Wohltuende Wende

Leitartikel zu Joe Bidens G7-Mission

Was dieser Tage aus Washington ertönt, müsste Balsam für die Ohren der Europäer sein.

12.06.2021

Von Peter DeThier

Zwei große Figuren, die Joe Biden (l), Präsident der USA, und Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, darstellen sollen, dienen einer Aktion vom NGOs gegen den G7-Gipfel. Foto: Alberto Pezzali/AP/dpa

Zwei große Figuren, die Joe Biden (l), Präsident der USA, und Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, darstellen sollen, dienen einer Aktion vom NGOs gegen den G7-Gipfel. Foto: Alberto Pezzali/AP/dpa

Washington. Vier Jahre lang hatte Donald Trump die Bündnispartner beleidigt, mit einem Austritt aus der Nato kokettiert und war von Gipfeltreffen vorzeitig abgereist. Nun besucht mit Joe Biden ein Präsident Europa, der sich zum Multilateralismus bekennt und bilaterale Beziehungen reparieren will. Auch distanziert er sich mit dem angekündigten Export von 500 Millionen Impfdosen des Vakzins von Pfizer und Biontech von jenem Impfnationalismus, der den USA vorgeworfen wird.

Die Kehrtwende in Washington sollte die EU-Regierungschefs zuversichtlich stimmen. Der versöhnliche Ton kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wichtige Differenzen weiter bestehen. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zu China. Für Bundeskanzlern Angela Merkel, die die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen vertiefen will, war das Investitionsabkommen mit dem Reich der Mitte ein Kernprojekt ihrer Außenpolitik. Nachvollziehbar ist aber auch Bidens Misstrauen gegenüber der aufstrebenden Wirtschaftsmacht.

Schließlich ist kein anderes Land vom Diebstahl geistigen Eigentums, das China auf dem Gewissen hat, so stark betroffen wie es die USA sind. Wie wichtig es Biden ist, im Wettlauf mit Peking verlorenen Boden wettzumachen, unterstreicht das 250 Milliarden teure Gesetz zur Förderung der High-Tech-Industrie, welches der Senat auf Drängen des Präsidenten verabschiedet hat. Ganz im Sinne seines Vorgängers Trump will auch Biden nicht tatenlos zusehen, wie sich die US-Wirtschaft von einem der mächtigsten Handelspartner über den Tisch ziehen lässt. Wie rabiat er vorzugehen bereit ist, das zeigt sich schon daran, dass die US-Handelsbeauftragte betont hat, eine Aufhebung der Stahl- und Aluminiumzölle für Europa erst dann zu erwägen, wenn man eine gemeinsame Linie gegenüber China gefunden hat.

Biden wird auch, ähnlich wie Trump, auf einer gerechteren Lastenteilung innerhalb der Nato beharren. Der Präsident will durchsetzen, dass das westliche Bündnis China auch mit militärisch vereinten Kräften gegenübertritt. Merkel und Biden werden zwar mit Nachdruck die tiefe, traditionsreiche Beziehung zwischen den USA und Deutschland betonen. Die unterschiedlichen Haltungen zum Umgang mit Peking werden aber schwer schönzureden sein.

Gewiss gibt es auch vielversprechende Ansätze. In Sachen Klimawandel zieht das Weiße Haus mit der EU ebenso an einem Strang wie im Kampf gegen Cyberattacken. Auch verurteilen Washington und Brüssel Moskaus Umgang mit dem Regimekritiker Alexej Nawalny. So gesehen bildet das bilaterale Treffen mit Präsident Wladimir Putin den Höhepunkt von Bidens Europareise. Das Timing von Putins Verbot der Nawalny-Organisationen war sicherlich kein Zufall, aber die Reaktion der USA wird deutlich anders sein als unter Trump: Der neue US-Präsident wird sich nicht von seinem russischen Pendant zum Narren halten lassen.

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Erstellt:
12.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 12.06.2021, 06:00 Uhr

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