Tübingen · Pandemie

Corona-Verordnung: Handel über das Wirrwarr erbost

Kurz vor Weihnachten ist die Tübinger Innenstadt fast menschenleer, der Handel „weitgehend“ geschlossen. Das sorgt für Probleme und Unmut.

16.12.2020

Von Andreas Straub

Für den Einzelhandel war und ist das Jahr 2020 kein leichtes. Bild: Ulrich Metz

Für den Einzelhandel war und ist das Jahr 2020 kein leichtes. Bild: Ulrich Metz

Die Tübinger Innenstadt ist deutlich leerer als gewöhnlich. Seit dem Mittwoch ist der Einzelhandel „weitgehend“ geschlossen. So lautet der grundsätzliche Beschluss von Bund und Land. Doch im Einzelnen sind viele Fälle unklar. Die Probleme stellen sich vor Ort.

„Wenn wir auflegen, ruft gleich der nächste an“, sagte Nadine Straubinger, Leiterin des Tübinger Ordnungsamtes am Mittwoch am Telefon. Denn bei ihr und ihren Mitarbeitern standen die Telefone nicht still. Erst am späten Dienstagabend war die genaue Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg veröffentlicht worden. „Wir sind in der Stadt unterwegs und führen viele Gespräche“, sagte Straubinger. In den meisten Fällen könne „gemeinsam“ mit den Händlern entschieden werden, einige Fragen seien aber ungeklärt. Grundsätzlich sind weiterhin Lebensmittelhändler, Wochenmärkte, Hofläden, Apotheken, Reformhäuser, Sanitätshäuser, Drogerien, Tierbedarfsmärkte, Großhandel und Tankstellen geöffnet – mit begrenzter Kundenzahl je nach Fläche sowie Masken- und Hygieneregeln. Klar ist, dass zum Beispiel Textilhändler und Gärtnereien geschlossen sind.

Besonders viele Fragen wirft gerade das sogenannte „Mischsortiment“ auf, das eben viele Händler haben: Ein Teil fällt in die erlaubte Warenkategorie, ein Teil in die für den Verkauf derzeit verbotene. Überwiegt der erlaubte Teil, darf das gesamte Geschäft offen bleiben. Überwiegt der verbotene Warenteil, darf der erlaubte nur räumlich abgegrenzt verkauft werden. Beispiel Drogeriemarkt Müller: Die Lebensmittel dürfen dort verkauft werden, Spielsachen nicht. Auf TAGBLATT-Nachfrage gibt sich die Geschäftsleitung in Tübingen dort wortkarg.

„Die Aussagen in der Verordnung sind schwammig“, sagt ein Verantwortlicher, der nicht namentlich genannt werden will. Es gebe viele Diskussionen mit Kunden, weil jeder die Vorschriften anders auslege. „Manche tolerieren den zweiten Lockdown, andere nicht.“ Für Ordnungsamtsleiterin Straubinger ist klar: Kleine Geschäfte, die beispielsweise Feinkost, Kaffee, Süßwaren oder Pralinen verkaufen, dürfen geöffnet bleiben. „Alles, was unter Lebensmittel und Getränke fällt, ist erlaubt“, so Straubinger. Auch Postannahmestellen bleiben offen. Nebenbei dürfen sie zum Beispiel Stifte und Kuverts verkaufen. Das restliche Sortiment bleibt vom Verkauf ausgenommen, außer die Umsätze der Poststelle sind höher als die restlichen des Geschäfts. Ein großer Supermarkt wie Kaufland, bei dem die Lebensmittel überwiegen, darf beispielsweise weiterhin uneingeschränkt Kurzwaren verkaufen.

Liefern ist erlaubt. Doch während die Gastronomie abholen lassen darf, ist diese Regelung im Handel unklar. „Beim Abholen stehen viele Fragen unbeantwortet im Raum“, sagt Stefan Braun, Sprecher des Handel- und Gewerbevereins Tübingen. „Die Unsicherheit ist groß.“ Die Händler seien ohnehin erbost, zumal die Schließungen sehr kurzfristig kamen. Für Braun ist unverständlich, dass eine Online-Bestellung und eine Abholung im Laden nach der jetzigen Verordnung nicht möglich ist. „Die Händler bemühen sich, kurzfristig etwas auf die Beine zu stellen“, sagt Braun. Aber nicht jeder habe einen Lieferdienst. Demnächst soll als Unterstützung für die Gewerbetreibenden eine Liste der nach wie vor erreichbaren Betriebe veröffentlicht werden. Auch wenn der Tü-Shop zum 18. Dezember schließt, bleiben die Händler über das Portal tuemarkt.de auffindbar und erreichbar.

Nach dem derzeitigen Stand der Verordnung können geschlossene Händler auch nicht mit geöffneten Betrieben für einen Abholdienst kooperieren. Denn die Corona-Verordnung untersagt derzeit selbst geöffneten Einzelhändlern, einen Abholservice anzubieten. „Da werden wir selbst nicht schlau aus der Verordnung“, sagt Straubinger. Sie habe mit mehreren Kollegen aus anderen Städten gesprochen, denen es ähnlich gehe. Möglicherweise handle es sich um einen redaktionellen Fehler. „Das jedenfalls leuchtet mir nicht ein.“

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Erstellt:
16.12.2020, 21:29 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 16.12.2020, 21:29 Uhr

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