Regionale Unternehmen

Wirtschafts-Angst: „Toxische Mischung aus Kriegen und Krisen“

Mehr verunsicherte Unternehmen, weniger Investitionen: Der aktuelle Index zum Konjunkturklima der IHK deutet verhaltene Krisenstimmung an.

23.10.2023

Von ST

Viele Tübinger Industriebetriebe sind in Derendingen angesiedelt. Auch sie beobachten die aktuelle Situation aufmerksam. Bild: Ulrich Metz

Viele Tübinger Industriebetriebe sind in Derendingen angesiedelt. Auch sie beobachten die aktuelle Situation aufmerksam. Bild: Ulrich Metz

Die regionale Wirtschaft schwächelt: Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer. Zugleich machen die Wirtschaftsfachleute von der regionalen Zentrale aber auch verhalten Mut: „Von einem Abschwung in der Breite sind wir aber deutlich entfernt“, sagt etwa der IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Epp.

Der IHK-Konjunkturklimaindex, der Lage und Erwartungen der hiesigen Unternehmen abbildet, steht nach der jüngsten Umfrage bei 101 Punkten und verliert gegenüber dem Frühsommer 18 Zähler. Er bleibt damit indes über der 100er-Marke, bei der sich positive und negative Antworten die Waage halten.

Nur noch 38 Prozent der befragten Unternehmen finden ihre wirtschaftliche Situation „gut“ (minus 8 Prozent im Vergleich zum Frühsommer). Deutlicher ist die Veränderung bei Erwartungen für die nächsten zwölf Monate: Dort nehmen die Pessimisten zu – von 20 auf 36 Prozent. „Die toxische Mischung aus Kriegen und Krisen setzt der Weltkonjunktur weiter zu. Das kommt auch bei uns an. Die heimischen Unternehmerinnen und Unternehmer werden von der deutschen Politik verunsichert“, sagt Epp.

Handlungsbedarf sehen die regionalen Betriebe vor allem bei den Themen Energie, Bürokratie und Migration. „Die Preise für Energie müssen für die Betriebe wieder bezahlbarer werden und bei Genehmigungen muss es viel schneller gehen. Die Verwaltung muss ihre vorhandenen Ermessensspielräume zugunsten der Wirtschaft nutzen“, findet Epp. Viele Probleme in Deutschland seien aus seiner Sicht hausgemacht. Dabei könne das Land nicht in allem Vorreiter für die Welt sein – „weder beim Lieferkettengesetz noch beim Klimawandel.“

Zurückhaltung macht die IHK-Umfrage etwa bei den geplanten Investitionen im Inland aus: 28 Prozent der Firmen wollen weniger investieren. Das ist eine Zunahme von 9 Punkten gegenüber dem Frühjahr. Mit zunehmenden Investitionen planen 23 Prozent, ein Minus von 8 Punkten zum Frühjahr. 16 Prozent der Firmen wollen gar nicht investieren. Dieser Wert stieg um 4 Punkte. „Diese Zurückhaltung ist der Stimmung in Deutschland geschuldet. Die bestehenden Probleme werden nicht oder nur sehr langsam bewältigt. Mit diesem Eindruck fühlen sich die Unternehmen nicht motiviert, bei uns zu investieren“, sagt Epp. Wenn die Wirtschaft investieren will, liegen Digitalisierung, Umweltschutz und Energieeffizienz sowie Innovationen direkt hinter dem Ersatzbedarf als wesentliches Motiv.

Auch bei Exportabsichten regiert Pessimismus: Unternehmen im Außenhandel erwarten fallende Umsätze (Frühjahr: 17), 24 Prozent erwarten eine Steigerung (Frühjahr: 31). Gleichwohl ist die Export-Quote mit zuletzt 59,1 Prozent auf Rekordniveau. „Laut Umfrage verliert die Euro-Zone deutlich und auch Asien geht etwas zurück“, sagt IHK-Konjunkturexpertin Antonia Hettinger. Die vorsichtigen Erwartungen im Außenhandel gehen einher mit rückläufigen Auftragseingängen, zeigt die IHK-Umfrage: Nur 16 Prozent der Firmen erwarten steigende Aufträge (Frühjahr: 24). Dem gegenüber stehen 43 Prozent, die sinkende Zahlen kommen sehen (Frühjahr: 29).

Die Beschäftigung wird in den kommenden zwölf Monaten abnehmen. 28 Prozent der Firmen erwarten eine fallende Zahl an Mitarbeitern. Lediglich 15 Prozent wollen ihre Beschäftigtenzahl in Jahresfrist steigern. Im Frühjahr lag das Verhältnis noch bei 22 zu 16 zugunsten des Beschäftigungsaufbaus.

Dabei bleibt der Fachkräftemangel bei der Frage nach den größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung mit 60 Prozent weiter auf Platz zwei – hinter einer sinkenden Inlandsnachfrage mit 63 Prozent. 44 Prozent der Befragten sagen, dass sie offene Stellen derzeit nicht besetzen können, weil sie die passenden Fachkräfte nicht finden. „Die Betriebe sollten alles tun, um ihre Fachkräfte zu halten. Nur mit dem Know-how und der Tatkraft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können wir die jetzige Situation absehbar wieder positiv wenden“, so Epp.

384 Unternehmen beteiligt

Die Umfrage der Industrie- und Handelskammer zur Konjunktur findet dreimal im Jahr statt. An der aktuellen Umfrage hat sich eine repräsentative Auswahl von 384 Unternehmen der Region aus den Bereichen Industrie und Bau (173), Groß- und Einzelhandel (95) sowie dem Dienstleistungen (116), darunter Betriebe aus dem Hotel- und Gaststätten- sowie dem Kredit- und Versicherungsgewerbe beteiligt. Die Umfrage lief bis zum 9. Oktober. Der vollständige Bericht steht auch im Internet unter www.ihkrt.de/

konjunktur .

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Erstellt:
23.10.2023, 17:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 23.10.2023, 17:00 Uhr

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