Teamviewer

„Wir werden viel mehr aus der Ferne tun“

Das MDax-Unternehmen verbindet weltweit Geräte und Maschinen. Ein Gespräch mit einem Mann, der die Spielregeln des Wirtschaftens verändert: Vorstandschef Oliver Steil.

19.12.2020

Von SUSANN SCHÖNFELDER-KUHN UND ALEXANDER BÖGELEIN

Vorstandschef Oliver Steil: Die Software von Teamviewer bringt die Digitalisierung in den Betrieben voran. Foto: Giacinto Carlucci

Vorstandschef Oliver Steil: Die Software von Teamviewer bringt die Digitalisierung in den Betrieben voran. Foto: Giacinto Carlucci

Göppingen. Teamviewer zählt zu den wirtschaftlichen Überfliegern des Jahres. „Digitalisierung, Automatisierung und Homeoffice waren zuvor schon relevante Themen in Unternehmen. Genauso Kollaboration oder Technik-Support aus der Ferne“, sagt Vorstandsvorsitzender Oliver Steil. Die Pandemie habe nur vieles beschleunigt. Weltweit verbindet die 15 Jahre alte Göppinger Software-Schmiede Geräte in Unternehmen – von Smartphones über Laptops bis zu Industrierobotern. Damit lassen sich diese aus der Ferne steuern – so als säße man davor. Das ist bereits eine Erfolgsgeschichte. Doch Steil ist überzeugt: „Teamviewer hat das Potenzial, ein großes Unternehmen zu werden.“

Herr Steil, was ist ihr Erfolgsrezept?

Oliver Steil: Wir haben eine sehr einfache, aber leistungsfähige Lösung entwickelt. Sie installieren eine Software und können damit einen relativ großen Funktionsumfang abbilden. Wenn Sie sich für Teamviewer entscheiden, können Sie die Software über das gesamte Unternehmen ausrollen. Wenn alle Geräte und Maschinen miteinander verbunden sind, ergeben sich unzählige Anwendungsmöglichkeiten für die Digitalisierung von Prozessen.

Wie zum Beispiel?

Service-Techniker müssen nicht mehr rausfahren, sondern können Kunden und Mitarbeitern aus der Ferne helfen und Konfigurationen anpassen. Die Vielseitigkeit unserer Software ist das Erfolgsrezept, verbunden mit unserer Firmenkultur. Die ist sehr unternehmerisch und von großem Engagement der Mitarbeiter geprägt.

Sie wurden vom Manager-Magazin für 2020 mit 41 Millionen Euro zum bestverdienenden Manager gekürt?

Das ist nur halb richtig. Dabei ging es um ein Beteiligungsprogramm des damaligen Alleineigentümers Permira. Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit einen substanziellen Betrag in Teamviewer investiert und bin somit ins unternehmerische Risiko gegangen. Der realisierte Erlös aus diesen privaten Investitionen spiegelt die erfolgreiche Entwicklung von Teamviewers Geschäft und den Anstieg der Unternehmensbewertung seither wider. Mein Gehalt und mein Bonus sind im Rahmen mit dem, was in anderen MDax-Unternehmen gezahlt wird. Das kann man im Geschäftsbericht nachlesen.

Ihr Geschäft ist lukrativ. Wenige Unternehmen haben eine operative Rendite von 40 Prozent.

Software und Technologie sind insgesamt Basis für sehr lukrative Geschäftsmodelle. Unsere Software ist cloudbasiert, wir entwickeln in Europa und können das Geschäft sehr gut skalieren.

Woran liegt das?

Teamviewer hat sich früh entschieden, die Software Privatkunden kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das führt zu einer hohen Markenbekanntheit und sehr vielen Nutzern, die Feedback geben. Das wiederum hilft, das Produkt zu verbessern. Das ist einer von vielen Faktoren, die unser Modell einzigartig machen.

Und dann ist da noch die strategische Ausrichtung.

Ja, wir haben die richtigen Themen gesetzt, etwa die Erweiterung in den asiatischen Raum, weitere Investitionen in den USA und neue Anwendungsfälle. Teamviewer hat fast unendliche Wachstumspotenziale.

Welche Anwendungen sind das?

Ein Schwerpunkt ist Augmented Reality – also die Erweiterung der Realität durch zusätzliche Informationen und Einblendungen. Bisher haben diese Anwendungen noch keinen großen Umsatzanteil. Aber sie sind innovativ und geben Unternehmen die Möglichkeit, noch intensiver darüber nachzudenken, welche Prozesse sie digitalisieren wollen und können. Darüber hinaus haben wir uns mit zusätzlichen Lösungen erfolgreich in Richtung Großkunden orientiert.

Sie haben den Wearable-Software-Spezialisten Ubimax gekauft. Folgen weitere Zukäufe?

Das will ich nicht ausschließen. Durch die Börsennotierung haben wir einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten und sind viel präsenter. So haben wir die Möglichkeit zu schauen, ob wir weitere Technologie-Zukäufe tätigen wollen. Ubimax ist Spezialist dafür, IT für Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, die beispielsweise in der Produktion, im Service oder im Lager arbeiten. Das findet häufig auf einer Datenbrille statt, kann aber auch per Smartphone oder Tablet geschehen.

Wie steht es um die Digitaliserung der deutschen Wirtschaft?

Es gibt innerhalb jeder Branche, diejenigen, die sehr weit vorne sind. Dabei spielt die Größe des Unternehmens keine Rolle. Es gibt auch Kleinunternehmen oder Mittelständler, die sich gute Lösungen ausgedacht haben. Genauso gibt es viele Unternehmen, die in diesem Bereich noch nicht aktiv geworden sind.

Wo stehen wir im Ländervergleich?

China ist sehr weit. Dort wird bereits jetzt sehr digital gearbeitet, auch im öffentlichen Sektor. Deutschland würde ich im guten Mittelfeld vermuten. Es gibt andere Industrienationen, die stärkeren Nachholbedarf haben in Bezug auf die Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Dazu gehört beispielsweise Japan, auch wenn man das Land insgesamt mit Consumer Electronics und Technologie assoziiert. In Deutschland ist vor allem der öffentliche Sektor nach wie vor schwach aufgestellt, was Digitalisierung angeht.

Wie sehen Sie die Daten-Infrastruktur in Deutschland?

Dass die Glasfaseranbindung in manchen Gegenden besser sein könnte, darüber sind wir uns alle einig. Jetzt steht die flächendeckende Versorgung mit dem Mobilfunkstandard 5G in den Startlöchern, die nochmal einen großen Digitalisierungssprung ermöglichen würde. Allerdings gibt es beim Thema Infrastruktur zwei Seiten einer Medaille.

Wie meinen Sie das?

Die Unternehmen müssen eine Glasfaseranbindung wollen und die Telekommunikationsanbieter müssen diese bereitstellen – was sie sicher gerne tun würden. An gewissen Stellen fehlt vielleicht die Förderung. Aber – auch wenn es Luft nach oben gibt – ist die Infrastruktur in den meisten Fällen nicht der limitierende Faktor.

Sie denken weit voraus – wie wird sich das Arbeiten verändern?

Ortsunabhängiges Arbeiten ist eine Entwicklung, die unheimlich an Dynamik gewonnen hat. In den nächsten Jahren wird dies in die Breite gehen. Sprich: Wir werden sehr viel mehr aus der Ferne tun können. Es wird eine Mischung aus Präsenz im Büro und leistungsfähigem Arbeiten von zuhause geben.

Wie schwierig ist es, IT-Fachkräfte nach Göppingen zu bekommen?

Das funktioniert gut. Da wir Software und Hightech entwickeln, sind wir bei Softwareentwicklern sehr beliebt. Wir ziehen auch viele Fachkräfte aus dem europäischen Ausland an, die es spannend finden, in Deutschland zu arbeiten. Wir sind ein sehr diverses Team mit vielen Nationalitäten. Die Unternehmenssprache ist Englisch. Man kann sich auch sehr wohlfühlen, wenn man aus dem Ausland kommt und kein Wort Deutsch spricht. Durch den Börsengang und den MDax haben wir nochmal einen großen Push bekommen.

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Erstellt:
19.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 57sec
zuletzt aktualisiert: 19.12.2020, 06:00 Uhr

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