Miniserie

Moritz Bleibtreu: „Was Gier so alles anrichtet“

Moritz Bleibtreu spielt den Tagebuch-Fälscher Konrad Kujau in der Satire „Faking Hitler“. Für seine Rolle hat er gelernt, Schwäbisch zu sprechen.

30.11.2021

Von Dieter Oßwald

Konrad Kujau (Moritz Bleibtreu) und seine Freundin Agnes Schonert (Britta Hammelstein) arbeiten an gefälschten Hitler-Tagebüchern, die sie dem „Stern“ verkaufen. Ab Dienstag ist die Miniserie „Faking Hitler“ bei RTL Plus zu sehen. Bild: RTL

Konrad Kujau (Moritz Bleibtreu) und seine Freundin Agnes Schonert (Britta Hammelstein) arbeiten an gefälschten Hitler-Tagebüchern, die sie dem „Stern“ verkaufen. Ab Dienstag ist die Miniserie „Faking Hitler“ bei RTL Plus zu sehen. Bild: RTL

Köln. Es war der größte Medienskandal der Nachkriegszeit: Am 25. April 1983 präsentierte der „Stern“ die angeblichen Tagebücher Adolf Hitlers. Das Magazin hatte die 62 Bände für 9,3 Millionen D-Mark von dem Maler Konrad Kujau erworben – bereits kurz darauf enttarnte das Bundeskriminalamt die schwarzen Kladden als plumpe Fälschungen. Schauspieler Moritz Bleibtreu ist von Dienstag an in der sechsteiligen Miniserie „Faking Hitler“ als Fälscher Kujau auf RTL Plus zu sehen. Im Interview spricht der 50-Jährige über das historische Ereignis, und warum es für die Rolle so wichtig war, richtig Schwäbisch zu sprechen.

Herr Bleibtreu, welche Erinnerungen haben Sie an die Hitler-Tagebücher, auf die der „Stern“ hereinfiel?

Moritz Bleibtreu: Ich erinnere mich noch ganz gut an diesen Skandal. Meine Mutter fand das damals sehr amüsant und sagte: Das wird das Ende des „Stern“. Mit dieser Prognose lag sie zwar falsch, aber ebenso wie sie, habe ich diese Hitler-Tagebücher als amüsantes Stück Zeitgeschichte in Erinnerung.

Ist der Tagebuch-Fälscher Konrad Kujau für Sie eher ein charmanter Hochstapler oder ein raffinierter Betrüger?

Hochstapler wäre vielleicht fast zu tief gestapelt, nennen wir ihn ruhig Betrüger. Aber eben ein sehr charmanter Betrüger. Im Unterschied zu Fälschern von Bank­noten, sind diese Fälscher im Kunstbereich eine ganz andere Liga. Zum einen besitzen sie eine ganz große Begabung, die man einfach anerkennen muss. Zum andere entlarven sie diese extreme Blase der abstrakten Kunst. Weshalb ist das gelbe Viereck mit dem roten Strich in der Ecke drei Millionen wert? Solche Fragen führen Fälscher gekonnt ad absurdum, indem sie solche Kunstwerke einfach selbst anfertigen.

Haben Sie die Originale der Tagebuch-Fälschungen sehen können?

Tatsächlich konnte ich die Originale in den Händen halten. Bei einem Besuch in der „Stern“-Redaktion wurden die Tagebücher nach 35 Jahren zum ersten Mal wieder aus dem Tresor geholt. Das war ein beeindruckendes Erlebnis. Um ehrlich zu sein, fand ich diese Hitler-Tagebücher noch schlechter als jene von unserer Requisite. Es müssen viele Leute sehr, sehr stark daran geglaubt haben wollen. Da sieht man, was Gier so alles anrichtet.

Wie haben Sie sich dem Fälscher Kujau genähert?

Angefangen habe ich mit dem Podcast vom „Stern“, wo die mitgeschnittenen Telefongespräche zwischen Kujau und Heidemann veröffentlicht sind. Das ist eigentlich schon Comedy pur. Auf den Videobildern fiel mir schnell diese sehr gemütliche Art von Kujau auf mit diesen sehr vertrauensseligen Augen. Und natürlich seine Mundart. Diesen Dialekt zu treffen, war die Basis und die erste Hürde zugleich. Mit dem richtigen Schwäbisch kam der Rest der Figur fast wie von selbst.

Haben Sie sich mit Uwe Ochsenknecht beraten, der den Kujau einst in „Schtonk“ von Helmut Dietl verkörperte?

Nein, der Kujau in „Schtonk“ ist eine völlig andere Figur als bei uns. Von Helmut Dietl wurden die Namen ja nicht umsonst verfremdet. In „Schtonk“ ist Kujau ein Getriebener, der im Wahn fast meint, selbst zu Hitler zu werden. Bei uns ist Kujau einer, der über eine große Begabung verfügte, gleichzeitig nicht unbedingt der Fleißigste war.

Mit „Schtonk“ liegt die Messlatte denkbar hoch, hat das nicht eingeschüchtert für dieses Projekt?

Nein, überhaupt nicht. Die Hitler-Tagebücher bieten eine solch spannende Geschichte, dass es sicher noch weitere Verfilmungen geben wird. Eine englische Variation gibt es ja bereits. „Schtonk“ ist ein großartiger Film, aber ein Vergleich ist abwegig. Der Film von Dietl ist ganz anders gedacht als unser Mehrteiler.

Machen solche komödiantischen Rollen mehr Vergnügen als Goebbels oder Andreas Baader zu spielen?

Das ist schwer zu sagen. Ein großer Unterschied liegt darin, dass ich diesen Kujau sympathisch finde und wirklich sehr mag. Es passiert nicht oft, dass man eine Figur spielt, die man rundum einfach gerne hat. Das setzt dann schon ein bisschen zusätzliche Spielfreude frei. Ganz anders war es mit Andreas Baader. Zu ihm hatte ich überhaupt keinen emotionalen Zugang, weil es über ihn so gut wie gar kein Bild- oder Tonmaterial gab.

Zu Weihnachten kommen Sie in der Beziehungskomödie „Caveman“ in die Kinos. Wie sehr mögen Sie Ihre Figur Rob Becker?

Rob Becker mag ich, allerdings geht der mir auf die Nerven (lacht). Der ist ein bisschen sehr trantütig. Man will ihm ständig sagen: Komm’ endlich in die Gänge und mach’ doch mal etwas. Abgesehen davon ist Rob schon ganz in Ordnung.

Ist der Humor in „Caveman“ auch Ihr Humor? Bisweilen klingt es wie Mario Barth . . .

Das Thema von „Caveman“ ist nicht neu, ganz im Gegenteil: Männer und Frauen samt deren Kommunikation sind ein beliebtes Sujet. Trotzdem finde ich, dass unser Film sich dem Thema auf eine ziemlich besondere Art und Weise nähert. Und im Übrigen: Die Witze sollen ja schlecht sein!

Eine Arte-Dokumentation über Sie hieß „Als Schauspieler geboren – Moritz Bleibtreu.“. Trifft der Titel zu?

Man muss zum Schauspieler nicht geboren sein, das kann man lernen, wie jeden anderen handwerklichen Beruf auch. Allerdings gibt es sicherlich Menschen, die dafür geboren sind. Für mich stimmt der Titel wahrscheinlich insofern, als ich nie etwas anderes machen wollte. Aber das ist keineswegs eine Voraussetzung: Man kann die Schauspielerei durchaus auch später erst für sich entdecken.

Info: Vielseitiger Schauspieler

Moritz Bleibtreu kam 1971 als Sohn von Monica Bleibtreu und Hans Brenner zur Welt. Populär wurde er Ende der 90er Jahre durch Filme wie „Knockin’ on Heaven’s Door“, „Lola rennt“ und „Lammbock“. Sein Rollenspektrum reicht vom RAF-Terroristen bis zu Joseph Goebbels. In Hollywood spielte er in Steven Spielbergs Politdrama „München“ und in Actionstreifen wie „World War Z“ mit Brad Pitt.

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Erstellt:
30.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 52sec
zuletzt aktualisiert: 30.11.2021, 06:00 Uhr

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