Absurde Überraschungen

Trotz Sicherheitsmaßnahmen gerieten Fans verschiedener Länder in groteske und blutige Zwischenfälle

Nach dem Spiel gegen Island waren drei argentinische Fans auf dem Rückweg in ihr Hostel, als aus dem fünften Stock eines Hauses an der Wassiljewskaja Straße ein nackter Mann auf sie herabstürzte.

19.06.2018

Von STEFAN SCHOLL

Brisantes Handyvideo: Der Taxifahrer (re.), der mehrere Passanten angefahren hat, versucht zu flüchten. Foto: Viktoria Geranovich/dpa

Brisantes Handyvideo: Der Taxifahrer (re.), der mehrere Passanten angefahren hat, versucht zu flüchten. Foto: Viktoria Geranovich/dpa

Moskau. Der stand vorher nach Aussagen von Augenzeugen schimpfend und gestikulierend im Fenster, verlor dann das Gleichgewicht und fiel. Der Unbekannte starb wenig später auf der Intenvivstation, zwei der Argentinier landeten ebenfalls im Krankenhaus. Wie die Pressestelle der argentinischen Botschaft in Moskau unserer Zeitung mitteilte, ist einer von ihnen schwer verletzt und wird in die Heimat ausgeflogen.

Ein Unfall, so aberwitzig, als sei der Teufel zurückgekehrt, der in Michail Bulgakows mystischem Roman „Meister und Margarita“ von 1940 grausamen Schabernack mit den Bewohnern der Stalinschen Hauptstadt trieb. Doch am ersten WM-Wochenende gab es mehrere Zwischenfälle, trotz eines enormen Sicherheitsaufgebots, und obwohl die Gastfreundschaft und Friedfertigkeit der Moskauer allgemein beeindruckte. Die Zeitung Moskowski Komsomoljez meldete, ein 26-jähriger Fan aus Nigeria sei am Samstag vom Vordach eines Hauses in der Brussilow-Straße gestoßen worden und habe sich beide Fersen gebrochen. Zu der Handgreiflichkeit mit Hausbewohnern sei es gekommen, weil der Nigerianer dort betrunken getanzt und gelärmt habe. Die Moskauer Polizei dementierte allerdings jegliche Gewalttätigkeit, der junge Mann sei aus eigener Unachtsamkeit heruntergefallen.

Terrorhinweise ignoriert

Am gleichen Abend aber scherte auf der Iljinka-Straße ein Taxi aus dem im Stau stehenden Verkehr aus und fuhr mit Schwung in die Menschenmenge auf dem Bürgersteig. Acht Menschen verletzt, darunter zwei Staatsbürger Mexikos. Am Steuer des Taxis saß ein 32-jähriger Kirgise, der zu fliehen versuchte, aber gefasst wurde. „Nach den Videoaufnahmen zu urteilen, sieht es nach Absicht aus“, sagt der Moskauer Rechtsanwalt Nikolai Polosow. Und das Oppositionsportal Russki Monitor urteilt: „Das war ein Terrorakt.“ Die Moskauer Polizei aber eröffnete ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung. Der Beamte, der ihn verhört, fragt nicht nach möglichen Kontakten zu extremistischen Gruppen. Obwohl beim letzten schweren Terrorakt in Russland im April 2017, als bei einem Bombenanschlag in der Petersburger Metro 16 Menschen starben, der Selbstmordattentäter ebenfalls aus Kirgisistan stammte. „Die Behörden ignorieren offenbar die Version Terroranschlag“, sagt Polosow. Während der WM aber verbiete man sich jeden Terrorakt. „Die hat der Geheimdienst ja angeblich schon vorher alle vereitelt.“

In der russischen Hauptstadt kamen von Januar bis November 2017 allein im Straßenverkehr 439 Menschen um, die grotesken und blutigen Unfälle, die hier Raser oder Berauschte verursachen, sind manchmal kaum von Terroranschlägen zu unterscheiden. Moskau ist ein Ort oft absurder Überraschungen – auch in den Zeiten der Fußball-WM.

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Erstellt:
19.06.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 19.06.2018, 06:00 Uhr

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