Tourismus

Verreisen schon über Ostern?

Das deutsche Gastgewerbe sendet nach dem viermonatigen Lockdown erste Lebenszeichen. Veranstalter fahren ihre?Angebote unter anderem für Mallorca hoch.

13.03.2021

Von Michael Gabel

Fotos: Nicolas Armer/dpa; Clara Margais/dpa; Simon Peach/dpa

Fotos: Nicolas Armer/dpa; Clara Margais/dpa; Simon Peach/dpa

Auch wenn die Inzidenzwerte in Deutschland wieder leicht steigen: Viele Menschen wollen nach viermonatigem Lockdown endlich wieder in Urlaub fahren. Die Voraussetzungen dafür sind besser geworden: Reisen an Nord- und Ostsee sind vielleicht schon zu Ostern wieder möglich. Und für Mallorca hat die Bundesregierung am Freitag die Reisewarnung aufgehoben. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther macht Hoffnung auf Osterurlaub in seinem Bundesland. Wann und wie wird darüber entschieden? An diesem Montag werden sich die schleswig-holsteinischen Koalitionäre CDU, Grüne und FDP zusammensetzen, um über Öffnungen zu Beginn der Osterferien zu beraten. Tendenz: Osterurlaub in Schleswig-Holstein wird unter strengen Auflagen möglich sein. Spannend wird in dieser Hinsicht die Bund-Länder-Runde am 22.?März, denn bei ihr wird das derzeit geltende bundesweite Beherbergungsverbot für touristische Reisen ein zentrales Thema sein. Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) will jedenfalls zulassen, dass Hotels und Ferienwohnung in seinem Bundesland über Ostern öffnen – „wenn sich die Situation nicht dramatisch verändert“.

2. Sind die Hoteliers und Ferienhausvermieter im Norden auf Ostertourismus vorbereitet? Grundsätzlich ja. „Aber um Gäste aufnehmen zu können, müssten wir so bald wie möglich das Signal bekommen, wann wir wieder loslegen können“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Landesverbands des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Stefan Scholtis, dieser Zeitung. Gerade für große Häuser könne die Vorbereitungszeit knapp werden, denn sie müssten ihre Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen, Ware besorgen und auch ein wenig Marketing betreiben. „Wir möchten schon ein paar Tage vor Ostern, also am 29.?März, starten. Deshalb drängt die Zeit“, betont Scholtis.

3. Wie sieht es in den anderen Bundesländern aus? Die anderen sind noch nicht so weit. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zwar Stimmen, die einen gemeinsamen Sonderweg mit dem Nachbarland fordern. Lars Schwarz, Präsident des Dehoga-Landesverbands, geht allerdings davon aus, dass Aufenthalte in Hotels oder Ferienwohnungen zunächst nur Einwohnern von Mecklenburg-Vorpommern gestattet werden, was er sehr bedauert.

In Thüringen dringt die stellvertretende Ministerpräsidentin Anja Siegesmund (Grüne), die auch für Umwelt und Naturschutz zuständig ist, auf Öffnungen zu Beginn der Osterferien. „Ich werbe dafür, Beherbergungsangebote mit sehr geringen Ansteckungsmöglichkeiten wie Ferienwohnungen mit Selbstversorgung, Campingplätze und Caravanstellplätze mit Konzepten für Hygiene rechtzeitig vor Ostern wieder zuzulassen“, sagt sie. Dabei sei „alles, was outdoor ist, sicher schneller möglich“. Das Problem bei Thüringen: Die Inzidenzwerte sind dort derzeit recht hoch. „Die Zahlen müssen erst deutlich runter“, sagt deshalb Ministerin Siegesmund. Aus Bayern, der Nummer eins in der Länder-Rangliste, gibt es derzeit keine Öffnungssignale.

4. Ist Osterurlaub im Ausland möglich? Verboten sind Auslandsreisen nicht. Und es werden auch Flüge angeboten. So kommt es, dass nicht wenige deutsche Touristen derzeit zum Beispiel in Mexiko dem hiesigen Lockdown entfliehen. Obwohl dort die Infiziertenrate deutlich über der in Deutschland liegt, müssen sich Touristen im Urlaubsland keinen Tests und keiner Quarantäne unterziehen. Bei der Rückkehr theoretisch schon, aber kontrolliert wird das selten.

Neu ist, dass die Lieblingsinsel der Deutschen, Mallorca, mit der Entscheidung vom Freitag ab diesem Sonntag nicht mehr als Risikogebiet ausgewiesen ist. Die Inzidenz liegt dort deutlich unter 25. Das bedeutet: Mallorca-Urlauber ersparen sich bei ihrer Rückkehr die Quarantäne. Gleiches gilt für die anderen Balearen-Inseln, Teile des spanischen Festlands und Teile Portugals. Reiseveranstalter wie TUI fahren ihre Osterangebote in diese Regionen jetzt deutlich hoch.

5. Sieht es über Pfingsten besser aus? Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), macht Hoffnung: „Ab Pfingsten“, sagt er, werde Tourismus zumindest in der Bundesrepublik wieder problemlos möglich sein. Pfingstsonntag ist in diesem Jahr am 23.?Mai; die Ferien beginnen vielerorts schon etwas früher.

6. Und was wird aus dem Sommerurlaub? Laut Bareiß wird Urlaub etwa am Mittelmeer in den Sommermonaten möglich sein. Auch beim Deutschen Reiseverband geht man ab der Jahresmitte fest von „sicherem Urlaub mit Pauschalreiseveranstaltern zumindest innerhalb Europas“ aus.

Verreisen schon über Ostern?

Radeln statt um die Welt jetten

Werden wir nach Corona anders verreisen als davor? Mark Hoplamazian, Chef der Hotelkette Hyatt, ist davon überzeugt. „Die Menschen werden bewusster durch die Welt reisen“, sagte er während eines Videogesprächs zur Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin. Sein Kollege Patrick Mendes von Accor ergänzte: „Sicherheit, Gesundheit und Hygiene“ würden in Zukunft maßgebliche Kriterien sein, nach denen Urlauber ihre Hotels aussuchten. „Ein Hotel muss künftig mehr sein als ein Hotel. Es muss ein Platz zum Leben sein.“

Beim ADAC hält man nicht viel von Managersprech wie diesem. Er glaube nicht, dass die Menschen ihr Reiseverhalten sehr stark umstellen werden, sagt Carsten Cossmann, Leiter der Abteilung Tourismus. „Die meisten möchten ihr altes Reiseleben wieder zurück.“ Ähnlich sieht es der Tourismusexperte Martin Lohmann. Eine Abkehr von früheren Gewohnheiten sei bei der großen Masse wenig wahrscheinlich, so der Leiter des Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Kiel.

Nischenanbieter wie „Anderswo“ sind dennoch überzeugt, dass sie im Nachgang der Pandemie Kunden dazugewinnen können. Wünsche nach „zukunftsfähigem und nachhaltigem Reisen“ gingen verstärkt ein, teilt das Bonner Unternehmen mit. Man rate zu Individual- statt Pauschalreisen, zum Übernachten im familiengeführten Hotel statt in der Bettenburg und zum Buchen beim eher kleinen Veranstalter. „Reisen statt durch die Welt zu jetten“, sei vermehrt das Ziel.

Thomas Bieger, Professor für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Sankt Gallen, teilt diese Einschätzung. Massentourismus werde es zwar weiter geben, aber er werde sich ändern, glaubt er. Nach der Corona-Erfahrung „werden die Leute in Zukunft wohl nicht mehr stundenlang anstehen wollen, um zum Beispiel das Kolosseum in Rom anschauen zu können“. Sein optimistischer Ausblick: Warteschlangen könnten dank der digitalen Möglichkeiten bald der Vergangenheit angehören.

Zwei Arten des Reisens dürften in der Nach-Coronazeit zu den Gewinnern zählen: Radreisen und Caravaning. Die Nachfrage nach Urlaub mit dem Fahrrad habe deutlich angezogen, teilt der Online-Radreisevermarkter Cyclelo mit. Die Zahl verkaufter Wohnmobile wiederum hat 2020 gegenüber 2019 um knapp die Hälfte zugenommen. Dass die neuen Besitzer und Besitzerinnen ihre Gefährte in den kommenden Sommern zu Hause stehen lassen werden, ist kaum anzunehmen.

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Erstellt:
13.03.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 05sec
zuletzt aktualisiert: 13.03.2021, 06:00 Uhr

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