Überwachung

Wenn der Chef mitliest

Auf die Zunahme von Homeoffice folgt der Boom von Spionage-Software. Experten erklären, was Arbeitgeber dürfen und was nicht.

08.02.2021

Von CAROLINE STRANG

Manche Chefs schauen ganz genau hin. Foto: ©Zenzen/Shutterstock.com

Manche Chefs schauen ganz genau hin. Foto: ©Zenzen/Shutterstock.com

Berlin. Als Corona im vergangenen Frühjahr viele Angestellte ins Homeoffice trieb, erreichte eine Rundmail die Mitarbeiter der Bank-Holding Axos Financial. Darin wurde darauf hingewiesen, dass die Tastatureingaben der Angestellten ausgewertet, die meist besuchten Webseiten gespeichert und alle zehn Minuten ein Screenshot vom Bildschirm gemacht werde. Wenn es an Vertrauen fehlt, sitzt eben schnell ein Spion im Laptop. Die Verkaufszahlen von entsprechender Überwachungssoftware sind 2020 deutlich gestiegen. Doch darf ein Unternehmen so etwas überhaupt? Und wie können sich Mitarbeiter wehren?

Wann darf ein Unternehmen seine Mitarbeiter überwachen? Eine permanente Überwachung zur Leistungskontrolle sei in jedem Fall unzulässig, schreiben die Experten von Stiftung Warentest in ihrer aktuellen Ausgabe. „Der Arbeitgeber braucht einen Anlass, zum Beispiel den konkreten Verdacht eines schwerwiegenden Vertragsverstoßes des Arbeitnehmers“, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin in dem Magazin. Der allgemeine Verdacht, im Homoffice mache doch sowieso jeder private Dinge, reiche nicht aus.

Dürfen Arbeitgeber E-Mails mitlesen? „Grundsätzlich darf der Arbeitgeber keine E-Mails aus den Postfächern seiner Beschäftigten lesen“, sagt Bertold Brücher, Referatsleiter Sozialrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Auch im geschäftlichen E-Mail-Konto seien private Inhalte geschützt und ein Zugriff des Arbeitgebers darauf verletze die Privatsphäre der Beschäftigten. Die informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten werde von den Gerichten höher bewertet als das Individualinteresse des Arbeitgebers. Von dieser grundsätzlichen Regel gebe es nur wenige Ausnahmen in einem engen Rahmen, die im Bundesdatenschutzgesetz geregelt seien.

Stiftung Warentest verweist auf den Arbeitsvertrag. Sei hier nicht geregelt, dass das Email-Konto ausschließlich für geschäftliche Zwecke genutzt werden darf, gelte die private Nutzung als erlaubt. Zumindest wenn der Arbeitgeber sie über längere Zeit hinweg stillschweigend geduldet habe. Ist die private Nutzung verboten, seien stichprobenartige Kontrollen des Kontos durch den Arbeitgeber legitim, die Beschäftigten müssten darüber aber informiert werden.

Wie sieht es mit der Aufzeichnung des Internetverhaltens aus? Ist im Arbeitsvertrag die private Nutzung des Internets verboten, darf ein Arbeitgeber den Browserverlauf bei Verdacht auswerten, auch ohne dass der Mitarbeiter davon weiß, schreiben die Experten von Stiftung Warentest.

Brücher hingegen sagt: „Der Arbeitgeber darf das Internetverhalten und die Diensthandys seiner Beschäftigten nicht auswerten“. Zwar werde Leistungs- und Verhaltenskontrolle „durch Software wie Microsoft365, die wir alle in der Pandemie verstärkt nutzen, viel einfacher“. Aber: „Was geht, ist deshalb noch nicht automatisch auch einfach erlaubt“. Der Einsatz solcher Software unterliege der zwingenden Mitbestimmung des Betriebs- oder Personalrats. Wenn es keine Vereinbarung dazu gebe, sei eine Überwachung ein Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz beziehungsweise die Personalvertretungsgesetze.

Was ist mit Keylogger-Software? Eine Keylogger-Software protokolliert alle Tastatureingaben und Mausbewegungen, außerdem kann sie regelmäßig Fotos vom Bildschirm machen und speichern. Das Bundesarbeitsgericht hat vor drei Jahren entschieden, dass Keylogger nicht zulässig sind, um Beweismaterial gegen Arbeitnehmer zu gewinnen. Sie griffen zu sehr in die Rechte des Betroffenen ein, so die Richter.

Ist es erlaubt, Mitarbeiter mithilfe einer Webcam zu kontrollieren? Bestimmte Software nutzt die Webcams der Arbeitsrechner, um Aufnahmen des Mitarbeiter zu machen. Das ist laut Stiftung Warentest nur unter sehr engen Voraussetzungen erlaubt – etwas wegen des Verdachts auf Arbeitszeitbetrug – wenn es denn das einzige Mittel ist, das nachweisen zu können. Ohne konkreten Anlass sind die Aufnahmen dagegen rechtswidrig.

Wie sollte sich ein Angestellter verhalten, wenn er das Gefühl hat, dass der Arbeitgeber ihn ausspioniert? Brücher verweist auf den Betriebs- oder Personalrat oder die jeweilige Gewerkschaft. „Zusammen mit den Expertinnen und Experten für die Interessenvertretung der Beschäftigten kann man dann schauen, ob sich dieser Verdacht erhärtet und wenn ja, welche Schritte einzuleiten sind.“ Stiftung Warentest empfiehlt ebenfalls, den Betriebsrat oder den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens zu verständigen. Gleichzeitig verweisen die Experten auf Hilfe durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Welche Folgen kann eine unzulässige Überwachung für Chefs haben? Zum einen kann es sein, dass sie die Erkenntnisse nicht gegen die Arbeitnehmer vor Gericht nutzen dürften, sagt Anwalt Alexander Bredereck. „Zudem macht sich der Arbeitgeber gegenüber dem Beschäftigten schadenersatzpflichtig.“

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Erstellt:
08.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 03sec
zuletzt aktualisiert: 08.02.2021, 06:00 Uhr

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