Katholische Kirche

Wettlauf mit Frustrationswelle

Betroffene sexualisierter Gewalt drücken dem Reformprozess „Synodaler Weg“ ihren Stempel auf.

06.02.2021

Von ELISABETH ZOLL

Stuttgart. „Wer, wenn nicht die Betroffenen, sind in der Lage, papiernen Fakten der Missbrauchsstudie ein Gesicht zu geben?“ Es sind auch die Worte der Stuttgarterin Johanna Beck, die die 230 Teilnehmer des katholischen Reformdialogs „Synodaler Weg“ aufrütteln. Mit ihr meldeten sich erstmals von sexueller Gewalt Betroffene direkt zu Wort.

Warum hatte es ein ganzes Jahr gedauert, bis sie am Reformdialog teilnehmen konnten? War es neben dem formalen Argument, dass sich ein Betroffenenbeirat erst noch gründen musste, auch die Sorge vor der möglichen Wucht der Emotionen, wie Johannes Norpoth formulierte? Mit ihm, Johanna Beck und Kai Christian Moritz wurden erstmals Betroffene ins Gespräch einbezogen. Sie drückten der digitalen Versammlung von Bischöfen, Priestern und Laien ihren Stempel auf.

Es war der Missbrauchsskandal, der die katholische Kirche in ihre größte Krise stürzte. Fehlentwicklungen wurden in der von den Bischöfen beauftragten Studie der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen 2018 klar benannt. Sie geben dem „Synodalen Weg“ Arbeitsaufträge vor.

In den vier Foren geht es um Machtmissbrauch, ein überhöhtes Priesterbild, die katholische Sexualmoral, Männerbünde und – damit verlinkt – den Ausschluss von Frauen aus wichtigen Ämtern. In einem zweijährigen Diskussions- und Arbeitsprozess sollen Handlungsanleitungen für die katholische Kirche erarbeitet werden. Coronabedingt wird sich das nun verzögern, vermutlich bis zum Herbst 2022. Ein „unverbindlicher Spaziergang“ werde das nicht, verspricht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zum Auftakt.

Die Erwartungen sind hoch. Zu hoch, wie der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Anuth in einer Beleitverantstaltung der Diözese Rottenburg-Stuttgart nahelegt. Denn das Kirchenrecht skizziere klare Grenzen für die Beteiligung von Laien und Frauen.

Und dennoch wird mit Hochdruck an den Themen gearbeitet. Es ist nicht zuletzt ein Wettlauf mit einer neuen Frustrationswelle, die Vorgänge in der Erzdiözese Köln ausgelöst haben, wo Kardinal Rainer Maria Woelki mit der Zurückhaltung eines Gutachtens zur Missbrauchsaufarbeitung eine wahre Kirchenaustrittswelle ausgelöst hat. Die Vorgänge in Köln lassen „viele am Willen kirchlicher Autoritäten zu vorbehaltloser Aufklärung zweifeln“, räumte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, ein.

Woelki gibt Fehler zu. Ob ein neues Missbrauchsgutachten, das am 18. März in Köln präsentiert werden soll, die Wogen glättet, ist offen.

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Erstellt:
06.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 07sec
zuletzt aktualisiert: 06.02.2021, 06:00 Uhr

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