Coronavirus

Tübinger Forscher beteiligt: Antikörper-Schnelltest in zwölf Minuten

Wie die Universität Tübingen mitteilt, hat ein internationales Forschungsteam einen Schnelltest entwickelt, der innerhalb von Minuten Antikörper gegen den Covid-19 Erreger Sars-Cov-2 im Blut zuverlässig nachweisen kann. Der Test soll auch die Menge an Antikörpern aufzeigen. Beteiligt waren Forscher aus Tübingen und Paraná (Brasilien).

09.02.2021

Von ST

Prof. Dr. Karl Forchhammer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen. Archivbild: Ulrich Metz

Prof. Dr. Karl Forchhammer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen. Archivbild: Ulrich Metz

Wie die Forscherinnen und Forscher in der Fachzeitschrift ACS Sensors berichteten, lasse sich das neue Verfahren aufgrund eines einfachen Messprinzips ohne teure Instrumente durchführen und ist daher auch für mobile Teststationen oder für Labore in wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen geeignet. Die neue Diagnosemethode sei zudem deutlich schneller als das sogenannte Elisa-Verfahren, das in der Labordiagnose von Antikörpern seit Jahrzehnten als Goldstandard gilt.

„Nur eine kleine Probenmenge wird für den Test benötigt: Gerade mal ein Tropfen reicht aus, der zwei Mikroliter Serum enthält“, wird der Erstautor der Studie, Professor Luciano F. Huergo von der Universität Paraná, zitiert: „Zudem ist es möglich, Vollblut einzusetzen.“ Das heiße, die normalerweise notwendige Abtrennung der löslichen Blutbestandteile könne für die Diagnose entfallen. Das ermögliche den Einsatz des Tests an Pflege- und Teststationen vor Ort. „Ein ausgestattetes Labor sowie der Einsatz spezieller Geräte ist für die Durchführung nicht unbedingt erforderlich.“ Darüber hinaus sei die Gesamtreaktionszeit 15 Mal kürzer als die des klassischen Elisa-Tests, wie Huergo erläutet: „Dadurch können Hunderte von Proben in wenigen Stunden getestet werden.“

Das neue Testverfahren basiert auf magnetischen Nanopartikeln, die mit viralen Antigenen beschichtet sind. Zur Durchführung des Tests wird Blutserum oder Blut auf die Testoberfläche aufgetragen. Nach ungefähr zwei Minuten werden die Nanopartikel gewaschen und mit einer Entwickler-Reagenz behandelt. Weist die Blutprobe Antikörper gegen das Coronavirus auf, kommt es zu einem Farbumschlag. Während beim traditionellen Elisa-Test das Ergebnis nach etwa drei Stunden vorliegt, benötigt die neue Methode nach den Ergebnissen der Studie nur zwölf Minuten.

Einsatz bei akut Erkrankten und bei Genesenen möglich

Antikörper gegen das Coronavirus Sars-Cov-2 bilden sich im Allgemeinen 11 bis 16 Tage nach Auftreten der Symptome aus. Einige Patienten produzieren jedoch bereits zwei bis vier Tage nach den ersten Krankheitssymptomen Antikörper in nachweisbaren Konzentrationen. Immunologische Tests können daher als zusätzliche Instrumente zur Identifizierung von Patienten in der akuten Phase der Covid-19-Erkrankung beitragen – oder von Patienten, die in der PCR-Untersuchung als falsch negativ getestet wurden.

„Unser Test schnitt insbesondere bei Proben mit niedrigen Antikörpertitern besser ab als das Elisa-Verfahren“, zitiert die Pressemitteilung Professor Karl Forchhammer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen. „Die Methode arbeitete mit einer Sensitivität von 87 Prozent sowie einer Spezifität von 99 Prozent der getesteten Covid-19-Proben.“

Bereits mit dem bloßen Auge könnten positive und negative Ergebnisse festgestellt werden. Durch den Einsatz zusätzlicher Instrumente, wie eines Microplate-Readers, könne die Präzision des Tests weiter gesteigert werden. „Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Elisa-Verfahren besteht darin, dass das Farbergebnis unseres neuen Verfahrens direkt proportional zur Antikörperkonzentration ist“, sagte Huergo. „Mit anderen Worten: Die neue Methode liefert Daten über die Menge an Antikörpern und nicht nur über ihr Vorhandensein oder Nichtvorhandensein.“

„Meilenstein in der Entwicklung“

Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die neue Technologie auch auf die serologische Diagnose anderer Krankheiten angepasst werden kann. Professor Huergo sagte, das neue Verfahren habe das Potenzial, den seit den 1970er Jahren verwendeten Elisa-Test zu ersetzen: „Wir glauben, dass diese Technik einen Meilenstein in der Entwicklung der immunologischen Diagnostik darstellt.“ In der Forschungsliteratur gebe es keine Berichte über einen immunologischen Test für Covid-19, der so schnell, mit so hoher Genauigkeit und vor allem so geringen Kosten Daten liefere.

Die Autorinnen und Autoren der Studie gehen davon aus, dass das neue Verfahren künftig zu vergleichbaren Kosten für jeweils eine Diagnose wie der Elisa-Test angeboten werden kann. „Der Test erfordert nur minimale Instrumentierung in allen Produktionsphasen und soll nun mit einer größeren Anzahl von Proben sowie für die Massenproduktion evaluiert werden“, wird Dr. Khaled Selim, der Leiter des deutschen Teams an der Universität Tübingen, zitiert.

„Wir glauben, dass unsere schnelle und quantitative Methode zum Nachweis von Sars-Cov-2-Antikörpern dabei helfen kann, Fälle von Covid-19 zu verfolgen, insbesondere in Entwicklungsländern wie Brasilien, die nicht den Luxus haben, regelmäßige PCR-basierte Tests im Rahmen der Krankenversorgung durchzuführen.“ Die Technologie steht für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationspartnerschaften über die Innovationsagentur der Universität Paraná zur Verfügung, die über die gesetzlichen und Patentrechte verfügt.

Info Wie der Elisa-Test funktioniert, hat die Journalistin Stefanie Uhrig für „Planet Wissen“ anschaulich dargestellt.

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Erstellt:
09.02.2021, 11:54 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 09.02.2021, 11:54 Uhr

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