Matratzenmarkt

Wie man sich bettet...

Online-Anbieter haben die Branche in den vergangenen Jahren ordentlich aufgemischt. Durch die Corona-Krise kommt sie recht gut.

30.11.2020

Von CAROLINE STRANG

Foto: © angelo gilardelli/shutterstock.com Foto: © angelo gilardelli/shutterstock.com

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Ulm. Fünf Kaltschaummatratzen sind „Gut“, insgesamt neun schnitten mit der Note „Befriedigend“ ab: Stiftung Warentest hat jüngst einen neuen Matratzentest vorgelegt. Wie so oft kam dabei heraus, dass es in die Irre führen kann, sich nur am Preis als besonderen Hinweis auf Qualität zu orientieren. Denn: Sieger des Testes sind die Meradiso 7-Zonen-Matratzen von Lidl, die in der Standardgröße unter 120 Euro kosten, und die MFO VitaSan 7-Zonen-Matratzen, für die man im Handel deutlich mehr bezahlt.

Die Matratzen sind Produkte eines Marktes, der seit einigen Jahren in Unruhe geraten ist. „Unbestritten ist: Dieser Markt ist aufgemischt worden“, sagt Uwe Krüger, Branchenexperte des IFH Köln. Der stationäre Handel stehe unter Druck, weil seit 2013 immer mehr Online-Anbieter auf den Markt kamen – einige davon haben sich behauptet. Andere wie der US-Anbieter Casper haben sich aus dem deutschen Markt wieder zurückgezogen. Inzwischen werden rund 40 Prozent der Matratzen in Deutschland online bestellt und geliefert, eine Verdopplung seit 2011. Zum Vergleich: Für den gesamten Möbelmarkt liegt die Online-Quote derzeit bei 20 Prozent.

Aktuell hält der Bettenfachhandel in Deutschland laut einer Studie der Unternehmensberatung Titze, die das Branchenmagazin Möbelkultur zitiert, noch einen Marktanteil von 16,8 Prozent an allen verkauften Schlafsortimenten. Gemeinsam mit dem Betten- und Matratzendiscount kommt er nur noch auf 23 Prozent Marktanteil – ein Handelsvolumen von 1,9 Millionen Euro.

Der Boom der Online-Matratze liegt auch an den vorteilhaften Lieferbedingungen vieler Anbieter. So kann man zum Beispiel bei Emma und Bett 1, erfolgreichen deutschen Online-Start-ups, nach der Lieferung 100 Tage Probeliegen. Bett 1- Gründer und Geschäftsführer Adam Szpyt sagt. „Das A und O für einen Online-Matratzenhändler ist die Qualität und daraus folgend die Rückgabemöglichkeit.“

Die Rückgabequote bei seinen Kunden sei „sensationell niedrig“. „Andernfalls könnten die Retouren einem Versender auch schnell das Genick brechen“, sagt er mit Verweis auf inzwischen wieder vom Markt verschwundene Mitbewerber. Szpyt nimmt kein Blatt vor den Mund. Er ist der Meinung: „Deutschland schläft auf Schrott – und damit meine ich sowohl online wie im stationären Handel erhältliche Matratzen.“ Die Qualität vieler gängiger angebotener Matratzen sei leider einfach „unterirdisch“.

Experte Krüger hat den Aufstieg von Bett 1 und ähnlichen Anbietern eher mit Verwunderung beobachtet. „Die One-fits-all-Geschichte widerspricht allen Erfahrungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher in den Jahren zuvor gemacht haben.“ Es würden viele unterschiedliche Arten von Matratzen angeboten mit verschiedenen Härtegraden. „Dann kommt ein Anbieter, rollt Einheitsmatratzen ein und verschickt sie – und sie kommen gut an.“ Möglich werde das durch einen entscheidenden Punkt: „Die Matratze ist online-fähig geworden.“ Das treffe den eher beratungsintensiven stationären Handel natürlich sehr.

Martin Auerbach ist Geschäftsführer des Fachverband Matratzen-Industrie. Er beantwortet die Frage nach der Macht der Online-Anbieter eher nüchtern: „Online ist ein Vertriebsweg, der in den letzten Jahren an Relevanz zugenommen hat.“ Dennoch bilde er nur einen Teil der möglichen Vertriebswege ab, die dem Verbraucher offenstehen, betont er. Zudem sei inzwischen eine zunehmende Verzahnung von Online- und Offline-Handel zu beobachten. Händler bieten Waren also im Laden und online an. Grundsätzlich dominierten deutsche und europäische Hersteller klar den Markt.

Ein Markt in Unruhe und dann noch die Corona-Pandemie – führt die zu noch größeren Verwerfungen? „Der Matratzenmarkt scheint mit einem blauen Auge durch dieses Jahr zu kommen“, sagt Uwe Krüger. Und auch Auerbach meint: „Das sonst in der Branche übliche Sommerloch ist ausgefallen, weil die Menschen stärker im Bereich Einrichtung investiert haben, statt zu verreisen.“ Dadurch stehe die Branche insgesamt trotz – oder sogar wegen – der Corona-Krise vergleichsweise gut da.

Umsatz seit 2015 gesunken

Das liegt auch daran, dass die Umsatztalfahrt schon einige Jahre zuvor erfolgt ist. Lag der Umsatz mit Bettwaren, deren Hauptanteil Matratzen sind, im Jahr 2015 in Deutschland noch bei 5,5 Milliarden Euro, sank er bis 2019 auf insgesamt 4,87 Milliarden. „Dementsprechend könnten sie sich 2020 auf dem Level halten, unter anderem durch die Online-Kompensation“, schätzt Krüger. Im Vergleich zu 2019 sei das gut, im Vergleich zu 2015 eine Konsolidierung auf abgeschwächtem Niveau.

Der Online-Anteil könnte sich durch die Folgen der Corona-Pandemie allerdings noch ein wenig steigern. „Die weniger Online-Affinen werden durch Corona zwar nicht zum Internetkauf gezwungen, aber quasi mit Leitplanken zu der Erkenntnis geführt, dass man sich auch online versorgen können muss.“

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Erstellt:
30.11.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec
zuletzt aktualisiert: 30.11.2020, 06:00 Uhr

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