Ökologie

Wann und wie lange helfen sich Pflanzen?

Tübinger Forscher untersuchten, wie sich Pflanzen bei Stress verhalten.

25.05.2020

Von ST

Je dichter Gewächse stehen, desto geringer sind die Chancen der einzelnen Pflanze auf gutes Gedeihen - so lautet eine allgemeine Erkenntnis in der Ökologie. Nun hat ein Wissenschaftlerteam mit Prof. Katja Tielbörger vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen die Allgemeingültigkeit dieses Zusammenhangs in Frage gestellt. Sie haben ein neues theoretisches Modell entwickelt, in dem sich Pflanzen an einem Standort in Stress-Situationen gegenseitig auch positiv beeinflussen können.

Die Forscher hatten ihre Erkenntnis zunächst aus einem mathematischen Modell bezogen. Dies konnten sie jedoch experimentell bis ins Detail belegen. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Konkurrenz führt bei allen Lebewesen dazu, dass für jeden Einzelnen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. „Wenn die Drängelei zu groß wird, können einzelne Pflanzen sogar sterben“, sagt Katja Tielbörger. Es gebe jedoch viele empirische Arbeiten, die zeigten, dass sich Pflanzen untereinander auch helfen können. Dies sei besonders häufig der Fall, wenn Pflanzen unter stressreichen Bedingungen wachsen, etwa wenn der Boden sehr salzig oder die Temperaturen sehr hoch sind. „Bei großer Hitze können zum Beispiel große Pflanzen den kleineren Schatten spenden, die dann besser wachsen können“, sagt die Forscherin. Es sei bereits früher gefolgert worden, dass solche Beziehungen unter bestimmten Bedingungen in Konkurrenz umschlagen können.

Das Tübinger Team aus der Ökologie hat die Faktoren Dichte und Stress in einem neuen mathematischen Modell kombiniert. „Daraus ergab sich, dass es unter intensivem Stress vorteilhaft sein kann, viele Nachbarn zu haben. Erst bei sehr hoher Dichte tritt Konkurrenz auf“, fasst Tielbörger die Ergebnisse zusammen. Aus dem Blickwinkel einer Einzelpflanze verlaufe die Beziehung zwischen Dichte und Gedeihen wie eine Optimums-Kurve. Ihre Ergebnisse überprüften die Forscherin und der Forscher in Experimenten mit der Ackerschmalwand, einer in der molekularbiologischen Forschung häufig verwendeten Pflanze. „Wir konnten alle Vorhersagen unseres Modells im Experiment bestätigen“, sagt Tielbörger. Die Pflanzen litten deutlich weniger unter künstlich herbeigeführtem Salzstress, wenn sie viele Nachbarn hatten. Wenn die Pflanzen nicht unter solchem Stress standen, erschienen jedoch die Nachbarn als Konkurrenten, die sie beeinträchtigten.

Das Modell könne helfen, die Reaktion von Pflanzen auf Stress besser vorherzusagen - auch auf steigende Temperaturen oder Dürren, wie sie durch die fortschreitende Klimaerwärmung zu erwarten sind.

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Erstellt:
25.05.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 10sec
zuletzt aktualisiert: 25.05.2020, 01:00 Uhr

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