Steinlachtal · Corona-Pandemie

Verspätete Tests, hohes Fieber

Eine Familie aus dem Steinlachtal wurde von Corona doppelt getroffen: durch einen schweren Verlauf und das Testchaos.

01.04.2020

Von Mario Beisswenger

Hoffen, warten, bangen, das gibt es gerade viel bei Menschen, die unter der Corona-Epidemie leiden. Am 20. März glaubte eine Steinlachtälerin nach einer Woche freiwilliger Quarantäne wegen starker Erkältungssymptome, dass sie und ihre Familie doch nicht an Covid 19 erkrankt sind. „Ich habe auch nie recht gewusst, wo ich das herhaben soll“, sagt die Familienfrau, die anonym bleiben will. Die Woche war schwer genug mit ihren beiden Kindern unter sechs Jahren, die beide hohes Fieber bis 41 Grad hatten. Sie selbst litt an hohem Fieber, ihr Mann noch am wenigsten.

Aber richtig typisch Corona kam ihr das gar nicht vor. „Warum sollten das ausgerechnet meine Kinder so stark haben?“, fragte sie sich etwa. Bei Kindern soll Covid 19 doch immer symptomfrei sein. Von trockenem Husten hat sie auch nichts mitbekommen. „Wir hatten alle Schnupfen, dafür keinen trockenen Husten.“ Das war wie Bronchitis, meint sie.

Als sie bis Freitag, 20. März, nichts gehört hatte vom Landratsamt, ging sie davon aus, dass es eine andere schwere Infektion ist, die ihre Familie plagt. Das war ein Trugschluss. Ihre Probe gehörte zu denen, die wegen fehlender Labor-Kapazität – so hieß es zunächst – gar nicht oder – wie es später hieß – erst mit Zeitverzug getestet werden konnte.

Jedenfalls wollte sich die Familie, der Vater hatte sich schnell freiwillig in Quarantäne begeben, am Montag den 23. nachtesten lassen. Beim Tübinger Freibad-Testcenter kamen dann aber nur der Vater und der Jüngste an die Reihe. Wobei die Ärzte dort den kleinen Sohn dann noch in die Fieberambulanz weiterschickten. Der Verdacht auf Lungenentzündung bestätigte sich nach einem Besuch in der Kinderklinik zum Glück doch nicht.

Zurück in der Wohnung wartete die Familie, ob sie denn nicht endlich ein Ergebnis bekommen würde. Bis zum Freitag letzter Woche kam nichts, obwohl es zwischenzeitlich hieß, dass die Abstriche nun doch ausgewertet werden können. Dann, am Freitagmorgen, machten Nachbarn darauf aufmerksam, dass die Ortspolizeibehörde einen Brief eingeworfen hatte. Inhalt: Eine Quarantäne-Verfügung. Der Test des Jüngsten sei positiv. Damit wussten sie wenigstens soweit Bescheid, ärgerten sich aber, weil das Ergebnis schon drei Tage alt war – zudem gab es keine Information, wie die Ergebnisse der anderen Abstriche vom 16. ausgefallen waren.

Erst am Samstag erfuhr die Familie das Ergebnis vom Abstrich von 12 Tagen vorher. Demnach waren die Mutter und ihre beiden Kinder positiv. Der Vater, der sich an dem Montag erst nach Feierabend zum Testen begeben hatte, bekam kein Ergebnis. Dafür lief dann am Samstagnachmittag die gute Nachricht ein, dass bei Vater und jüngstem Sohn beim Nachtest vom 23. ein negatives Ergebnis herauskam.

Zwei Wochen Bangen lagen nun hinter der Familie. Etwas besser hätte die Aktion schon laufen können, meint die Mutter. „Darum geht es mir: Zu sagen, wie viel schief laufen kann, wenn nicht alles Hand in Hand geht.“ Sie hätte sich Ergebnisse früher gewünscht und dann auch sofort mitgeteilt. Sie hatten die Quarantäne strikt eingehalten, hatten Glück, das Eltern und Schwester sie mit Lebensmitteln versorgten. Obwohl das schon ein komisches Gefühl sei, „wenn man das Essen nur so, ohne direkten Kontakt, vor die Tür gestellt bekommt“.

Die Quälerei der vergangenen 14 Tage mit Krankheit und Ungewissheit will die Frau ganz sicher nicht mehr mitmachen. Die Sorgen gehen auch weiter. Der Jüngste schläft wegen Atemnot nicht mehr durch. „Dabei war er immer ein guter Schläfer.“ Am Sonntag waren sie noch in der Tübinger Klinik. Behandlung gab es für den Buben nicht. Der Tipp vom Arzt lautete: „Sie müssen da einfach durch.“

Corona-technisch gesehen, gilt die Familie nach zwei Tagen ohne Symptome als geheilt. Am Mittwoch will sie mit den Söhnen zum ersten Mal wieder raus. „Einmal die Kinder wieder richtig auspowern“, das wünscht sie sich. Sie selbst hofft auf ruhigere Tage. Mit den fiebernden Kindern sei an Durchschlafen nicht zu denken gewesen.

Bei all der Malaise hatte die Familie immerhin ein Mal Gelegenheit, herzlich zu lachen. Eins ihrer Kinder hielt sich für den Corona-Experten. Er beruhigte am Telefon seinen Großvater, der zwei Dörfer weiter wohnt. Der könne sich unmöglich Corona einfangen. „Das geht gar nicht. Der Corona-Virus kann doch nicht laufen und Autofahren auch nicht.“

Zum Artikel

Erstellt:
01.04.2020, 21:26 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 13sec
zuletzt aktualisiert: 01.04.2020, 21:26 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!