Tübingen
Saniert: Hölderlinturm mit neuem Innenleben
Sein halbes Leben verbrachte der angeblich wahnsinnig gewordene Dichter Hölderlin in einem Tübinger Turmzimmer. Der literarische Erinnerungsort ist nun saniert - pünktlich zum großen Jubiläum.
„Hölderlin wandte Inszenierungstechniken an, um Besucher fernzuhalten“, sagte Thomas Schmidt vom Deutschen Literaturarchiv Marbach. Der am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar geborene Lyriker war Zeitgenosse der Dichter Schiller und Goethe, befreundet mit den Philosophen Hegel und Schelling, lässt sich aber keiner literarischen Strömung eindeutig zuordnen.
In Tübingen ist Hölderlin bis heute stadtbildprägend. Der nach ihm benannte Turm steht an der populären Neckarfront und findet sich auf zahlreichen Touristenfotografien. Mehrere Jahre war er wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Nun ist die von Thomas Schmidt in Zusammenarbeit mit Hölderlin-Gesellschaft und Stadt kuratierte neue Dauerausstellung für Besucher zugänglich. 2,15 Millionen Euro kostete die Neugestaltung.
Der Hölderlinturm ist wieder offen
Von 1807 bis zu seinem Tod 1843 verbrachte der Dichter Friedrich Hölderlin die zweite Hälfte seines Lebens im Hölderlinturm in Tübingen. Deshalb ist das markante Gebäude am Neckar ein wichtiger literarischer Erinnerungsort. Am Freitag bekam die Presse einen Einblick, ab Montag, 17. Februar 2020, ist der Hölderlinturm nach einer umfangreicher Sanierung und Neukonzeption wieder regulär geöffnet. Der Eintritt ist frei.
© ST
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Hölderlin hatte in Tübingen Theologie studiert und wurde wegen seines verwirrten Zustands später in die örtliche Klinik eingewiesen. Deren Direktor erklärte ihn für unheilbar nervenkrank. Der Turmbesitzer, ein Schreiner, nahm ihn auf - weil er Fan von Hölderlins Roman „Hyperion“ war. 36 Jahre lang, bis zu seinem Tod, pflegte die Familie den Dichter.
Die museale Aufarbeitung des literarisch und biografisch bedeutsamen Ortes war schwierig, weil es sich bei dem Hölderlinturm nur um einen ähnlichen Nachbau aus dem Jahr 1876 handelt. Das Originalgebäude, in dem Hölderlin saß und dichtete, war ein Jahr zuvor abgebrannt.
Authentizität sei nicht nur in Möbeln und Mauern zu finden, sondern vor allem in der Literatur, so Kurator Schmidt. Zuschreibungen wie jene des verrückten Dichters im Turm, von Kunst und Wahnsinn, sollen in ihrer Zwiespältigkeit dargestellt werden. In der Dauerausstellung sind deshalb vor allem Hölderlins Texte inszeniert. Projizierte Gedichtzeilen flimmern auf Holzbrettern, in goldenen Buchstaben laufen poetische Fragmente über Türrahmen, in einem „Sprachlabor“ können Besucher multimedial mit Rhythmen und Versmaßen jonglieren. Laut Schmidt soll Sprache als Kunst gezeigt und körperlich wie sinnlich erfahrbar werden.
Lediglich ein Exponat ist zu sehen, mit dem Hölderlin selbst noch im Wortsinn hantiert haben soll: ein kleiner Tisch. Darauf habe er „mit der Hand geschlagen, wenn er Streit gehabt mit seinen Gedanken“, berichtete einst seine Pflegerin.