Modul-Wohnungsbau

Zimmer aus der Fabrik

Ein Haus zusammengesetzt aus vorproduzierten Räumen – so soll schnell bezahlbarer Wohnraum entstehen. Doch die Technik hat auch ihre Haken.

17.07.2021

Von Julia Kling

In Esslingen realisierte das Unternehmen AH Aktiv-Haus 18 Mitarbeiterwohnungen für ein Krankenhaus in modularer Bauweise.  Foto: Zooey Braun

In Esslingen realisierte das Unternehmen AH Aktiv-Haus 18 Mitarbeiterwohnungen für ein Krankenhaus in modularer Bauweise. Foto: Zooey Braun

Ulm. An einem Autokran schwebt ein voll ausgestattetes Badezimmer über einer Reihe gestapelter Wohnelemente. Eingangsbereich, Küche und Wohnraum der künftigen Wohnung stehen bereits an ihrem Platz. Was für Außenstehende wie ein überdimensionierter Lego-Spielplatz für Erwachsene ausschaut, wird einmal ein ganzer Wohnkomplex. Gebaut wird in modularer Bauweise. Anders als bei Fertighäusern werden dabei Wohnmodule bereits mit Elektroleitungen, Sanitäreinrichtungen, Fußböden und teilweise auch Kücheneinrichtungen sowie der Beleuchtung in Produktionsstätten vorgefertigt, um dann am künftigen Standort zusammengesetzt zu werden. Das hat den Vorteil, dass an der Baustelle selbst verhältnismäßig kurz gearbeitet werden muss, sagt Fabian Viehrig vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW).

Denn die Vorarbeit findet in Produktionshallen statt. „Am Anfang steht nur ein Holzrahmen in der Fabrik“, erklärt Hubert Nopper vom Anbieter AH Aktivhaus. Nachdem Wände und Boden verbunden wurden, folgen nach und nach Dämmung, Fassade, aber auch der Innenausbau. „Das Modul wandert praktisch durch die Halle.“ Etwa vier Wochen dauert es, bis das bis zu 25 Tonnen schwere Modul dann für die Auslieferung fertig ist.

Dabei sei dann eine ausgeklügelte Logistik notwendig. „Die Module werden mit Nachttransporten in die Nähe der Baustelle gebracht und etwa auf einem Parkplatz zwischengelagert“, sagt Nopper. Die Anlieferung zur Montage erfolge dann „just in time“. Produziert werden die Module des Stuttgarter Unternehmens, das seinen Fokus auf nachhaltige Wohnkonzepte legt, in Partnerbetrieben im europäischen Ausland, wie Nopper sagt. Andere Anbieter setzen etwa auf Beton- oder Stahlkonstruktionen und haben wie etwa das bayerische Unternehmen Max Bögl ein eigenes Werk für die Produktion der Module aufgebaut.

„Der modulare Wohnungsbau ist eigentlich nichts neues“, sagt Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft zeitgemäßes Bauen. Vielmehr sei die Bauweise gerade im Hinblick auf kostengünstigen Wohnungsbau wieder in den Fokus von Politik und Wohnungsbaugesellschaften gerückt. „Im seriellen Bauen haben viele durchaus Potenzial gesehen.“

Die Hoffnungen seien bislang jedoch nicht erfüllt worden. „Die Zahl der Wohnungen, die in modularer Bauweise in Deutschland entstehen, liegt im niederen einstelligen Bereich.“ Auch Viehrig ist überzeugt: „Wir lösen damit kein Wohnungsproblem.“ Vielmehr könne es eine zusätzliche Möglichkeit sein, um dem vor allem in Ballungsräumen anhaltenden Wohnungsmangel etwas entgegenzusetzen. Für kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder auch private Unternehmen wie Vonovia sei die kurze Fertigstellungszeit von etwa einem Jahr interessant. „So sind die Objekte schneller in der Vermietung.“

Die vom GDW gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bau sowie der Bauindustrie und Architektenkammer 2018 ausgearbeitete Rahmenvereinbarung soll qualitativ hochwertigen, kostengünstigen und schnell realisierbaren modularen Wohnungsbau voranbringen. Neben AH Aktiv-Haus unterzeichneten acht Firmen den Vertrag, ebenso die GDW, wodurch die 3000 Verbandsmitglieder zu festgeschriebenen Quadratmeterpreisen Projekte in Auftrag geben können. „Die ersten eineinhalb Jahre passierte nicht viel“, sagt Viehrig. Inzwischen nehme das Thema jedoch „ordentlich an Fahrt auf“. Bislang seien 2500 Wohneinheiten hierzulande nach der Rahmenvereinbarung gebaut worden.

Ein Kran setzt die Module zum Haus zusammen. Foto: Peter Eichler

Ein Kran setzt die Module zum Haus zusammen. Foto: Peter Eichler

Preis ist ausschlaggebend

Ein Grund für die bislang geringe Zahl an Projekten sieht Walberg neben fehlender Standorte in der benötigten Größe vor allem im Preisniveau. „In der Regel sind die Vorhaben nicht günstiger, sondern 15 bis 20 Prozent teurer als Bauten in Massivbauweise.“ Auch Viehrig sieht darin eine Herausforderung. „Der Preis ist ausschlaggebend. Meist sind Angebote von Herstellern, die das untere Preissegment bedienen, gefragt.“ Der Modulbau sei kein Billigbau, sondern rangiere im allgemeinen Marktniveau. Die Bauweise lebe insgesamt von Skalierungseffekten. Sprich: Je öfter ein Modul produziert wird, desto günstiger lässt es sich realisieren. „Diese Effekte haben die Anbieter eingepreist.“ Aber nicht alle verzeichneten bislang die Nachfrage, die sie sich infolge der Rahmenvereinbarung erhofft hatten.

Ab welcher Größe ein Projekt wirtschaftlich ist, bewerten die Experten unterschiedlich. Teils ist die Rede von mindestens 100 Wohnungen. Viehrig spricht von 30. „Man braucht kein riesiges Projekt.“ Um im Wettbewerb attraktiv zu bleiben, müssten die Anbieter auch flexibler werden, sagt Viehrig. „Was fix ist, ist das eckige Bauen.“ Anders funktioniere es nicht. Bei Dachkonstruktionen brauche es etwa mehr Bewegung bei den Anbietern. Satteldächer anstelle von Flachdächern seien eine Möglichkeit. „Dann sind die Module auch attraktiv für Photovoltaikanlagen.“

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Erstellt:
17.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 17.07.2021, 06:00 Uhr

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