nahe Baden-Baden steht die Yburg, die dringend saniert werden müsste. Foto: Uli Deck

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Erstellt:
18.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 34sec
zuletzt aktualisiert: 18.10.2021, 06:00 Uhr

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