Tübingen · Berufsweg

Wie wird man eigentlich Journalistin oder Journalist?

Manche machen ein Praktikum bei einer Zeitung. Andere besuchen eine Journalistenschule, volontieren oder sind freie Mitarbeitende. Der Weg in den Journalismus ist nicht so klar vorgezeichnet wie bei anderen Berufen – und kann daher sehr unterschiedlich sein. Hier stellen wir vor, wie und warum (Ex)-Tübingerinnen und -Tübinger den Journalismus zum Beruf gemacht haben und welche Stationen sie durchlaufen haben.

02.05.2023

Von Carolin Albers

Joachim Hentschel (Freier Journalist und Redakteur), Sophie Holzäpfel (Freie Mitarbeiterin beim TAGBLATT), Moritz Hagemann (Redaktionsleiter NECKAR-CHRONIK), Wolfgang Bauer (Reporter bei der ZEIT), Verena Müller (Freie Fotografin) und Anna Clauß (Ressortleiterin beim SPIEGEL). Bilder: Julia Rotter, Uhland2, Privat, Dominik Wolfram/PicturePeople, Andy Spyra

Joachim Hentschel (Freier Journalist und Redakteur), Sophie Holzäpfel (Freie Mitarbeiterin beim TAGBLATT), Moritz Hagemann (Redaktionsleiter NECKAR-CHRONIK), Wolfgang Bauer (Reporter bei der ZEIT), Verena Müller (Freie Fotografin) und Anna Clauß (Ressortleiterin beim SPIEGEL). Bilder: Julia Rotter, Uhland2, Privat, Dominik Wolfram/PicturePeople, Andy Spyra

Die Tübingerin Anna Clauß (früher Kistner) machte 2001 Abitur an der Geschwister-Scholl-Schule (GSS). Das Interesse für Journalismus entdeckte sie während ihres Studiums in Passau. Sie trat dort auf Poetry-Slams auf und schrieb Artikel für die Passauer Lokalzeitung. Nach dem Diplom als Kulturwirtin bewarb sich Clauß an der Deutschen Journalistenschule in München. Die Ausbildung in den Bereichen Print, Radio, Online und Fernsehen dauerte zwei Jahre – danach bot ihr die Süddeutsche Zeitung einen Job als Redakteurin an. Als 30-Jährige wurde sie vom Nachrichtenmagazin Spiegel abgeworben, das weibliche Verstärkung im Münchner Büro suchte. Anfangs schrieb die heute 41-Jährige Reportagen aus dem süddeutschen Raum, zum Beispiel auch über das kostenlose Busangebot in Tübingen – der Titel des Textes „Schokolade für alle“ hängt bis heute an der Pinnwand neben ihrem Büroschreibtisch in München. Inzwischen arbeitet Clauß als Leiterin des Ressorts „Meinung und Debatte“ beim Spiegel. Zudem hat sich die Schwäbin, deren Eltern immer noch in Tübingen leben, einen Ruf als CSU-Expertin und Söder-Kontrahentin erworben, als die sie auch immer wieder in Talkshows von „Markus Lanz“ bis „Maybritt Illner“ auftritt. 2021 ist ihr erstes Buch „Söder – die andere Biographie“ erschienen.

Moritz Hagemann

„Gerade der Lokaljournalismus bedeutet den Menschen viel“, sagt Moritz Hagemann. Das merke er schon bei ersten Begegnungen in Horb am Neckar – dort ist er seit April Redaktionsleiter der NECKAR-CHRONIK, die zum Verlag des SCHWÄBISCHEN TAGBLATTs gehört. Der 32-Jährige ist schon lange im Lokaljournalismus tätig und hat beim TAGBLATT einige Stationen durchlaufen: Angefangen hat er im Jahr 2008 als freier Mitarbeiter in der Sportredaktion. „Der Sport ist eine unfassbar gute Schule. Zum einen, weil Sport immer aktuell sein muss, aber auch, weil man im Sport mit vielen unterschiedlichen Personen aus allen Gesellschaftsschichten zu tun hat“, sagt der Tübinger. Das lernte er auch, als er Praktikant im Regionalsport der Süddeutschen Zeitung war. Auch sein Studium der angewandten Medien in München und im sächsischen Mittweida drehte sich um Sport, der Schwerpunkt war: Sportjournalismus und Sportmanagement. 2014 kehrte er nach Tübingen zurück und begann 2016 ein Volontariat beim TAGBLATT. Der Bezug zu der Zeitung war nicht nur durch seine Zeit als freier Mitarbeiter da – sein Vater arbeitet schon seit Jahrzehnten in der Anzeigenabteilung. „So war immer ein Interesse da“, sagt er. Nach seinem Volontariat wurde Hagemann als Redakteur mit Schwerpunkt regionale Wirtschaft übernommen, 2019 wechselte er in die Online-Redaktion. Seit April leitet er die NECKAR-CHRONIK.

Verena Müller

Die Fotografin Verena Müller ist 1984 in Tübingen geboren und in Hechingen aufgewachsen. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Fotografin in einem klassischen Porträtstudio. Es folgte ein Praktikum bei der Reportage-Agentur Zeitenspiegel in Weinstadt. Danach ging sie nach Hannover, um dort Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule zu studieren. Ihr Praxissemester machte sie bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, für die sie sechs Monate als Redaktionsfotografin beschäftigt war. Seit über zehn Jahren arbeitet die 38-Jährige als freiberufliche Fotografin für Zeitungen und Magazine wie zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung, die Zeit und den Stern. Verena Müller lebt in Stuttgart.

Joachim Hentschel

Das Interesse am Publizieren war bei Joachim Hentschel (1969 geboren und bei Ulm aufgewachsen) immer schon groß: Als Kind produzierte er Radiosendungen mit einem Kassettenrekorder und machte mit einer Schreibmaschine und Buntstiften seine eigenen Zeitungen und Zeitschriften. Hentschel machte jedoch nie ein Zeitungs-Praktikum. „Das kam mir immer wie ein elitärer Klub vor, zu dem ich keinen Zugang hatte“, sagt er – trotzdem wurde er später Journalist. Während des Lehramtsstudiums in Tübingen und einem Praxisjahr in England merkte er: „Das Unterrichten war doch langweiliger als gedacht.“ Also arbeitete Hentschel bei einer PR-Agentur in Stuttgart als freier Mitarbeiter. Gleichzeitig bewarb er sich beim TAGBLATT als freier Mitarbeiter. Als sein erster Artikel erschien, war er 26 Jahre alt. 2000 bekam er das Angebot, ein Volontariat beim TAGBLATT zu machen. Danach bot ihm die Zeitschrift Rolling Stone eine Stelle an. Parallel dazu arbeitete er als freier Mitarbeiter unter anderem für die FAZ, Vanity Fair und die Süddeutsche Zeitung. 2008 wurde er Redakteur beim Männermagazin GQ, 2010 stellvertretender Chefredakteur beim Rolling Stone. Später wechselte er als Redakteur zur Wirtschaftszeitschrift Business Punk, 2014 wurde er stellvertretender Chefredakteur des Computermagazins Wired. Seit 2020 ist er als freier Journalist und Redakteur tätig und lebt in Berlin.

Sophie Holzäpfel

Dass sie schreiben wollte, wusste Sophie Holzäpfel schon früh – nur nicht, wie sie es anpacken sollte. Erst einige Jahre später bekam sie in ihrem Studium in „Integrated Media“ an der Universität Oldenburg Einblicke in den Journalismus. „Meine Dozentin, die freiberuflich als Journalistin arbeitete, riet uns, praktische Erfahrungen zu sammeln, rauszugehen, und zu schreiben“, sagt die 26-Jährige. Diesem Rat folgend bewarb sich Sophie Holzäpfel im November 2021 als freie Mitarbeiterin beim TAGBLATT – und bekam ihren ersten Auftrag: einen Artikel über die Vorführung einer Dreschmaschine zu schreiben. Dadurch lernte sie etwas über die landwirtschaftliche Arbeit in den 1950er und 1960er Jahren. Ein Thema, womit sie sich vorher noch nie beschäftigt hatte. „Es fühlte sich ein bisschen so an, als öffne sich die Tür einer mir unbekannten Welt einen Spalt weit und ich hatte die Möglichkeit, hineinzusehen. Dieses Gefühl hält bis heute an“, sagt Sophie Holzäpfel. Seit sie freie Mitarbeiterin für das TAGBLATT ist, lerne sie Tübingen – wo sie aufgewachsen ist – nochmal ganz neu kennen.

Wolfgang Bauer

Der Zeit-Reporter und Krisenberichterstatter Wolfgang Bauer begann seine journalistische Karriere ebenfalls beim TAGBLATT. Dort fing er – parallel zu seinem Studium in Islamistik, Geographie und Geschichte in Tübingen – 1994 als freier Mitarbeiter an. Seinen ersten Artikel schrieb er über die Mediatisierung der Reichstadt Reutlingen, ein weiterer früherer Beitrag ging um das Fixen auf Reutlinger Spielplätzen. Ende 1995 begleitete der gebürtige Hamburger mit dem damaligen TAGBLATT-Fotografen Andreas Lobe einen Spenden-Transport der Caritas nach Bosnien, um über die Lage nach dem Bosnienkrieg zu schreiben – sein erster Berührungspunkt mit Kriegsberichterstattung. 2001 wechselte er vom TAGBLATT zum Focus. Zunächst machte er eine Redaktionsvertretung in München, dann war er freier Mitarbeiter. Parallel fing Wolfgang Bauer an, für Magazine wie Mare, Geo, Brigitte und National Geographic zu schreiben. 2011 fing er bei der Wochenzeitung Die Zeit an, zunächst als Pauschalist. Seit 2016 ist Wolfgang Bauer Reporter der Chefredaktion. Zudem ist er als Buchautor tätig, zuletzt erschien seine Reportage über Afghanistan nach dem Fall der Taliban. Bauer wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Journalistenpreisen ausgezeichnet. Der 52-Jährige lebt in Reutlingen.

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Erstellt:
02.05.2023, 18:52 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 25sec
zuletzt aktualisiert: 02.05.2023, 18:52 Uhr

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