Tübingen · Fotografie

5000 Kilometer über den Ozean: Zeit für Helden

York Hovest sprach im Tübinger „Museum“ über seine National-Geographic-Karriere und vor allem über die Retter der Ozeane. Aus dem Fotografen ist ein Aktivist geworden.

17.02.2020

Von Wolfgang Albers

Ein „Höllentrip“: In 50 Tagen 5000 Kilometer über den Atlantik gerudert: York Hovest. Bild: Wolfgang Albers

Ein „Höllentrip“: In 50 Tagen 5000 Kilometer über den Atlantik gerudert: York Hovest. Bild: Wolfgang Albers

Eineinhalb Stunden waren schon zuviel für York Hovest. Immer wieder setzte sich der eigentlich so sportlich wirkende 41-jährige Münchner hin, und auch sonst zeigte er sich vergangene Woche im „Museum“ ziemlich platt: um zwölf Kilo abgemagert, und der Vollbart war auch nicht mehr der akkurateste.

Verständlich. York Hovest hat vor einer Woche eine Reise beendet, die er als Höllentrip bezeichnet: In 50 Tagen ist er 5000 Kilometer über den Atlantik gerudert, beim Aussteigen knickten die kraftlosen Beine weg.

Ziel der Tortur war: „Aufmerksamkeit erregen.“ Klappt eigentlich ganz gut: „Die Leute reißen sich um mich.“ Der Terminkalender ist in den nächsten Wochen voll mit Auftritten in Talkshows und auf Vorträgen. Ausgerechnet die Vorpremiere in Tübingen lag aber wohl noch im medialen Schatten. Jedenfalls blieb der „Museums“-Saal zur Hälfte leer, zur Enttäuschung von Heinrich Riethmüller vom Veranstalter Osiander: „Ausgerechnet im grünen Tübingen.“

Denn York Hovests Ozean-Überquerung diente nicht einem weiteren Outdoor-Rekord, sondern seiner Aktion „Helden der Meere“ – ein Multimedia-Projekt aus Buch, Film, Vorträgen und einer Internet-Plattform.

Ein Held sein wollte schon der junge, in Wesel aufwachsende York: „Als Kind habe ich davon
geträumt, Forscher zu werden oder Fotograf für National Geographic.“ Zunächst aber wurde der Sohn einer Französin und des SPD-Landtagsabgeordneten Ludger Hovest Mode-Model, später fotografierte er dann selber am Laufsteg.

Das Honorar sei bescheiden gewesen, und die ganze Szene habe ihn in eine Sinnkrise gestürzt: „Das war so eine Plastik-Welt, das war gar nicht meins.“ Mit 30 schrieb er, aus einer Laune heraus, dem Dalai Lama.

Der hat ihm, gegen jede Voraussage, geantwortet und York Hovest inspiriert zu einer Fotoreportage über Tibet, die schließlich sogar unter der Marke National Geographic publiziert wurde. Der Start in seine jetzige Fotografen-Karriere, wofür er dem Dalai Lama bis in die Anrede hinein dankbar ist: „Ich habe es also seiner Heiligkeit zu verdanken, dass ich meinen Traum heute leben darf. Ich habe ihm erzählt, dass ich National Geographic bewundere, da hat er gesagt: dann mach das doch. So einfach war das.“

Ein Buch über Amazonien folgte, nun also eines zum Thema Meere, auch inspiriert von einer anderen Ikone: „Dieses Mädchen Greta war ein wichtiger Faktor.“ Ihn habe die Frage umgetrieben: „Wie können wir den Meeren helfen?“ Nicht mit einem weiteren Fazit, dass eh schon alles kaputt sei: „Ich wollte die Leute herausstellen, die weltweit an kleinen Stellschrauben zum Besseren drehen.“

Andrew Hewett ist einer seiner Helden. Der Tauchlehrer züchtet in der thailändischen Maya Bay, bekannt aus di Caprios „The Beach“, Korallen und siedelt sie auf künstlichen Riffen an, um wieder Leben in die Wüste der Korallenbleiche zu bringen.

Dann hat York Hovest die Organisation „Sea Shepherd“ begleitet, die in Kooperation mit dem Militär des westafrikanischen Staates Gabun Schiffe kapert, die illegal fischen.

Und er ist, nach Reisen in 78 Länder, an den für ihn schlimmsten Ort gefahren: zu den Plastik-Müllkippen von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince. Aber auch dort sieht er Hoffnung: In der vom Engländer David Katz gegründeten „Plasticbank“, die das Plastik einsammeln lässt und zu Granulat verarbeitet. Und so wiederverwertet: „David Katz spricht bereits mit Ikea und Amazon.“

Aus dem Fotografen Hovest ist ein Aktivist geworden, der von der Vortragsdramaturgie her mitunter mehr von seinem Engagement lebt als von der Abfolge spektakulärer Bilder. Der sich in seinem Helden-Enthusiasmus vielleicht auch manchmal zu undifferenziert fortreißen lässt.

Der aber auch seine Grenzen kennt: „Mir ist bewusst, dass ich weder durch das Buch noch den Film die Ozeane rette.“ Da setzt er eher auf eine technische Lösung: Alle Initiativen will York Hovest auf einer Internet-Plattform (www.heroesofthesea.com) bündeln, um ihnen noch mehr Unterstützung zu sichern. Und Aufmerksamkeit – weshalb er über den Ozean gerudert ist.

Und dann? Für einen Freiberufler wie ihn ist nach dem Projekt vor dem Projekt – dem nächsten. Da hat er schon noch Träume: „ich würde zum Beispiel mal gerne eine Kamelkarawane durch die Sahara begleiten.“ Aber eigentlich ist das nur ein Plan B: „Am liebsten würde ich mal zum Mond mitreisen.“

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Erstellt:
17.02.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 06sec
zuletzt aktualisiert: 17.02.2020, 01:00 Uhr

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