In eigener Sache
Nachruf: Trauer um Martin Gehlen
Noch am Samstag erschien auf der Seite Drei der „Südwest Presse“ ein Beitrag unseres Nahost-Korrespondenten Martin Gehlen über „Das Comeback des IS“.
Es war eine seiner zahlreichen, so überaus kenntnisreich geschriebenen Analysen aus der gesamten arabischen Welt. Dass es sein letzter Artikel sein würde, damit hatte niemand gerechnet. Gehlen ist am selben Tag in Tunis im Alter von 64 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.
Seit 2008 arbeitete der gebürtige Düsseldorfer für unser Blatt und zahlreiche Zeitungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zusammen mit seiner Frau, der Fotografin Katharina Eglau, bereiste er den Nahen Osten und die Staaten des Maghrebs.
Zunächst lebten beide in Kairo. Als dort am 25. Januar 2011 zehntausende Menschen auf den Tahrir-Platz strömten, war Martin Gehlen mitten unter ihnen und erlebte mit, wie der Volksaufstand gegen das korrupte und autoritäre Regime von Staatschef Hosni Mubarak begann. „Wir wollen nicht mehr so weiterleben“, erzählten ihm die Demonstranten voller Hoffnung. Für Gehlen war dies, wie er später sagte, „einer der prägendsten Tage meines Lebens“.
Doch die Euphorie des Arabischen Frühlings mündete in einen „scheinbar unaufhaltsamen Niedergang der gesamten Region“, hielt Gehlen fest. Für ihn war diese Entwicklung eine Tragödie aus Krieg, Kampf und Gewalt zu Lasten der Zivilbevölkerung, und er befürchtete eine „Kernschmelze des Orients“. Weil die Lage in Kairo für Europäer zu unsicher wurde, verlegten Gehlen und Eglau ihren Standort im Sommer 2017 nach Tunis.
Mit dieser Zeitung war Gehlen schon früh verbunden. Nach einem Volontariat an der Deutschen Journalistenschule in München arbeitete er von 1988 bis 1990 als Politikredakteur für die Südwest Presse. Anschließend wechselte er zum Berliner Tagesspiegel und kehrte 2012 zur Südwest Presse zurück. In Münster hatte er Biologie, Theologie und Nordamerikawissenschaften studiert. Längere Studienaufenthalte absolvierte er an der Harvard Universität, der Hebräischen Universität Jerusalem und an der Sciences Po Universität in Paris. Gehlen promovierte bei Professor Hans Joas am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien in Erfurt in Politikwissenschaften mit einer Studie über den Einfluss privater Think Tanks auf die amerikanische Sozialpolitik.
Gehlen war ein herausragender, feinfühliger und kollegialer Journalist. Ihm gelang es, sein Publikum trotz kompliziertester Sachverhalte auf eine spannende Lesereise mitzunehmen. Trotz der düsteren Perspektiven für die Region beschrieb er leidenschaftlich auch die positiven Seiten des Nahen Ostens. „Immer wieder verzaubern uns die Menschen mit ihrer Freundlichkeit und ihrem Humor“, sagte er.
Martin Gehlen wird uns sehr fehlen. Wir verlieren einen sehr geschätzten und angesehenen Kollegen, einen feinen und feinsinnigen Menschen, einen Weggefährten und Freund. Unsere Gedanken sind bei Katharina Eglau und allen Angehörigen.