Olympische Geschichte, Teil 3

Tod und Spiele

Kalter Krieg, Apartheid, Terror in München: Wie die Spiele auch nach dem Zweiten Weltkrieg zum politischen Schauplatz werden.

10.07.2021

Von Jörg Krieger

Flughafen Fürstenfeldbruck, 6. September 1972: In diesem ausgebrannten Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes starb ein Teil der von arabischen Terroristen festgehaltenen Geiseln während der Olympischen Spiele in München. Foto: Göttert/dpa

Flughafen Fürstenfeldbruck, 6. September 1972: In diesem ausgebrannten Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes starb ein Teil der von arabischen Terroristen festgehaltenen Geiseln während der Olympischen Spiele in München. Foto: Göttert/dpa

Ulm. Das Ende des Zweiten Weltkrieges stellte den internationalen Sport vor zahlreiche Herausforderungen. Die USA im Westen und die Sowjetunion im Osten maßen sich ideologisch, militärisch – und sportlich. Die Olympischen Spiele wurden zu einem wichtigen symbolischen Schauplatz dieser Auseinandersetzung. Vor dem 2. Weltkrieg hatten die Sowjets eine Teilnahme an den „kapitalistischen“ Spielen noch abgelehnt. Die wachsende politische Bedeutung der Veranstaltung führte aber ab 1952 zu einem starken Interesse an einer sportlichen Auseinandersetzung mit den USA. In der Folge belegte die Sowjetunion bis 1988 sechsmal den ersten Platz im inoffiziellen Medaillenspiegel der Olympischen Sommerspiele.

Für Sportfunktionäre bedeutete das neue Mächteverhältnis einen Balanceakt beim Versuch der Trennung zwischen Politik und Sport. Sinnbildlich dafür steht die Wiederaufnahme des geteilten Deutschlands in die Olympische Bewegung. Bei den Spielen 1948 in London noch ausgeschlossen, bewarb sich das neugegründete westdeutsche Nationale Olympische Komitee (NOK) ein Jahr später erfolgreich als Alleinvertreter für ganz Deutschland um eine IOC-Anerkennung. Dazu nutzten den deutschen Sportfunktionären ihre guten Kontakte zur IOC-Spitze, die nun vom Amerikaner Avery Brundage angeführt wurde.

Ostdeutsche Funktionäre hatten es trotz sowjetischer Unterstützung bedeutend schwerer. Die politische Führung der DDR erkannte den westdeutschen Alleinvertretungsanspruch nicht an und gründete 1951 ein eigenes NOK. Diesem blieb die Anerkennung des IOC jedoch verwehrt. Das IOC argumentierte, dass es keine zwei NOK für ein Land geben könne und ostdeutsche Sportler stattdessen in einer gemeinsamen deutschen Mannschaft unter Führung des westdeutschen NOKs an den Spielen teilnehmen sollten. Nach anfänglicher Ablehnung lenkte die DDR 1956 ein und so nahm 1956, 1960 und 1964 eine gesamtdeutsche Mannschaft an den Olympischen Spielen teil. Angesichts der Verschärfung des Ost-West-Konflikts durch den Bau der Berliner Mauer Anfang der 1960er Jahre nahm das IOC 1965 ein eigenständiges NOK der DDR auf.

Auch in anderen Erdteilen wurde das IOC vor politische Herausforderungen gestellt. In China lehnte das kommunistische Regime der Volksrepublik selbst eine Aufnahme in das IOC ab. Es reagierte damit auf die Aufnahme Taiwans, als dessen Vertreter sich China selbst sah. Diesem Konflikt zufolge nahm die heutige Olympiamacht der Volksrepublik China erstmals 1984 an Olympischen Spielen teil.

Auf dem afrikanischen Kontinent sorgte die Apartheid in Südafrika für Boykottandrohungen afrikanischer Staaten, sollte Südafrika nicht von den Spielen ausgeschlossen werden. Diesen Forderungen kam das IOC 1972 nach. Dennoch kam es bei den Olympischen Spielen 1976 zu einem Boykott von 29 Nationen, da sich das IOC weigerte, Neuseeland von den Spielen zu disqualifizieren. Zuvor war die neuseeländische Rugby-Mannschaft gegen Südafrika angetreten.

Die Verbreitung des Fernsehens verstärkte das Potenzial der Spiele als Bühne für die Weltpolitik. Sie wurden erstmals 1964 per Satellitenfernsehen weltweit übertragen. Das IOC und die Organisationskomitees wussten dies finanziell zu nutzen. Sie vermarkteten die Übertragungsrechte. War das Weltsportereignis zuvor in den Nachrichten gezeigt worden, wurden sie nun als Unterhaltung angesehen. Damit wurde ein Wettbieten von TV-Anstalten um sportliche Großereignisse in Gang gesetzt, das Mehreinnahmen für das IOC generierte.

Die Massenwirksamkeit der Olympischen Spiele führte zum dunkelsten Kapitel der Olympischen Geschichte. In den frühen Morgenstunden des 5. September 1972 drangen acht bewaffnete palästinensische Terroristen in das Olympische Dorf in München ein und nahmen elf Mitglieder der israelischen Olympia-Mannschaft als Geiseln. Ein dilettantischer Befreiungsversuch der Polizei wurde live im Fernsehen übertragen. Das Attentat endete am Flughafen Fürstenfeldbruck mit dem Tod aller Geiseln. Nicht bereit, sich terroristischen Drohungen zu beugen, verkündete IOC Präsident Avery Brundageam: „The Games must go on“.

Dennoch hatte das Attentat weitreichende Folgen. Nicht nur wurde in Deutschland die Antiterror-Spezialeinheit Bundesgrenzschutzgruppe 9 gegründet; seit 1972 sind die – meist durch öffentliche Gelder finanzierten – Sicherheitskosten für Olympia massiv gestiegen. Es sind unter anderem diese Kosten, die eine weitere Austragung der Spiele in Deutschland verhindern.

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Erstellt:
10.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 57sec
zuletzt aktualisiert: 10.07.2021, 06:00 Uhr

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