Vermutlich landete der Schwan im Topf
Ein Schwan wurde in eine Falle gelockt und dort gerupft · Federn und Flügel zeugen von der Tat
Schwan findet man in der Regel nicht auf Speisekarten in deutschen Restaurants. Auch nicht im Tiefkühlregal von Supermärkten. Was sich deutsche Kaiser und britische Könige als Delikatesse servieren ließen, soll nicht nur schwierig zuzubereiten sein, sondern auch zäh und tranig schmecken.
Dennoch wird wohl erneut einer der Tübinger Neckar-Schwäne im Kochtopf landen. Davon gehen die Mitarbeiter beim Winterquartier der Wasservögel aus. Am vergangenen Montag nämlich entdeckten sie in der Nähe des Platzes am Neckar entlang der Bismarckstraße Federbüschel und zahlreiche Einzelfedern von einem Jungschwan. Das Tier war gerupft worden, von dem Körper fehlte jede Spur.
„Wir gingen der Federspur nach und merkten, dass wohl eine Art Tunnel in das Gestrüpp geschnitten worden war“, teilten die beiden Schwanenbeauftragten Margret Ehrmann und Elisabeth Metzinger dem Vorstand des Tierschutzvereins schriftlich mit. In diesen Tunnel, vermuten sie, ist der Schwan hineingetrieben und geschlachtet worden.
„Das war von langer Hand geplant“, sagt Albrecht Wengert, der sich beim Winterquartier ehrenamtlich egagiert. Schon vor einigen Wochen war den Mitarbeitern dort aufgefallen, dass Ruten von den am Neckar stehenden Wasserweiden abgeschnitten und einfach abgelegt worden waren. Sie fragten im Technischen Rathaus nach, die hatten damit aber nichts zu tun. Den Tunnel, der dem Schwan zum Verhängnis werden sollte, entdeckten Ehrmann, Metzinger und Wengert zu dem Zeitpunkt aber noch nicht. Erst am Montagnachmittag fanden sie die Federn nebst Bürzel. „Es ist diesmal so eindeutig, dass es sich um Absicht handelt. Es ist furchtbar, dass es wieder losgeht“, sagt Wengert. Denn bereits Anfang des Jahres gab es innerhalb von zehn Tagen drei tote Schwäne (das TAGBLATT berichtete). Zwei von ihnen wurden auf den Weilheimer Wiesen vermutlich von Hunden attackiert und getötet. Der dritte aber war wohl ebenfalls zum Verzehr eingeplant. Während nämlich bei den zwei toten Tieren auf der Weilheimer Wiese Bissspuren festgestellt wurden, blieb von dem dritten Schwan am Winterquartier der Schwäne nicht viel übrig.
Dort wurde der Schwan im Februar an Ort und Stelle gerupft, die Schwanzfedern fein säuberlich zusammengelegt. Keine Anzeichen von abgenagten Knochen oder dem Erkennungsring als Überbleibsel, der auf einen Raubtierangriff schließen ließe.
„Wir haben das seinerzeit und auch jetzt bei der Polizei zur Anzeige gebracht“, sagt Wengert. Ein Täter konnte aber noch nicht ermittelt werden. Anhand der Federn vermuten die Schwanenbeauftragten aber, dass es sich bei dem nun getöteten Schwan um den beringten Jungschwan Lurchy-2 handelt. Der Tübinger Tierschutzverein hat für die Aufzuchtstation Aalen die Auswilderung des noch zahmen Jungschwans übernommen.
Ohnehin macht sich der Tierschutzverein Sorgen um die aktuelle Schwanenpopulation. „Zu dieser Jahreszeit sind eigentlich immer an die 70 Schwäne beim Winterquartier“, sagt Wengert. Bisher habe man aber erst 36 gezählt. Wo genau das Winterquartier liegt, will Wengert nicht in der Zeitung lesen. Das würde nur unnötig Schaulustige anlocken. „Und was uns auch Sorgen macht, ist, dass auch viele Enten, besonders die Mandarinenten, immer mehr vom Neckar verschwinden“, sagt Wengert.
Schwanen-Mord kann im Gefängnis enden
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird die Tötung eines Wirbeltieres „ohne vernünftigen Grund“ geahndet, sagt der Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes. „Wir haben aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem aktuellen Fall und dem vom Februar, um eine Tötung durch Menschen gehandelt hat“, sagt Michael Schaal von der Reutlinger Pressestelle des Polizeipräsidiums. Drei Mal wurde die Polizei zum Winterquartier gerufen. „Beim ersten Mal fanden wir einen abgefressenen Schwanenkörper vor“, sagt Schaal. Da sei klar gewesen, dass der Schwan von einem anderen Tier gerissen wurde. Wenn allerdings nur Federn gefunden werden, lasse der Tathergang nur schwer auf einen Täter schließen, so Schaal.