Reutlingen

Uschi Kurz geht in Rente: Vom Töpferkurs zur TAGBLATT-Kurz

Redakteurin Uschi Kurz geht nach 31 Jahren in den Ruhestand. Mit einer Undercover-Geschichte hat alles angefangen.

31.03.2022

Von Thomas de Marco

Seit heute im Ruhestand: Uschi Kurz im Garten des Heimatmuseums, einem ihrer Lieblingsplätze in Reutlingen.Bild: Horst Haas

Seit heute im Ruhestand: Uschi Kurz im Garten des Heimatmuseums, einem ihrer Lieblingsplätze in Reutlingen.Bild: Horst Haas

Sie hat nicht Jura studiert, sondern Romanistik, Germanistik und Philosophie. Trotzdem ist Uschi Kurz Anwältin geworden. Eine leidenschaftliche Anwältin für die Kultur in Reutlingen. Deshalb wird der Szene diese Kunde gar nicht behagen: Die Redakteurin mit dem Kürzel „uk“ tritt morgen in den Ruhestand und wird diese Kulturinstitutionen nur noch als Besucherin unterstützen.

Das Entstehen des soziokulturellen Zentrums franz. K, die Suche des Tonne-Theaters nach einer neuen Spielstätte, die Eröffnung der Stadthalle oder die Gründung des Programmkinos „Kamino“ und zuletzt das Veranstaltungsgelände „Echazhafen“: Mit viel Sympathie und Empathie hat Kurz viele Jahre lang für das TAGBLATT alle diese Flaggschiffe der reichhaltigen Reutlinger Kultur-Armada begleitet, bis sie nach hartem Ringen um Geld oder Gebäude in See stechen konnten.

Geschrieben hat die gebürtige Ludwigsburgerin schon immer gern, zum TAGBLATT hat sie aber der pure Zufall geführt: Die Frau des früheren Reutlinger Redaktionsleiters Bernd Serger belegte 1983 bei Kurz einen Töpferkurs in Wannweil und erfuhr dabei von deren Faible fürs selbst geschriebene Wort. Am nächsten Tag rief Serger an – und gleich darauf berichtete die neue Mitarbeiterin zunächst aus Wannweil, wenig später auch aus Reutlingen.

Von September 1987 bis August 1988 machte Kurz ihr Volontariat beim TAGBLATT, für ihren ersten Aufmacher war sie im Vorfeld der Volkszählung undercover unterwegs und schrieb den Artikel „Als Zähler unters Volk gemischt“. Nach der Ausbildung übernahm die Jungredakteurin Vertretungen in Tübingen und Rottenburg und wurde – kein Scherz! – am 1. April 1991 in der Reutlinger Redaktion fest angestellt. Sie teilte sich eine Stelle mit Sybille Neth – das erste Job-Sharing beim TAGBLATT.

Wer in einer Außenredaktion arbeitet, kann sich freilich nicht groß auf ein Spezialgebiet kaprizieren, sondern muss Allrounder-Qualitäten einbringen. So war Kurz neben der Kultur auch für die zumeist enorm zeitaufwändige Gerichtsberichterstattung zuständig. Aus den Verhandlungen brachte sie auch die eine oder andere Anregung mit für ihre lokalen Krimis, die sie seit 2011 schreibt. Zuletzt hat sie mit ihrem Reutlinger Redaktionskollegen auch einen Band mit dunklen Reutlinger Geschichten veröffentlicht.

Vor Gericht musste Kurz im Zuge ihrer Berichterstattung auch selbst mehrfach als Zeugin aussagen. So, als der ehemalige Labormediziner Rudolf Seuffer 2001 bei einer Pressekonferenz geheime Ermittlungsakten des Wirtschaftskontrolldienstes öffentlich gemacht hatte. Weil Kurz wörtlich aus dem Bericht zitiert hatte, musste sie als Zeugin erst vorm Amtsgericht in Reutlingen und später vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart antreten. Seuffer wiederum hat die frauenbewegte Frau Kurz mit einem Anruf in der Redaktion mal in Wallung gebracht. Als sich ihre Frauenstimme meldete, fragt er nur: „Ist niemand da?“ Sie sagte „Nein!“ – und legte auf.

Besonders verdient gemacht hat sich die Kollegin, die sich Fremden gerne mal mit „Kurz wie lang“ vorstellt, auch durch ihre kritische Begleitung des Gesundheitswesens, speziell des Kreisklinikums. Kompromisslos griff sie Missstände auf und sprach mögliche Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen frühzeitig an.

Großes Verständnis hatte Kurz zumeist für Irrungen und Wirrungen von Jugendlichen. Auch das Jugendhaus „Zelle“ durfte sich ihres Rückhalts sicher sein. Zu ihrem Redaktionsalltag gehörte die persönliche Betreuung eines Buddha-Begeisterten ebenso wie der Tadel für den Kollegen, wenn mal wieder ruchbar wurde, dass der bei einem Discounter eingekauft hatte.

Der letzte Artikel der Neu-Rentnerin war das Stadtteil-Porträt von Degerschlacht – als Redakteurin, wohlgemerkt. Denn „uk“ wird weiterhin ab und zu noch fürs TAGBLATT schreiben – auch aus dem Gericht. Ansonsten wird sie häufig bei vielen Kulturveranstaltungen zu sehen sein. Dann allerdings vor allem in privater Passion.

Recherchen zur Fastenzeit und auf dem Pferd

Zeitungsleute nagen selten am Hungertuch – es sei denn, sie sind mit dem früheren damaligen Landesverkehrs Hermann Schaufler unterwegs gewesen: Als Uschi Kurz im Jahr 1992 den CDU-Minister im Wahlkampf an den Bodensee begleitete, fiel diese Visite in die Fastenzeit. Deshalb hat Schauffler den ganzen Tag nichts zu sich genommen. Sein Team übrigens auch nicht – zwangsläufig musste Redakteurin Kurz mithungern. Ungewöhnlich war auch ein Interview 2011 mit der damaligen Reutlinger OB Barbara Bosch: Bevor sich Kurz den Fragen zur erneuten Kandidatur von Bosch widmete, hat sie zusammen mit der OB und dem Rinderzüchter Willi Wolf einen kleinen Ausritt auf der Alb gemacht. Die passionierte Reiterin Bosch wäre am liebsten im gestreckten Galopp über die verschneiten Wiesen geprescht. Kurz war froh, dass es Wolf etwas langsamer angehen ließ.

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Erstellt:
31.03.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 15sec
zuletzt aktualisiert: 31.03.2022, 01:00 Uhr

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