Botulismus

Unsichtbare Gefahr im Einmachglas: Was man beachten sollte

In der Pandemie haben viele das Einkochen wieder neu für sich entdeckt. Wer Lebensmittel haltbar machen will, sollte einige Dinge beachten, denn Vergiftungen sind durchaus möglich.

19.08.2021

Von EILEEN SCHEINER

Eingemachter Thunfisch. Foto: ©Maryia_K/shutterstock.com

Eingemachter Thunfisch. Foto: ©Maryia_K/shutterstock.com

Ulm. Tomaten, Zucchini, Bohnen, Zwetschgen oder Trauben: Im August und September ist traditionell Erntezeit. Wer nicht alles sofort verbraucht, was er angepflanzt und geerntet hat, greift gerne auf die altbekannte Methode Einkochen zurück. Das Thema Lebensmittel haltbar zu machen, ist nicht erst, aber gerade in Corona-Zeiten äußerst beliebt. Damit das Eingeweckte auch sicher verzehrt werden kann, sollten Hobbyköche jedoch einiges beachten. Grundsätzlich eignen sich alle Lebensmittel zum Einkochen und Einmachen. Zu den Klassikern zählen Obst und Gemüse, doch auch Fleisch, Eintöpfe, Suppen oder sogar Kuchen können eingemacht werden.

Wichtig ist bei allen Lebensmitteln, dass sie frisch und einwandfrei sind. „Obst kann nur roh verwendet werden, Gemüse darf roh oder blanchiert sein“, schreibt das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) in einem Ratgeber. „Wie lange und bei welchen Temperaturen eingeweckt wird, richtet sich nach der Art und Menge des Lebensmittels. Halten Sie sich hier genau an das Rezept oder an die Einkochtabellen des Herstellers Ihres Einkochgerätes“, heißt es weiter.

Beim Einkochen werden die in den Waren enthaltenen Mikro-Organismen, wie Bakterien oder Sporen, abgetötet. Es entsteht ein Überdruck. Dabei werden zwischen dem Gummiring und dem Glasrand Dampf, heiße Luft und eventuell Flüssigkeit aus dem Glas herausgedrückt – es kommt aber nichts ins Glas hinein. Beim Erkalten bildet sich ein Unterdruck beziehungsweise Vakuum. Dadurch sitzt der Deckel fest auf dem Glas.

Hohe Temperaturen nötig

Dass alles steril ist und ein stabiles Vakuum entsteht, ist wichtig, denn „grundsätzlich können Lebensmittel, die durch Einkochen in der Küche des Privathaushalts haltbar gemacht werden, mit verschiedenen krankmachenden Bakterien verunreinigt sein“, erläutert Dr. Petra Hiller, Expertin für Lebensmittelsicherheit beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die meisten Bakterien sterben allerdings beim Einkochvorgang ab. „Es gibt jedoch einige Bakterienarten, die sehr widerstandsfähige Entwicklungsstadien, sogenannte Sporen, bilden können. Eine davon ist Clostridium botulinum.“ Dessen Sporen können erst bei Temperaturen von über 100 Grad Celsius zerstört werden – das heißt, sie können den normalen Einkochvorgang überleben. „Die Sporen können sich im fertigen Einmachglas in die Bakterienform umwandeln und bei ihrer Vermehrung Giftstoffe bilden“, erklärt Hiller.

Die Giftstoffe können Botulismus auslösen. Eine sehr seltene, aber schwere und unbehandelt meist tödlich verlaufende Krankheit. Zu den Symptomen zählen Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung sowie neurologische Symptome wie Mundtrockenheit, Sehstörungen oder Lähmungen der Augen- und Atemmuskulatur. Dem Robert-Koch-Institut wurden von 2001 bis 2018 zwischen 0 und 24 Botulismus-Fälle in Deutschland pro Jahr gemeldet. 2019 waren es sechs Fälle, die durch den Verzehr von Lebensmitteln ausgelöst wurden.

Damit sich erst gar keine Giftstoffe bilden, rät die BfR-Expertin Gemüse oder Fleisch zweifach einzukochen: „Die Lebensmittel sollten innerhalb von ein bis zwei Tagen doppelt auf 100 Grad Celsius erhitzt werden. Zwischen den beiden Vorgängen sollte das Einweckgut am besten bei Raumtemperatur gelagert werden.“ Durch das erste Erhitzen werden die vermehrungsfähigen Bakterien abgetötet. Jedoch können hitzestabile Sporen überleben und auskeimen und sich wiederum zu vermehrungsfähigen Bakterien entwickeln. „Diese können mit der zweiten Erhitzung abgetötet werden“, sagt Hiller.

Vorsicht bei verbeulten Deckeln

Botulismus-Bakterien sind besonders gefährlich, weil sie quasi unsichtbar sind. „Verbraucher können es meist nicht mit dem bloßen Auge oder am Geschmack erkennen“, meint die BfR-Expertin. Hinweise könnten ausgebeulte Gefäße oder aufgewölbte Deckel sein. Auch wenn sich der Deckel eigenständig löst oder das typische Zischen beim Öffnen fehlt, ist ebenfalls Vorsicht geboten. „Diese Waren sollten auf keinen Fall mehr verzehrt werden“, sagt Hiller. Es gibt jedoch auch Bakterien-Stämme, die zwar Giftstoffe bilden können, aber kein Gas produzieren. „Bei diesen Stämmen kann man die Toxinproduktion weder am Aussehen, noch am Geruch oder Geschmack erkennen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte das Einweckgut direkt vor dem Verzehr auf 100 Grad erhitzen“, erläutert die Expertin. Dadurch werden die gebildeten Botulinumtoxine inaktiv.

Eine Alternative ist laut Marie Diederich, die den Internetblog „Wurzelwerk“ betreibt, ein Einkochdruckkessel, ein Gerät in dem Temperaturen über 120 Grad möglich sind. So sterben die Sporen bereits nach nur einem Kochvorgang ab. „Wichtig: Bevor ihr so einen Einkochdruckkessel in Betrieb nehmt, macht euch mit dem Gerät gut vertraut. In diesem Kessel herrscht ordentlich Druck, deswegen ist es ganz wichtig, dass alle Sicherheitsventile richtig eingestellt sind, sonst kann es da auch schnell mal zu Unfällen kommen“, rät Diederich.

Im Gegensatz zu Gemüse oder Fleisch ist das Einmachen von Obst unbedenklich. Obst hat von Natur aus viel Säure und wenig Eiweiß – eine Umgebung, die den Botulismusbakterien überhaupt nicht gefällt. Bohnen oder Spargel hingegen enthalten viel Eiweiß und sind deshalb besonders anfällig für Botulismusbakterien.

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Erstellt:
19.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 19.08.2021, 06:00 Uhr

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