Frank Elstner und Jens Volkmann

Parkinson: „Wir können diese Krankheit stoppen“

Der an Parkinson erkrankte „Wetten dass..?“-Erfinder und der Neurologe setzen sich gemeinsam für mehr Aufklärung über das Leiden ein. Ein Gespräch über Behandlungsmethoden, fehlende Forschungsgelder und die Frage der richtigen inneren Haltung.

06.11.2021

Von Jan Draeger

„Ich würde keine große Show mehr moderieren wollen“, sagt „Wetten dass..?“-Erfinder Frank Elstner. Fotos: Daniel Bockwoldt/dpa/Mario Schmitt

„Ich würde keine große Show mehr moderieren wollen“, sagt „Wetten dass..?“-Erfinder Frank Elstner. Fotos: Daniel Bockwoldt/dpa/Mario Schmitt

Berlin. Etwa 350 000 Menschen in Deutschland leiden unter Parkinson. Ihre Muskeln werden steif. Sie haben Schmerzen. Die Hände zittern. Den Körper aufrecht zu halten, fällt zunehmend schwerer. Betroffen von dieser Krankheit ist auch Fernsehmoderator und „Wetten, dass..?“-Erfinder Frank Elstner. Für den 79-Jährigen ist der Kampf gegen Parkinson zu seiner Mission geworden. Gemeinsam mit dem Neurologen Jens Volkmann hat er die Parkinson-Stiftung ins Leben gerufen und jetzt das Buch „Dann zitter ich halt“ veröffentlicht.

Herr Elstner, seit fünf Jahren wissen Sie, dass Sie Parkinson haben. Hat die Krankheit Sie verändert?

Elstner: Ich glaube nicht. Ich komme mit der Krankheit bisher gut zurecht. Wenn ich morgens aufstehe, sage ich mir nicht: „Ich armer Kerl, ich habe Parkinson.“ Sondern: „So, jetzt wollen wir mal sehen, wie wir mit dem Parkinson wieder klar kommen.“

Wie äußert sich Parkinson bei Ihnen?

Elstner: Meine Bewegungen sind ein bisschen langsamer geworden. In meinem Leben bin ich immer sehr viel gewandert, heute kriege ich schon nach einer Stunde einen leicht schiefen Rücken. Mein Gehbild ist das eines Parkinson-Kranken und nicht das eines Gesunden. Ich habe einen Rechtshang, gehe halt wie ein alter Mann (lacht).

Parkinson soll auch den Schlaf beeinflussen und zu Störungen führen können…

Elstner: Das ist bei mir ein großes Problem. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das immer was mit Parkinson zu tun hat. Schlecht schlafen ist schon seit Jahrzehnten Teil meines Lebens. Ich habe alles Mögliche ausprobiert, von Baldrian bis zu Guru-Methoden. Ich bin halt ein unruhiger Mensch. Mir fällt es schwer, gut zu schlafen.

Herr Volkmann, Frank Elstner spürte Anzeichen der Krankheit schon seit rund 20 Jahren, war bei verschiedenen Ärzten. Erkannt wurde sie aber erst 2016. Warum hat das so lange gedauert?

Volkmann: Es ist gar nicht so selten, dass die Erkrankung sehr verzögert diagnostiziert wird. Einfach, weil sie so viele verschiedene Gesichter hat. Das eigentliche Kernsymptom, die Bewegungsverlangsamung, wird nicht bei allen Patienten gleich am Anfang richtig erkannt. Oder auch die Zittervarianten der Parkinson-Krankheit – sie sind manchmal, wenn die charakteristische Bewegungsverlangsamung fehlt, schwer von anderen Zittervarianten abzugrenzen.

Sie diagnostizieren bei Herrn Elstner „Parkinsönchen“. Was heißt das?

Volkmann: Er hat relativ wenig Bewegungsverlangsamung. Das ist eigentlich der Teil der motorischen Beschwerden, der die meisten Einschränkungen im Alltag mit sich bringt. Er hat ein Zittern, das nach außen hin sichtbar, aber nicht so furchtbar ausgeprägt ist. Bislang hat er Glück, dass er noch wenig betroffen ist.

Elstner: Das mag vielleicht daran liegen, dass ich immer so viel Sport gemacht habe. Ich bin ja zum Beispiel fast tausend Kilometer auf dem Jakobsweg gelaufen.

Wie wichtig ist Sport für Parkinson-Patienten?

Volkmann: Sehr wichtig. Weil es eine Krankheit ist, die das Bewegungssystem betrifft. Durch Sport kann man eine gewisse Reserve aufbauen und damit auch den Parkinson-Symptomen entgegenbauen. Sportarten, die helfen können, sind beispielsweise Tai Chi und Qigong. Untersuchungen haben ergeben, dass sie sogar besser als die konventionelle Krankengymnastik abschneiden.

Trifft Parkinson hauptsächlich ältere Menschen?

Volkmann: Dass es nur ältere Menschen trifft, ist ein Irrglaube. Das mittlere Erkrankungsalter liegt um das 60. Lebensjahr. Aber zehn Prozent erkranken vor dem 40. Lebensjahr. Das ist dann eine Gruppe, die besonders betroffen ist, weil sie ein sehr langes Leben mit der Erkrankung meistern muss.

Herr Elstner, wie haben Sie sich nach der Diagnose Parkinson gefühlt?

Elstner: Ich bin runtergegangen zu meinem Fahrer, der gleichzeitig mein Assistent und Freund ist, und habe gesagt: „Scheiße, ich habe Parkinson.“ Wir sind erstmal ein bisschen rumgefahren, um mich zu beruhigen. Dann habe ich meine Frau angerufen und gesagt: „Pass auf, ich habe Parkinson. Wir müssen in Zukunft ein bisschen Rücksicht auf die Umstände dieser Krankheit nehmen.“ Sie und meine Kinder gehen wunderbar damit um. Sie nehmen Rücksicht.

Beim Ausfüllen von Autogrammkarten hatten Sie erstmals gemerkt, dass Ihre Schrift zittriger wurde. Wie schlimm war das für einen Menschen, der so in der Öffentlichkeit steht?

Elstner: Mit den entsprechenden Medikamenten erlebe ich mittlerweile einige Stunden am Tag, wo ich wunderbar schreiben kann.

Professor Volkmann hat Ihnen nach der Diagnose Mut gemacht. Wie ist ihm das gelungen?

Elstner: Indem er mir klipp und klar gesagt hat: Du wirst nicht an Parkinson sterben. Das ist keine tödliche Krankheit. Du wirst mit Parkinson sterben. Und jetzt streng dich an und versuche, vernünftig zu leben.

Herr Volkmann, kommt Parkinson bei Männer und Frauen gleich oft vor?

Volkmann: Männer sind häufiger betroffen, etwa im Verhältnis 2:1.

Weiß man, woran das liegt?

Volkmann: Die epidemiologischen Gründe sind unklar.

Können Sie erklären, warum Parkinson in ländlichen Gebieten häufiger auftritt als in der Stadt?

Volkmann: Das wurde mit dem Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft in Zusammenhang gebracht. Bestimmte Giftstoffe können in hohen Konzentrationen Parkinson auslösen. Sie sind aber heute nicht mehr im Einsatz. Wie das Paraquat, das inzwischen verboten ist.

Die Zahlen der an Parkinson Erkrankten sollen steigen. Droht eine Parkinson-Pandemie?

Volkmann: Kollegen aus Amerika haben kürzlich ein Buch dazu veröffentlicht: Wie man die Parkinson-Pandemie verhindern kann. Die Zahlen steigen, sie steigen auch überproportional zur Alterung der Bevölkerung. Was nahe legt, dass es Umweltfaktoren gibt, die neurodegenerative Erkrankungen anheizen. Das gilt ja auch für Alzheimer. Und die Kosten steigen auch. Wir geben in Deutschland für Versorgung, Pflege und Verdienstausfälle durch neurodegenerative Erkrankungen etwa 85 Milliarden Euro pro Jahr aus. Da muss man sich fragen: Wäre es nicht sinnvoll, einen kleinen Teil dieses Geldes in die Forschung zu stecken? Das ist ein großes Anliegen unserer Stiftung.

Mit Frank Elstner haben Sie 2019 die Parkinson-Stiftung gegründet, jetzt das Buch „Dann zitter ich halt“ veröffentlicht – und Sie beide sind Freunde geworden. Eigentlich vertraut ja der Patient dem Arzt. Vertraut hier auch der Arzt dem Patienten?

Volkmann: Ja, natürlich, wir haben eine gemeinsame Mission. Wir wollen die Forschung für die Parkinson-Krankheit weiterbringen. Wir wollen Gelder einwerben, um einer Heilung oder einer krankheitsverlangsamenden Behandlung näher zu kommen. Das ist ein gemeinsamer Wunsch, und insofern vertrauen wir auch gegenseitig auf unsere Stärken und Fähigkeiten.

Herr Elstner, ist Ihr Engagement eine Form von Therapie für Sie?

Elstner: Natürlich. Hinzu kommt aber: Wir haben ja alle erlebt, wie man auf Covid reagiert hat. Wenn wir jetzt mehr Kohle hätten, um die Grundlagenforschung für Parkinson zu aktivieren, dann bin ich ganz sicher, dass wir ein Mittel finden werden, das diese Krankheit stoppen kann.

Der Arzt James Parkinson, der die Krankheit entdeckt hat, lebte vor mehr als 200 Jahren. Und bis heute ist Parkinson nicht heilbar...

Volkmann: Wir verstehen aber besser, was in den Nervenzellen schief läuft. Bei Parkinson-Patienten, dass sie vorzeitig absterben. Trotzdem gibt es nicht ein einziges Medikament, das diesen Prozess aufhalten könnte. Wir überlassen diese Art von Forschung, der Medikamentenentwicklung, überwiegend den Pharmafirmen, die gucken natürlich immer nach der Kommerzialisierung. Aber Parkinson ist keine so häufige Erkrankung, dass sich Behandlungsansätze für die Pharmaindustrie immer kommerziell lohnen; und die Risiken, dass ein Medikament aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf den Markt kommt, sind sehr hoch.

Sie empfehlen das Einsetzen eines Hirnschrittmachers. Was spricht dafür?

Volkmann: Parkinson-Kranken fehlt ein bestimmter chemischer Überträgerstoff im Gehirn, das Dopamin. Das kann man durch Tabletten ersetzen und stimulieren. Das Problem ist aber, dass das Dopaminsystem im Gehirn sehr weit verteilt ist, und nur ein bestimmter Teil von der Parkinson-Krankheit betroffen ist. Der, der die Bewegung regelt. Deshalb kommt es bei der Medikamentenbehandlung in anderen Bereichen häufig zu Überdosierungen und entsprechenden Nebenwirkungen. Der Hirnschrittmacher kann die chemische Stimulation ersetzen und eine kontinuierliche Reizung dieses Netzwerkes auf elektrischem Wege erreichen. Der Vorteil ist: dass man bestimmte Nebenwirkungen wieder zurückfahren kann. Die Risiken, dass bei den Eingriffen ein bleibender schwerer neurologischer Schaden auftritt, liegen bei unter einem Prozent.

Herr Elstner, der amerikanische Schauspieler Michael J. Fox ist jahrelang mit seiner Parkinson-Erkrankung offen umgegangen und damit in Serien wie „Good Wife“ aufgetreten. Braucht es auch in Deutschland mehr Mut, um diese Krankheit ins Bewusstsein zu rücken? Gerade von Prominenten?

Elstner: Ich habe mich mit ein paar Kollegen, die ebenfalls diese Krankheit haben, ausgetauscht. Und ich glaube, dass jeder von denen gerne bereit ist, mitzutrommeln: Tut was für die Wissenschaft, tut was für die Parkinson-Kranken.

An diesem Samstag wird Thomas Gottschalk wieder einmal „Wetten, dass..?“ präsentieren. Den Showklassiker, den Sie erfunden haben. Juckt es Sie manchmal, selbst wieder auf die „Wetten, dass..?“-Bühne zu gehen?

Elstner: Ich bin vom ZDF und von Thomas eingeladen worden, zu dieser Sendung zu kommen. Das mache ich natürlich mit großer Neugier und freue mich drauf. Aber ich selber würde keine große Show mehr moderieren wollen. Ich glaube, es gibt Gesichter, die man eines Tages genug gesehen hat. Und dazu zählt meins bestimmt.

In Ihrem Buch haben Sie den Schauspieler und Kabarettisten Ottfried Fischer, der auch an Parkinson leidet, gefragt, ob es etwas gäbe, was er nochmal gern machen würde. Er sagte, er würde gern nochmal richtig springen können. Was würden Sie gern noch einmal machen?

Elstner: Vor Kurzem habe ich mit einem meiner besten Freunde Tennis gespielt und selber so schlecht gespielt, wie lange nicht mehr. Also ich würde mich freuen, wenn ich gegen den mal wieder einen Satz gewinnen könnte.

Frank Elstners Buch: „Dann zitter ich halt. Leben trotz Parkinson“

Frank Elstner (79) wuchs in Baden-Baden und Rastatt auf. Große Bekanntheit erlangte er durch die Samstagabendshow „Wetten, dass..?“, die er erfunden hat und von 1981 bis 1987 moderierte. Weitere Formate folgten. Seit April 2019 interviewt Elstner in der Reihe „Wetten, das war’s..?“ auf YouTube und Netflix Prominente wie Klaas Heufer-Umlauf, Lena Meyer-Landrut oder Helene Fischer. Elstner ist in dritter Ehe verheiratet und hat fünf Kinder.

Jens Volkmann (54) leitet die Neurologische Universitätsklinik in Würzburg. Die Erforschung und Behandlung der Parkinson-Krankheit ist seit vielen Jahren Schwerpunkt seiner Arbeit. Gemeinsam mit Frank Elstner hat er das Buch „Dann zitter ich halt. Leben trotz Parkinson“ (Piper) geschrieben.

Jens Volkmann Neurologe Mario Schmitt

Jens Volkmann Neurologe Mario Schmitt

Zum Artikel

Erstellt:
06.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 6min 09sec
zuletzt aktualisiert: 06.11.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!