Bahnverkehr

Wasserstoffzug besteht den ersten Härtetest auf der Zollernalb

Elektrifizierungen sind teuer. Daher setzt das Land auch auf Brennstoffzellen-Technik. Nun wird im Südwesten erstmals der Regelbetrieb getestet.

13.07.2021

Von Andreas Clasen

Hechingen: Der erste regulär fahrende Brennstoffzellenzug auf den Strecken des Zollernalbbahn-Netzes steht zum Start der ersten Fahrt von Hechingen nach Gammertingen bereit. Foto: Bernd Weissbrod/dpa

Hechingen: Der erste regulär fahrende Brennstoffzellenzug auf den Strecken des Zollernalbbahn-Netzes steht zum Start der ersten Fahrt von Hechingen nach Gammertingen bereit. Foto: Bernd Weissbrod/dpa

Der Brennstoffzellenzug des Mannheimer Herstellers Alstom hat die Steigungen der Zollernalb am Montag gut geschafft, auch wenn der Zug nach pünktlicher Abfahrt am Bahnhof Hechingen (Zollernalbkreis) mit zehnminütiger Verspätung am Zielbahnhof in Gammertingen (Landkreis Sigmaringen) eintraf. Grund für die Verzögerung war unter anderem ein entgegenkommender Zug auf der eingleisigen Strecke. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärte die Jungfernfahrt für gelungen.

Rund 40 Minuten dauerte die Zugfahrt. Für die geladenen Gäste an Bord war sie angenehm. Fahrgeräusche waren kaum wahrnehmbar. Das leise Dahingleiten zeichnet das Brennstoffzellenfahrzeug vom Typ Alstom Coradia iLint aus.

Die Fahrt war auch zugleich der offizielle Start einer mehrmonatigen Testphase. Bis Ende Februar 2022 wird der Coradia iLint einen Zug aus der Dieselflotte der landeseigenen Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG (SWEG) ersetzen. Damit kommt in Baden-Württemberg zum ersten Mal ein mit Wasserstoff betriebener Zug im regulären Betrieb zum Einsatz.

Unterwegs sein wird er fahrplanmäßig vor allem auf den Strecken zwischen Sigmaringen, Hechingen und Eyach. Am Bahnhof Hechingen ist laut SWEG inzwischen eine Wasserstofftankstelle eingerichtet. Anfangs habe des Lieferschwierigkeiten bei der Wasserstoffversorgung gegeben, weshalb der Start der Testphase um zweieinhalb Monate verschoben werden musste.

„Eine Pionierleistung“

Minister Hermann bezeichnete Triebwagen mit Brennstoffzelle als „die moderne Antwort auf Dieselloks“. Das Land habe ein umfassendes Elektrifizierungskonzept für die Bahn erstellt. An dem werde festgehalten. Aber wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist, ließen sich Triebwagen mit Brennstoffzelle oder batterieelektrische Wagen gut einsetzen.

„Eine Pionierleistung auf der Schienen“ nannte Müslüm Yakisan, Präsident von Alstom in Deutschland, Österreich und der Schweiz den Einsatz von Wasserstofftechnik im Bahnverkehr. Der Testlauf für Baden-Württemberg auf der Zollernalb werde „die Erwartungen erfüllen“, zeigte sich Yakisan überzeugt. Der Prototyp des Coradia iLint sei im Jahr 2014 vorgestellt worden und werde seit über drei Jahren „im Echtbetrieb“ getestet. Das Unternehmen Alstom mit Sitz in Mannheim fühle sich Baden-Württemberg in besonderer Weise verbunden. Aber während im Ländle noch getestet wird, sei für Niedersachsen und Hessen bereits die Serienproduktion angelaufen. „Manche Bundesländer sind weiter als wir“, räumte Minister Hermann ein.

Der SWEG-Vorstandsvorsitzende Tobias Harms stellte fest, dass sich der Brennstoffzellenzug auf einem anspruchsvollen Streckenabschnitt wird beweisen müssen. Hitze und Kälte mit Eis und Schnee, Steigungen und Haltestellen in kurzen Abständen zeichneten die Zollernalbahn aus. Harms erklärte: „Uns ist es wichtig zu erfahren, ob es fahrzeugseitige Alternativen zur klassischen Elektrifizierung des Schienenwegs gibt“. Der Testlauf werde zeigen, wie sich der mit Wasserstoff betriebene Zug in die Fahrpläne und Betriebstechnik der SWEG integrieren lässt. Auch den Wartungsaufwand werde man prüfen. Harms sprach einen ausdrücklichen Dank für den ÖPNV-Rettungsschirm des Bundes aus und bedauerte zugleich, dass das vom Bund frisch aufgelegte, acht Milliarden Euro schwere Förderprogramm für Wasserstofftechnik für dieses Pilotpojekt „zu spät“ gekommen sei.

Jetzt muss der Coradia iLint also zeigen, was er kann. Für die Fahrgäste ergeben sich – außer dem geräuschlosen Dahingleiten – keine Änderungen. Fahrpläne und Preise bleiben unverändert. Ein externer Sachverständiger wird den Test begleiten. Dass die Bahnen ohne Abgase und leiser unterwegs seien, sei vor allem auch „ein Plus für die Anwohner“, sagte Verkehrsminister Hermann.

Ein Makel beim Treibstoff

Was bei dem Testlauf fehlt, ist ein Betrieb vor Ort, der den Treibstoff für den Zug herstellen könnte. Laut Verkehrsministerium wird der Wasserstoff für den Probebetrieb des Regionalzugs daher von der Firma Air Liquide per LKW geliefert. Dieser wird zwar mit erneuerbaren Energien hergestellt, aber auf der Straße an sein Ziel transportiert. Wie viele Lieferungen nötig sind, konnte ein Unternehmenssprecher nicht sagen. Die Emissionen der Lastwagen würden aber über Klimaschutz-Zertifikate ausgeglichen. - dpa

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Erstellt:
13.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 13.07.2021, 06:00 Uhr

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