Unterstützung für Haiti
Nach dem Erdbeben: Unterm Dach will keiner schlafen
Der Haitianer Joseph Ferdinand, der in Tübingen lebt und arbeitet, sammelt Spenden für sein Heimatland nach dem Erdbeben.
Kurz nach dem schweren Erdbeben auf Haiti im Jahr 2010 verließ Joseph Ferdinand seine Heimat. Das war geplant: Der damals 27-Jährige, geboren und aufgewachsen in Port au Prince, hatte in Haiti Psychologie studiert und ein Stipendium bekommen, um den Bachelor in Heidelberg zu machen. Seinen Master legte Ferdinand in Leipzig ab, danach kam er nach Tübingen, wo er am Hector-Insitut arbeitet und seine Doktorarbeit schreibt.
Am 14. April bebte die Erde wieder auf Haiti. Das Beben war wesentlich stärker als das vor elf Jahren, aber es traf nicht die Hauptstadt, sondern den Südosten, wo es kleinere Städte und viele Dörfer gibt. Etliche davon wurden vollständig zerstört, 2000 Menschen starben, zahlreiche werden immer noch vermisst.
„Es ist gerade Regenzeit“, sagt Ferdinand, „aber die Menschen schlafen draußen.“ Es gebe viele Nachbeben, „da will niemand unter einem Dach schlafen“. Auch die Krankenhäuser behandeln die Verletzten im Hof. Es mangele an Medikamenten, an Zelten, an Lebensmitteln. Und manche der zerstörten Dörfer seien nur schwer zu erreichen, denn auch die Straßen dorthin seien zerstört.
Hilfe kommt nicht oder nur schleppend an. „Nach dem Beben 2010 sind viele Spenden einfach verschwunden, nur etwa 10 Prozent des Geldes kam bei den Leuten an, die es gebraucht haben“, sagt Ferdinand. Stattdessen sei es bei korrupten Organisationen gelandet. Korruption sei auch heute noch ein Problem.
Deshalb will Ferdinand den Menschen auf Haiti helfen. Im Dezember 2021 gründete er zusammen mit andern die Treuhand-Stiftung „Padre Wasson Foundation“, die sich zum Ziel gesetzt hat, schutzbedürftigen Kindern zu helfen und Erwachsene und Kinder in Notsituationen zu unterstützen. Ferdinand ist im Stiftungsrat der gemeinnützigen Organisation auch deshalb, weil er Einrichtungen in Haiti kennt. Er hat, bevor er nach Deutschland kam, bei Hilfsorganisationen in Haiti gearbeitet, kennt deren Arbeit und die Strukturen – und die Leute.
Eine dieser Organisationen ist „Locally Haiti“, die schon seit 30 Jahren Familien unterstützt und medizinische Zentren unterhält. Eine andere ist die St. Luke Foundation for Haiti. „Sie hat Krankenhäuser, Schulen und verschiedene Wirtschaftsprojekte“, sagt Ferdinand, „und sie sind sehr aktiv im Kampf gegen Corona.“
Denn auch die Pandemie herrscht in Haiti. „Es ist nicht so schlimm, wie es etwa in Italien war, denn Haiti hat eine junge Bevölkerung“, sagt Ferdinand, „aber es starben auch in Haiti Menschen an Covid-19.“
Dazu kommt, dass das Land seit Jahren politisch instabil ist. Zur Zeit gibt es nur eine Übergangsregierung, nachdem Präsident Jovenel Moïse Anfang Juli ermordet wurde. Doch Ferdinand ist zuversichtlich: „Der haitianische Geist ist stark. So wie unsere Vorfahren es geschafft haben, uns von der Sklaverei zu befreien, so werden auch wir es schaffen, uns aus dieser Krise zu befreien und das Land voranzubringen.“