Klimaaktivisten

Unterstützung für junge Klimaaktivisten: „Es gibt Fälle von Burnout“

Psychologen wie Christoph Burger unterstützen die Bewegung Fridays for Future. Sie haben dieselben Ziele – und helfen bei Überlastung.

25.11.2021

Von Tanja Wolter

Demonstration der Klimaschutzbewegung Fridays for Future im Oktober in Stuttgart. Foto: Marijan Murat/dpa

Demonstration der Klimaschutzbewegung Fridays for Future im Oktober in Stuttgart. Foto: Marijan Murat/dpa

Herrenberg. Zur Klimaschutzbewegung gehören auch Psychologen und Psychotherapeuten. Sie sind in der Initiative „Psychologists for Future“ (Psy4F) zusammengeschlossen, darunter der Herrenberger Diplom-Psychologe Christoph Burger. Er weiß um die Last, die der Kampf gegen die Klimakrise für Jugendliche bedeuten kann.

Die Ergebnisse des Klimagipfels in Glasgow sind für die Klimaschutzbewegung eher frustrierend: Viele Absichtserklärungen ohne konkrete Schritte, kein klares Ja zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Wie ist aktuell die Stimmung in der Szene?

Christoph Burger: Glasgow hat zwar positive Ergebnisse gebracht. Aber in der Klimakrise gilt leider: Ein richtiger Schritt im falschen Tempo ist ein falscher Schritt, wie Luisa Neubauer einmal sagte. Der Protest muss und wird weitergehen – darin sind sich alle einig.

Fridays for Future (FFF) will die Politik dazu bewegen, die Klimakrise zu bewältigen und das 1,5-Grad-Ziel von Paris einzuhalten. Soweit das formale Ziel. Im Endeffekt geht es den Aktivistinnen und Aktivisten darum, „die Welt zu retten“. Ein großer Brocken auf den Schultern junger Menschen – für einige zu schwer?

Ja, sicher. Eigentlich müssten diejenigen in den verantwortlichen und machtvollen Positionen von sich aus handeln. Frau Merkel sagte jüngst, die jungen Leute sollten der Politik mehr Druck machen. Und das, nachdem sie 16 Jahre lang Kanzlerin war. Deutlicher kann man nicht ausdrücken, was hier grundlegend schiefläuft.

Inwiefern können Psychologen und Therapeuten die Jugendlichen darin unterstützen, die Gratwanderung zwischen Engagement, Schule, Ausbildung und Familie zu schaffen?

Hier mischt sich das bewährte psychologische und therapeutische Handwerkszeug damit, dass die Jugendlichen uns auf ihrer Seite wissen. Sie müssen uns nicht erklären, was aktuell auf dem Spiel steht. Wir können auch glaubhaft dazu ermuntern, sich trotz des Engagements Pausen und Erholung zu gönnen.

Kennen Sie Fälle von Überlastung oder Burnout in der Bewegung? Was sind Alarmzeichen dafür?

Die kennen wir natürlich. Denn wenn mächtige Konzerne und die Politik das Weltretten der Jugend überlassen und diese mit aller Kraft darum kämpfen muss, dass auch nur die geltenden Verträge eingehalten werden und gültiges Recht umgesetzt wird, wenn tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihrer Zustandsbeschreibung beipflichten, muss das zur Überlastung führen. Die Alarmzeichen können vielfältig sein, etwa Unruhe, Schlafstörungen, schlechte Blutwerte. Hier positiv gegenzusteuern, ist wichtig.

Reden wir über die positiven Seiten des Engagements. Inwiefern kann es junge Menschen beflügeln? Inwiefern gibt es ihnen Halt, etwa durch Gruppenzugehörigkeit?

Wenn man einer übermächtigen Aufgabe gegenübersteht, ist es natürlich angenehm, nicht alleine zu sein. In den Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung wird häufig eine neue Kultur gelebt, jenseits von Konkurrenz. Fair teilen und sich gegenseitig unterstützen, das wird großgeschrieben. Das ist wie ein Zukunftslabor für unsere Gesellschaft.

Wie wichtig ist die Unterstützung durch die Eltern?

Diese Unterstützung ist enorm wichtig und wird sehr wertgeschätzt – auch wenn das in den Augen der Eltern vielleicht nicht immer deutlich genug ausgedrückt wird. Wenn Eltern ihre Kinder ernst nehmen und sich selbst informieren, ist das ein großes Geschenk.

Seit wann sind Sie selbst bei den Psychologists for Future engagiert? Was ist Ihre Motivation?

Seitdem ich vor zwei Jahren davon erfuhr. Wenn die Zivilisation in ihrem Fortbestand bedroht ist, ist Engagement alternativlos. Wobei wichtig ist, dass alle sich in dem Rahmen und mit der Kompetenz einbringen können, die ihnen zur Verfügung steht. Die Krise ist dramatisch. Aber wir selbst haben sie verursacht, wir können sie auch lösen. Wenn wir den Mut zur Selbstkritik aufbringen, werden wir uns als Menschheit weiterentwickeln. Und dann wird vieles besser sein, als es heute ist.

Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen sich Politiker und Menschheit erst einmal des Problems bewusstwerden. Ist das die Stunde der Psychologen?

Das sollte sie sein – ich hoffe, dass wir uns dieser Aufgabe als fähig und würdig erweisen. Allerdings ist auch klar: Wir können unwillige Menschen genausowenig zum Einlenken bewegen, wie die naturwissenschaftlichen Fakten uns zur Vernunft zwingen können. Wir sind alle auf dem Weg, und wenn eines dabei wichtig ist, dann, dass wir uns gegenseitig wirklich ernsthaft und offen zuhören. Jetzt müssen Alt, Jung, Mächtig, Machtlos, Arm, Reich, Industrieländer und globaler Süden zusammenkommen. Wobei es die Macht braucht, diese faire Zukunft durchzusetzen.

Wie schafft man es, auch als Verbraucher konstruktiv mit dem Problem umzugehen?

Für Konsumenten ist klar: Joghurt im Glas kaufen und dafür in den Urlaub zu fliegen, rechnet sich nicht. Doch den größten Einfluss hat der Mensch als Bürger. Politische Veränderung einzufordern, auch und gerade zwischen den Wahlen, wird entscheidend dafür sein, dass wir künftig in Sicherheit und Freiheit leben können.

Psychologe, Coach und Buchautor

Christoph Burger ist Diplom-Psychologe und Karriere-Berater in Herrenberg. In der Umweltbewegung ist er schön länger aktiv. So hat Burger den Kurs „Zukunftspiloten“ mit eintwickelt – ein Weiterbildungsprogramm für Umweltengagierte. Er ist Autor mehrerer Fachbücher (u.a. „Karriere ohne Schleimspur“). Den „Psychologists for Future“ hat er sich im Gründungsjahr 2019 angeschlossen.

Diplom-Psychologe Christoph Burger.  Foto: Niels Germerodt

Diplom-Psychologe Christoph Burger. Foto: Niels Germerodt

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Erstellt:
25.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 30sec
zuletzt aktualisiert: 25.11.2021, 06:00 Uhr

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